Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Russische Briefe besser ist die Nachkommenschaft der alten ärusuinnilci durch die Ergänzung *) Am 21. April I78S, ihre", Namenstage, gab Katharina die Zweite dem Adel "die Gramota der Rechte, Freiheiten und Prärogative der wohlgeborner russischen civoil-mswo". ^) Baron S. A Korff, Der Adel und seine ständische Leitung von 1762 bis 18S5,
Se. Petersburg, 1906, S- 136. Russische Briefe besser ist die Nachkommenschaft der alten ärusuinnilci durch die Ergänzung *) Am 21. April I78S, ihre», Namenstage, gab Katharina die Zweite dem Adel „die Gramota der Rechte, Freiheiten und Prärogative der wohlgeborner russischen civoil-mswo". ^) Baron S. A Korff, Der Adel und seine ständische Leitung von 1762 bis 18S5,
Se. Petersburg, 1906, S- 136. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303211"/> <fw type="header" place="top"> Russische Briefe</fw><lb/> <p xml:id="ID_2734" prev="#ID_2733" next="#ID_2735"> besser ist die Nachkommenschaft der alten ärusuinnilci durch die Ergänzung<lb/> aus landfremden Abenteurern nicht geworden — aber sie haben auch nicht<lb/> danach getrachtet, sich mit solchen Elementen zu verbinden, die sie Hütten<lb/> innerlich umwandeln und für ständische Organisationen befähigter machen<lb/> können. Der nationale Dünkel verbot ihnen, sich den deutschen und schwedischen<lb/> Adelsfamilien anzuschließen. Wenn also Schtscherbatow damals in deutschem<lb/> Sinne forderte, der Adelsstand solle sich nur durch solche vom Monarchen<lb/> Persönlich ernannte Individuen ergänzen dürfen, nicht aber könne er in den<lb/> Staatskanzleien von jedem Beliebiger ersessen werden, so wäre die Genehmigung<lb/> dieser Vorschrift wahrscheinlich ohne praktischen Nutzen für den Staat geblieben,<lb/> weil eben der Adel tatsächlich ohne innern Halt war. Aus den innern Gründen<lb/> ergab sich auch, daß die ständische Organisation/) die Katharina dem Adel<lb/> gab, sehr bald jede Bedeutung verlor. Schon gegen Ende der achtziger Jahre<lb/> des achtzehnten Jahrhunderts, das war somit, als die rechtliche Stellung des<lb/> Adelsstandes ihren Höhepunkt erreicht hatte, ^) da schien es unmöglich, die<lb/> Wählämter in der Provinz, die einzig Adlichen zur Verfügung standen, würdig<lb/> zu besetze» und die ständischen Bureaus, Schulen oder sonstige dem Adel zu-<lb/> gestnndnen Einrichtungen der Leitung unbescholtner Männer aus dem Adel<lb/> anzuvertrauen. Der Adel war längst wieder in den Staatsdienst und in die<lb/> Städte zurückgekehrt, und nur seine schlechtesten Vertreter wurden zu Re¬<lb/> präsentanten des Standes. Der Adel nutzte nicht die ihm gebotne Gelegen¬<lb/> heit, um durch Vermittlung der Adelsmarschälle und Kreisrichter im Zusammen¬<lb/> wirken mit dem Großgrundbesitz seiner trotz allem vorhandnen Autorität neue<lb/> Kraftqncllen zu geben. Jeder diente uur sich, seinem kurzsichtig erkannten<lb/> Vorteil, und dazu brauchte er keine ständischen Organisationen. Diese wurde<lb/> ihm für seine egoistischen Ziele eher hinderlich. So wurden nicht die Adlichen<lb/> Herren der Provinz, sondern die Gouverneure und Generalgvuverneure, das<lb/> heißt Beamte, die die Monarchen ernannten. Als Pauls des Ersten unseliges<lb/> Wirke» später die wichtigsten Privilegien zerstörte, hatten somit die betreffenden<lb/> Ukase in vielen Fällen nur den Wert von formellen Bestätigungen dessen,<lb/> was die ävorMnswo in der Praxis längst preisgegeben hatte. Der volle<lb/> Unwert der ÄvorjÄNstwo als monarchisch gesinnter Stand zeigte sich dann in<lb/> der Ermordung des Kaisers Paul (11. März 1801), in den Geheimbündeleien<lb/> während Alexanders des Ersten Regierungszeit, im Dekabristenaufstande und<lb/> nicht zuletzt in seinen vielfachen Beziehungen zu deu polnischen Revolutionären.