Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Bnrgenzauber aus dem Judentum wohl auch in einzelne christliche Kreise eingedrungen sei, Bnrgenzauber Aarl Bader vonin ^"on den Zinnen oder dem Umgang der Burg weitet sich Blick und Aber wie versöhnend tönt der Vöglein Zwitschern über Verfall und Ruinen Doch damit nicht genug! Wenn die Sonne sank, ist erst recht die Zeit, Wo in aller Welt gibt es aber auch ein fruchtbareres Feld für die köst¬ Bnrgenzauber aus dem Judentum wohl auch in einzelne christliche Kreise eingedrungen sei, Bnrgenzauber Aarl Bader vonin ^«on den Zinnen oder dem Umgang der Burg weitet sich Blick und Aber wie versöhnend tönt der Vöglein Zwitschern über Verfall und Ruinen Doch damit nicht genug! Wenn die Sonne sank, ist erst recht die Zeit, Wo in aller Welt gibt es aber auch ein fruchtbareres Feld für die köst¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303163"/> <fw type="header" place="top"> Bnrgenzauber</fw><lb/> <p xml:id="ID_2532" prev="#ID_2531"> aus dem Judentum wohl auch in einzelne christliche Kreise eingedrungen sei,<lb/> die aber der Erlöserabsicht Christi direkt widerspreche; denn Christus sei nicht<lb/> gekommen, die Ordnung der Gerechtigkeit aufzuheben, oder, wie er an einer<lb/> andern Stelle sagt: das göttliche Gesetz ist nicht gegeben, um das menschliche<lb/> abzuschaffen".</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Bnrgenzauber<lb/><note type="byline"> Aarl Bader </note> vonin</head><lb/> <p xml:id="ID_2533"> ^«on den Zinnen oder dem Umgang der Burg weitet sich Blick und<lb/> Herz. Unten ungesehene Fernen erschließen sich dem staunenden<lb/> Auge, entzückt gleitet es über Bache, Fluren und Seen und den<lb/> grünen Wald, und des Dichters Ohr vernimmt auch wohl an¬<lb/> dächtig des nahen Klosters abendlich Geläut. Durch die offnen<lb/> Fenster schaut in der Nische sitzend sinnend der Wandrer über geborstne Säulen<lb/> und verfallne Hallen. Es ist still. Ein Grabstein gemahnt vielleicht in ernster<lb/> Sprache an die Toten, die einst hier fröhlich die Sonne begrüßten in Freud<lb/> und Leid. Kein Schwert erklirrt mehr, kein flüsternd Geständnis der Liebe, die<lb/> dem Stahlpanzer zum Trotz den Weg ins Herz gefunden und dort verwundet<lb/> hat, ertönt, nur die alte Linde rauscht eine wehmütige Weise von treuer Liebe,<lb/> bitterm Todesschmerz und vergeblichem Versuch, hinter Klostermauern zu ver¬<lb/> gessen. Kein Lied und Harfenklang erklingen mehr zum Lobe der holden Frauen,<lb/> kein Becher kreist in kühner Recken Runde.</p><lb/> <p xml:id="ID_2534"> Aber wie versöhnend tönt der Vöglein Zwitschern über Verfall und Ruinen<lb/> der „schicksalsknndigen Burg", Staub und Totengebein, und</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_9" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2535"> Doch damit nicht genug! Wenn die Sonne sank, ist erst recht die Zeit,<lb/> wo die Geister der Verstorbnen erwachen, wo um die mitternächtige Stunde<lb/> wie mit einemmal Lichtschein Burg und Saal erhellt, schwer dröhnender Schritt<lb/> von Gepanzerten ertönt, Hornruf von der Zinne erschallt, die weiße Frau um¬<lb/> geht, und unermeßliches Gold aus dem sich öffnenden Boden des Hofes gleißt<lb/> und glänzt!</p><lb/> <p xml:id="ID_2536"> Wo in aller Welt gibt es aber auch ein fruchtbareres Feld für die köst¬<lb/> lichen Blüten, die die deutsche Sage treibt, als dort oben oder am wellen¬<lb/> umspülten Grunde der Wasserburg? Und wie üppig schoß sie empor!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0461]
Bnrgenzauber
aus dem Judentum wohl auch in einzelne christliche Kreise eingedrungen sei,
die aber der Erlöserabsicht Christi direkt widerspreche; denn Christus sei nicht
gekommen, die Ordnung der Gerechtigkeit aufzuheben, oder, wie er an einer
andern Stelle sagt: das göttliche Gesetz ist nicht gegeben, um das menschliche
abzuschaffen".
Bnrgenzauber
Aarl Bader vonin
^«on den Zinnen oder dem Umgang der Burg weitet sich Blick und
Herz. Unten ungesehene Fernen erschließen sich dem staunenden
Auge, entzückt gleitet es über Bache, Fluren und Seen und den
grünen Wald, und des Dichters Ohr vernimmt auch wohl an¬
dächtig des nahen Klosters abendlich Geläut. Durch die offnen
Fenster schaut in der Nische sitzend sinnend der Wandrer über geborstne Säulen
und verfallne Hallen. Es ist still. Ein Grabstein gemahnt vielleicht in ernster
Sprache an die Toten, die einst hier fröhlich die Sonne begrüßten in Freud
und Leid. Kein Schwert erklirrt mehr, kein flüsternd Geständnis der Liebe, die
dem Stahlpanzer zum Trotz den Weg ins Herz gefunden und dort verwundet
hat, ertönt, nur die alte Linde rauscht eine wehmütige Weise von treuer Liebe,
bitterm Todesschmerz und vergeblichem Versuch, hinter Klostermauern zu ver¬
gessen. Kein Lied und Harfenklang erklingen mehr zum Lobe der holden Frauen,
kein Becher kreist in kühner Recken Runde.
Aber wie versöhnend tönt der Vöglein Zwitschern über Verfall und Ruinen
der „schicksalsknndigen Burg", Staub und Totengebein, und
Doch damit nicht genug! Wenn die Sonne sank, ist erst recht die Zeit,
wo die Geister der Verstorbnen erwachen, wo um die mitternächtige Stunde
wie mit einemmal Lichtschein Burg und Saal erhellt, schwer dröhnender Schritt
von Gepanzerten ertönt, Hornruf von der Zinne erschallt, die weiße Frau um¬
geht, und unermeßliches Gold aus dem sich öffnenden Boden des Hofes gleißt
und glänzt!
Wo in aller Welt gibt es aber auch ein fruchtbareres Feld für die köst¬
lichen Blüten, die die deutsche Sage treibt, als dort oben oder am wellen¬
umspülten Grunde der Wasserburg? Und wie üppig schoß sie empor!
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