Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches die sich auf dem offnen Lande, in der eignen und in der fremden Stadt, auf denselben Schwindrazheim beginnt seine Kunst-Wanderung in unsrer Vaterstadt und gibt Von der Straße geht der Verfasser zu den Bürgerhäusern über und stellt Der zweite Band mit dem Untertitel Stadt und Dorf leitet von dem Studium Maßgebliches und Unmaßgebliches die sich auf dem offnen Lande, in der eignen und in der fremden Stadt, auf denselben Schwindrazheim beginnt seine Kunst-Wanderung in unsrer Vaterstadt und gibt Von der Straße geht der Verfasser zu den Bürgerhäusern über und stellt Der zweite Band mit dem Untertitel Stadt und Dorf leitet von dem Studium <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0547" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303249"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2878" prev="#ID_2877"> die sich auf dem offnen Lande, in der eignen und in der fremden Stadt, auf denselben<lb/> Straßen und Wegen, die wir sonst achtlos Tag für Tag gegangen sind, vor den<lb/> gleichsam magisch gewordnen Blicken auftun.</p><lb/> <p xml:id="ID_2879"> Schwindrazheim beginnt seine Kunst-Wanderung in unsrer Vaterstadt und gibt<lb/> danach dem ersten Bändchen den Untertitel Unsre Vaterstadt. Wir müssen uns zunächst<lb/> nach dem Grundriß unsrer Stadt umsehen, sodann die Gesamtansicht von verschiednen<lb/> Standorten betrachten und gehn demnächst in die Stadt selbst, wo es alte und neue<lb/> Stadteingänge, alte Stadttore und Mauern neben neuen Eingängen, alte und moderne<lb/> Straßen und Plätze sowie alte und neue Stadtteile gibt. Auf alle diese Gegen¬<lb/> stände werden wir aufmerksam gemacht; es werden Vergleiche zwischen dem Einst<lb/> und Jetzt, den Vorzügen der alten und den Nachteilen der neuen Straßen und<lb/> umgekehrt angestellt und Geschmacklosigkeiten ebenso wie Schönheiten gebührend<lb/> klargelegt. Und alles ist so handgreiflich und lebendig geschildert, daß man wirklich<lb/> glauben möchte, es sei die eigne Vaterstadt, die zum Muster genommen worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2880"> Von der Straße geht der Verfasser zu den Bürgerhäusern über und stellt<lb/> wiederum die alte und die neue Bauweise einander gegenüber: die Grundrisse, die<lb/> Stilarten bis auf die Türen, Fenster, Läden, die Schilder und Hauszeichen. In<lb/> ähnlicher Weise werden die öffentlichen Gebäude, die Denkmäler, Brunnen, Gärten,<lb/> Friedhöfe, die Wagen, Trachten und ähnliche Sachen behandelt und zugleich viele<lb/> neue Anregungen gegeben, wie unbeschadet der Errungenschaften der Gegenwart so<lb/> manches Gute aus der Vorzeit erhalten werden kann. Die Abbildungen sollen zur<lb/> Erläuterung dienen; sie zeigen uns Stadttore, Gäßchen aus alter Zeit, Schindel¬<lb/> häuser, Rokokohäuser, Tore und Türen, Fachwerkgebäude, Wirtshausschilder, Kirchen<lb/> und Kirchhöfe u. a. Sie sind zumeist Hessen-Nassau und Unterfranken entnommen<lb/> und sehr deutlich in dem photographischen Plattenformcit 6x9 ausgeführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2881" next="#ID_2882"> Der zweite Band mit dem Untertitel Stadt und Dorf leitet von dem Studium<lb/> der Vaterstadt zum Studium der Fremde über, und zwar fremder Städte und<lb/> Dörfer. Auch hier sind es die Eigentümlichkeiten der Straßen und der Plätze<lb/> sowie der Befestigungen und der Häuser, auf die unser Augenmerk gelenkt wird.<lb/> Dann aber sind die Hnnsstudien im Dorfe sehr ausführlich behandelt worden; auf<lb/> die Frage, ob es im Bauernhause überhaupt eiuen Stil gibt, antwortet der Verfasser,<lb/> daß er sich nur in Kleinigkeiten, zum Beispiel in Ornamenten den Forderungen der<lb/> historischen Stile anbequemt, im großen und ganzen sich aber wenig darum gekümmert<lb/> habe, ob die französische Gotik oder italienische Renaissance oder das französische<lb/> Barock in Deutschland Schule machte, daß es aber trotzdem eine ganz überraschende<lb/> Vielartigkeit der Bauernhäuser auf deutschem Boden gäbe, über die wir noch bei<lb/> weitem nicht genügend unterrichtet seien. Sehr beachtenswert ist, was über die<lb/> Dorfkirchen und Friedhöfe gesagt wird. Urwüchsig Eignes vereint sich da oft mit<lb/> dem von außen herkommenden Vorbilde zu eigenartigen, einmal drolligen, ein ander¬<lb/> mal fein vornehmen, ein drittesmal zu ehrwürdigen oder zu barocken und andern<lb/> Gestaltungen von vielfach hohem malerischem Reiz. Allerlei Bauweisen kann man an<lb/> den Dorfkirchen beobachten; Bauten aus farbigen erratischen Blöcken bis zur Turm¬<lb/> spitze. Holzkirchen, Fachwerkbauten mit allerlei Türmen und Hauben. Kirchen mit<lb/> Befestigungsanlagen, Türme, ans alten Römerbauten errichtet, oder anch ganz kalte,<lb/> stiminungslose, schablonenhafte rote gotische Backsteinkirchen ohne den leisesten Versuch.<lb/> °n den alten, aus der Gemütsart der Bewohner, dem landesüblichen Baumaterial<lb/> und den natürlichen Bedingungen hervorgegangnen Kirchentypus der Gegend anzu¬<lb/> knüpfen. Die Abbildungen des zweiten Bandes zeigen Stadteingänge, Bauernhäuser.<lb/> Dorflindeu. Kirchen. Glockentürme u. a. in derselben saubern Ausführung wie.im<lb/> ersten Bande Man könnte meinen, daß damit nun der Stoff erschöpft sei. wenn<lb/> Stadt und Land hinsichtlich der Volkskunst geschildert worden sind. Dem ist aber</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0547]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
die sich auf dem offnen Lande, in der eignen und in der fremden Stadt, auf denselben
Straßen und Wegen, die wir sonst achtlos Tag für Tag gegangen sind, vor den
gleichsam magisch gewordnen Blicken auftun.