<lb/> Wären zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts Staatsinteressen maßgebend<lb/> gewesen, so hätte die Bewegung im Adel nicht den philanthropischen Charakter<lb/> annehmen können, der schließlich zur Befreiung der Bauern geführt hat.</p><lb/> <note xml:id="FID_50" place="foot"> *) Am 21. April I78S, ihre», Namenstage, gab Katharina die Zweite dem Adel „die<lb/> Gramota der Rechte, Freiheiten und Prärogative der wohlgeborner russischen civoil-mswo".</note><lb/> <note xml:id="FID_51" place="foot"> ^) Baron S. A Korff, Der Adel und seine ständische Leitung von 1762 bis 18S5,<lb/> Se. Petersburg, 1906, S- 136.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0509]
Russische Briefe
besser ist die Nachkommenschaft der alten ärusuinnilci durch die Ergänzung
aus landfremden Abenteurern nicht geworden — aber sie haben auch nicht
danach getrachtet, sich mit solchen Elementen zu verbinden, die sie Hütten
innerlich umwandeln und für ständische Organisationen befähigter machen
können. Der nationale Dünkel verbot ihnen, sich den deutschen und schwedischen
Adelsfamilien anzuschließen. Wenn also Schtscherbatow damals in deutschem
Sinne forderte, der Adelsstand solle sich nur durch solche vom Monarchen
Persönlich ernannte Individuen ergänzen dürfen, nicht aber könne er in den
Staatskanzleien von jedem Beliebiger ersessen werden, so wäre die Genehmigung
dieser Vorschrift wahrscheinlich ohne praktischen Nutzen für den Staat geblieben,
weil eben der Adel tatsächlich ohne innern Halt war. Aus den innern Gründen
ergab sich auch, daß die ständische Organisation/) die Katharina dem Adel
gab, sehr bald jede Bedeutung verlor. Schon gegen Ende der achtziger Jahre
des achtzehnten Jahrhunderts, das war somit, als die rechtliche Stellung des
Adelsstandes ihren Höhepunkt erreicht hatte, ^) da schien es unmöglich, die
Wählämter in der Provinz, die einzig Adlichen zur Verfügung standen, würdig
zu besetze» und die ständischen Bureaus, Schulen oder sonstige dem Adel zu-
gestnndnen Einrichtungen der Leitung unbescholtner Männer aus dem Adel
anzuvertrauen. Der Adel war längst wieder in den Staatsdienst und in die
Städte zurückgekehrt, und nur seine schlechtesten Vertreter wurden zu Re¬
präsentanten des Standes. Der Adel nutzte nicht die ihm gebotne Gelegen¬
heit, um durch Vermittlung der Adelsmarschälle und Kreisrichter im Zusammen¬
wirken mit dem Großgrundbesitz seiner trotz allem vorhandnen Autorität neue
Kraftqncllen zu geben. Jeder diente uur sich, seinem kurzsichtig erkannten
Vorteil, und dazu brauchte er keine ständischen Organisationen. Diese wurde
ihm für seine egoistischen Ziele eher hinderlich. So wurden nicht die Adlichen
Herren der Provinz, sondern die Gouverneure und Generalgvuverneure, das
heißt Beamte, die die Monarchen ernannten. Als Pauls des Ersten unseliges
Wirke» später die wichtigsten Privilegien zerstörte, hatten somit die betreffenden
Ukase in vielen Fällen nur den Wert von formellen Bestätigungen dessen,
was die ävorMnswo in der Praxis längst preisgegeben hatte. Der volle
Unwert der ÄvorjÄNstwo als monarchisch gesinnter Stand zeigte sich dann in
der Ermordung des Kaisers Paul (11. März 1801), in den Geheimbündeleien
während Alexanders des Ersten Regierungszeit, im Dekabristenaufstande und
nicht zuletzt in seinen vielfachen Beziehungen zu deu polnischen Revolutionären.
Wären zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts Staatsinteressen maßgebend
gewesen, so hätte die Bewegung im Adel nicht den philanthropischen Charakter
annehmen können, der schließlich zur Befreiung der Bauern geführt hat.
*) Am 21. April I78S, ihre», Namenstage, gab Katharina die Zweite dem Adel „die
Gramota der Rechte, Freiheiten und Prärogative der wohlgeborner russischen civoil-mswo".
^) Baron S. A Korff, Der Adel und seine ständische Leitung von 1762 bis 18S5,
Se. Petersburg, 1906, S- 136.
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