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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

nur so weit "gepaukt", als er dazu durch die -- ich drücke mich höflich
aus -- nicht sachgemäße Art des Fragens einiger Mitglieder der Prüfungs¬
kommission geradezu gezwungen war. Aber sei es, wie es sei -- wie können
jene Beamten, die ihr Wissen selbst nur der Einpaukerei, das heißt nicht wissen¬
schaftlicher Arbeit verdanken, nun ihrerseits andre wissenschaftlich weiterbringen,
oder vielmehr ganz von vornherein ausbilden! Nun hat man allerdings vor¬
gesehen, auch Universitätslehrer heranzuziehen. Das wird jedoch nur in geringem
Umfang möglich sein. (Und ist es nicht überhaupt niedlich, daß man mit vielen
Kosten Universitätslehrer herbeiholt, um Referendaren Kenntnisse beizubringen,
die sie als Studenten im Rahmen ihrer sonstigen Studien bequem erworben
hätten, wenn sie durch verständige Einrichtung des Studiums und vor allem
der ersten Prüfung dazu gezwungen worden wären?) Die Hauptarbeit wird also
immer dem kursusleitenden Verwaltungsbeamten obliegen, der, ich wiederhole,
seine eignen Kenntnisse nur dem "Einpauker" verdanken soll. Wird er da nicht
unwillkürlich selbst dazu neigen, einzupauken, zumal da er in einer solchen
Neigung durch eine Reihe äußerer Umstünde bestärkt werden wird, zum Beispiel
dadurch, daß man nun in ihm jemand hat, den man für etwaige geringe
Leistungen der Regierungsreferendare seiner Behörde in der großen Prüfung
verantwortlich machen kann? Das hat man sich denn auch nicht verhehlt
und den Kursusleitern empfohlen, die Kurse gegen den Schluß des Vor¬
bereitungsdienstes zu einer Art Kontrolle über die für die mündliche Prüfung
nötigen Kenntnisse zu gestalten, also mit einem Wort "einzupauken" -- oder
etwa nicht?

Kurz, die Kurse werden in Wirklichkeit Einpaukerei werden, deren Erfolg
zudem noch zweifelhaft ist. Die berufsmäßigen Repetitoren pflegten wenigstens
ihre Sache gründlich zu verstehn, was man von den Leitern jener Kurse mindestens
in den ersten Jahren nicht erwarten kann. Hütte man den Herren, denen
man das dornenvolle und unerquickliche Amt eines Repetitors -- meist Wohl
gegen ihren Willen -- übertragen hat, Zeit gelassen, sich vorzubereiten, sie
etwa in Berlin oder sonstwo zusammen genommen und ihnen durch Vorträge
von Universitätslehrern oder andern besonders tüchtigen Fachmännern das nötige
Wissen beigebracht und vor allem durch praktische Übungen gezeigt, wie sie die
Kurse anzulegen und durchzuführen Hütten, dann würden die Aussichten auf
Erfolg besser sein. Inzwischen hätten auch die alten Referendare die Vorbereitung
nach den frühern Bestimmungen zu Ende führen können. Statt dessen hat man
diese im allgemeinen schon den neuen Bestimmungen unterworfen und den neuen
Ausbildungsregierungen zugeteilt, sodaß zum Beispiel bei einer westlichen Ne¬
gierung sechsundzwanzig Referendare zusammengekommen sind, die nun alle von
einem Beamten "wissenschaftlich weitergebildet" werden müssen. Ich bezweifle
nicht, daß dieser Herr hierzu hervorragend befähigt ist, aber ich weiß, daß
trotzdem eine solche Massenausbildung von Regierungsreferendaren mit "Wissen¬
schaft" nichts zu tun haben kann.


Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

nur so weit „gepaukt", als er dazu durch die — ich drücke mich höflich
aus — nicht sachgemäße Art des Fragens einiger Mitglieder der Prüfungs¬
kommission geradezu gezwungen war. Aber sei es, wie es sei — wie können
jene Beamten, die ihr Wissen selbst nur der Einpaukerei, das heißt nicht wissen¬
schaftlicher Arbeit verdanken, nun ihrerseits andre wissenschaftlich weiterbringen,
oder vielmehr ganz von vornherein ausbilden! Nun hat man allerdings vor¬
gesehen, auch Universitätslehrer heranzuziehen. Das wird jedoch nur in geringem
Umfang möglich sein. (Und ist es nicht überhaupt niedlich, daß man mit vielen
Kosten Universitätslehrer herbeiholt, um Referendaren Kenntnisse beizubringen,
die sie als Studenten im Rahmen ihrer sonstigen Studien bequem erworben
hätten, wenn sie durch verständige Einrichtung des Studiums und vor allem
der ersten Prüfung dazu gezwungen worden wären?) Die Hauptarbeit wird also
immer dem kursusleitenden Verwaltungsbeamten obliegen, der, ich wiederhole,
seine eignen Kenntnisse nur dem „Einpauker" verdanken soll. Wird er da nicht
unwillkürlich selbst dazu neigen, einzupauken, zumal da er in einer solchen
Neigung durch eine Reihe äußerer Umstünde bestärkt werden wird, zum Beispiel
dadurch, daß man nun in ihm jemand hat, den man für etwaige geringe
Leistungen der Regierungsreferendare seiner Behörde in der großen Prüfung
verantwortlich machen kann? Das hat man sich denn auch nicht verhehlt
und den Kursusleitern empfohlen, die Kurse gegen den Schluß des Vor¬
bereitungsdienstes zu einer Art Kontrolle über die für die mündliche Prüfung
nötigen Kenntnisse zu gestalten, also mit einem Wort „einzupauken" — oder
etwa nicht?

Kurz, die Kurse werden in Wirklichkeit Einpaukerei werden, deren Erfolg
zudem noch zweifelhaft ist. Die berufsmäßigen Repetitoren pflegten wenigstens
ihre Sache gründlich zu verstehn, was man von den Leitern jener Kurse mindestens
in den ersten Jahren nicht erwarten kann. Hütte man den Herren, denen
man das dornenvolle und unerquickliche Amt eines Repetitors — meist Wohl
gegen ihren Willen — übertragen hat, Zeit gelassen, sich vorzubereiten, sie
etwa in Berlin oder sonstwo zusammen genommen und ihnen durch Vorträge
von Universitätslehrern oder andern besonders tüchtigen Fachmännern das nötige
Wissen beigebracht und vor allem durch praktische Übungen gezeigt, wie sie die
Kurse anzulegen und durchzuführen Hütten, dann würden die Aussichten auf
Erfolg besser sein. Inzwischen hätten auch die alten Referendare die Vorbereitung
nach den frühern Bestimmungen zu Ende führen können. Statt dessen hat man
diese im allgemeinen schon den neuen Bestimmungen unterworfen und den neuen
Ausbildungsregierungen zugeteilt, sodaß zum Beispiel bei einer westlichen Ne¬
gierung sechsundzwanzig Referendare zusammengekommen sind, die nun alle von
einem Beamten „wissenschaftlich weitergebildet" werden müssen. Ich bezweifle
nicht, daß dieser Herr hierzu hervorragend befähigt ist, aber ich weiß, daß
trotzdem eine solche Massenausbildung von Regierungsreferendaren mit „Wissen¬
schaft" nichts zu tun haben kann.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/178>, abgerufen am 01.09.2024.