Schwindrazheim beginnt seine Kunst-Wanderung in unsrer Vaterstadt und gibt
danach dem ersten Bändchen den Untertitel Unsre Vaterstadt. Wir müssen uns zunächst
nach dem Grundriß unsrer Stadt umsehen, sodann die Gesamtansicht von verschiednen
Standorten betrachten und gehn demnächst in die Stadt selbst, wo es alte und neue
Stadteingänge, alte Stadttore und Mauern neben neuen Eingängen, alte und moderne
Straßen und Plätze sowie alte und neue Stadtteile gibt. Auf alle diese Gegen¬
stände werden wir aufmerksam gemacht; es werden Vergleiche zwischen dem Einst
und Jetzt, den Vorzügen der alten und den Nachteilen der neuen Straßen und
umgekehrt angestellt und Geschmacklosigkeiten ebenso wie Schönheiten gebührend
klargelegt. Und alles ist so handgreiflich und lebendig geschildert, daß man wirklich
glauben möchte, es sei die eigne Vaterstadt, die zum Muster genommen worden ist.
Von der Straße geht der Verfasser zu den Bürgerhäusern über und stellt
wiederum die alte und die neue Bauweise einander gegenüber: die Grundrisse, die
Stilarten bis auf die Türen, Fenster, Läden, die Schilder und Hauszeichen. In
ähnlicher Weise werden die öffentlichen Gebäude, die Denkmäler, Brunnen, Gärten,
Friedhöfe, die Wagen, Trachten und ähnliche Sachen behandelt und zugleich viele
neue Anregungen gegeben, wie unbeschadet der Errungenschaften der Gegenwart so
manches Gute aus der Vorzeit erhalten werden kann. Die Abbildungen sollen zur
Erläuterung dienen; sie zeigen uns Stadttore, Gäßchen aus alter Zeit, Schindel¬
häuser, Rokokohäuser, Tore und Türen, Fachwerkgebäude, Wirtshausschilder, Kirchen
und Kirchhöfe u. a. Sie sind zumeist Hessen-Nassau und Unterfranken entnommen
und sehr deutlich in dem photographischen Plattenformcit 6x9 ausgeführt.
Der zweite Band mit dem Untertitel Stadt und Dorf leitet von dem Studium
der Vaterstadt zum Studium der Fremde über, und zwar fremder Städte und
Dörfer. Auch hier sind es die Eigentümlichkeiten der Straßen und der Plätze
sowie der Befestigungen und der Häuser, auf die unser Augenmerk gelenkt wird.
Dann aber sind die Hnnsstudien im Dorfe sehr ausführlich behandelt worden; auf
die Frage, ob es im Bauernhause überhaupt eiuen Stil gibt, antwortet der Verfasser,
daß er sich nur in Kleinigkeiten, zum Beispiel in Ornamenten den Forderungen der
historischen Stile anbequemt, im großen und ganzen sich aber wenig darum gekümmert
habe, ob die französische Gotik oder italienische Renaissance oder das französische
Barock in Deutschland Schule machte, daß es aber trotzdem eine ganz überraschende
Vielartigkeit der Bauernhäuser auf deutschem Boden gäbe, über die wir noch bei
weitem nicht genügend unterrichtet seien. Sehr beachtenswert ist, was über die
Dorfkirchen und Friedhöfe gesagt wird. Urwüchsig Eignes vereint sich da oft mit
dem von außen herkommenden Vorbilde zu eigenartigen, einmal drolligen, ein ander¬
mal fein vornehmen, ein drittesmal zu ehrwürdigen oder zu barocken und andern
Gestaltungen von vielfach hohem malerischem Reiz. Allerlei Bauweisen kann man an
den Dorfkirchen beobachten; Bauten aus farbigen erratischen Blöcken bis zur Turm¬
spitze. Holzkirchen, Fachwerkbauten mit allerlei Türmen und Hauben. Kirchen mit
Befestigungsanlagen, Türme, ans alten Römerbauten errichtet, oder anch ganz kalte,
stiminungslose, schablonenhafte rote gotische Backsteinkirchen ohne den leisesten Versuch.
°n den alten, aus der Gemütsart der Bewohner, dem landesüblichen Baumaterial
und den natürlichen Bedingungen hervorgegangnen Kirchentypus der Gegend anzu¬
knüpfen. Die Abbildungen des zweiten Bandes zeigen Stadteingänge, Bauernhäuser.
Dorflindeu. Kirchen. Glockentürme u. a. in derselben saubern Ausführung wie.im
ersten Bande Man könnte meinen, daß damit nun der Stoff erschöpft sei. wenn
Stadt und Land hinsichtlich der Volkskunst geschildert worden sind. Dem ist aber
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