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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

praktischen Tätigkeit in besondrer Weise neu geregelt wird. Dieser Ausgangs¬
punkt der Neuordnung scheint mir verfehlt zu sein. Wissenschaftliche und praktische
Ausbildung müssen grundsätzlich getrennt sein. Hiervon ging das Gesetz von
1879 aus, und alle Welt hielt dies damals für eine wesentliche Verbesserung
gegenüber dem Regulativ von 1846, das ebenfalls die praktische Ausbildung mit
der wissenschaftlichen verquickt hatte. Das neue Gesetz bedeutet also in diesem
Punkt jedenfalls einen Rückschritt.

Im einzelnen ist es zunächst sehr zu bedauern, daß die praktische juristische
Ausbildung der Referendare künftig vollkommen ungenügend sein wird. Sie
soll nur neun Monate dauern, und der zukünftige Verwaltungsbeamte macht
infolgedessen nur die erste amtsgerichtliche Station des zukünftigen Richters
durch, die natürlich ganz nach dessen Bedürfnissen zugeschnitten ist. Daß dies
nicht ausreiche, hat die Negierung nicht leugnen können; die Gründe, die man
für die Notwendigkeit dieser Verkürzung der praktischen juristischen Tätigkeit
der spätern Verwaltungsbeamten vorbrachte, können einer schärfern Prüfung
aber nicht standhalten, einer kommt geradezu auf einen Trugschluß hinaus.

Ein Fehler scheint mir ferner gewesen zu sein, daß man die Regierungs¬
referendare bei einzelnen bestimmten Regierungen zusammengezogen hat. Zudem
gehören von den fünfzehn Regierungen, die man mit diesem Austrag beglückt
hat, allerhöchstens fünf zu den mittlern, die andern zehn aber zu den größern
und größten Behörden ihrer Art, zum Beispiel Breslau, Potsdam, Oppeln,
Düsseldorf. Man hat die kleinern Regierungen ausgeschlossen, weil sie für
Referendare nicht lehrreich genug seien. Das mag für einzelne Zwergregierungen
wie Sigmaringen, Stralsund, Aurich vielleicht gelten, im allgemeinen dürste es
aber nicht zutreffen. Dagegen haben wiederum die größern und größten Re¬
gierungen große Nachteile für die Ausbildung der Referendare. Zunächst den,
daß es ihnen bei der großen Zersplitterung der Dezernate an diesen Behörden
unnötig erschwert wird, das vorgeschricbne Ziel des praktischen Vorbereitungs¬
dienstes zu erreichen, nämlich einen Überblick über den ganzen Geschäftskreis
der Regierungen zu gewinnen. Das größte Bedenken gegen die großen Be¬
hörden ist aber, daß die Präsidenten hier bei der heutigen Geschäftslage -- man
denke nur an Oppeln oder Düsseldorf -- ganz außerstande sind, sich so um
die Referendare zu bekümmern, wie sie es nach den ministeriellen Anordnungen
sollen und auch unbedingt müssen, wenn der Zweck dieser Einrichtung erfüllt
werden soll.

Aus verschiednen Gründen kann ich es auch nicht für zweckmäßig halten,
daß die praktische Beschäftigung des Referendars in der Verwaltung mit einer
einjährigen Tätigkeit beim Landrat beginnen soll. Ich kann hier nur eins
hervorheben. Die Beschäftigung beim Landrat hat unter anderm den Zweck,
dem Referendar Gelegenheit zu geben, das praktische Leben kennen zu lernen.
Aber logischerweise kann die Beschäftigung eines Referendars bei einer Be¬
hörde doch nur das Ziel haben, die Tätigkeit dieser Behörde kennen zu lernen.


Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

praktischen Tätigkeit in besondrer Weise neu geregelt wird. Dieser Ausgangs¬
punkt der Neuordnung scheint mir verfehlt zu sein. Wissenschaftliche und praktische
Ausbildung müssen grundsätzlich getrennt sein. Hiervon ging das Gesetz von
1879 aus, und alle Welt hielt dies damals für eine wesentliche Verbesserung
gegenüber dem Regulativ von 1846, das ebenfalls die praktische Ausbildung mit
der wissenschaftlichen verquickt hatte. Das neue Gesetz bedeutet also in diesem
Punkt jedenfalls einen Rückschritt.

Im einzelnen ist es zunächst sehr zu bedauern, daß die praktische juristische
Ausbildung der Referendare künftig vollkommen ungenügend sein wird. Sie
soll nur neun Monate dauern, und der zukünftige Verwaltungsbeamte macht
infolgedessen nur die erste amtsgerichtliche Station des zukünftigen Richters
durch, die natürlich ganz nach dessen Bedürfnissen zugeschnitten ist. Daß dies
nicht ausreiche, hat die Negierung nicht leugnen können; die Gründe, die man
für die Notwendigkeit dieser Verkürzung der praktischen juristischen Tätigkeit
der spätern Verwaltungsbeamten vorbrachte, können einer schärfern Prüfung
aber nicht standhalten, einer kommt geradezu auf einen Trugschluß hinaus.

Ein Fehler scheint mir ferner gewesen zu sein, daß man die Regierungs¬
referendare bei einzelnen bestimmten Regierungen zusammengezogen hat. Zudem
gehören von den fünfzehn Regierungen, die man mit diesem Austrag beglückt
hat, allerhöchstens fünf zu den mittlern, die andern zehn aber zu den größern
und größten Behörden ihrer Art, zum Beispiel Breslau, Potsdam, Oppeln,
Düsseldorf. Man hat die kleinern Regierungen ausgeschlossen, weil sie für
Referendare nicht lehrreich genug seien. Das mag für einzelne Zwergregierungen
wie Sigmaringen, Stralsund, Aurich vielleicht gelten, im allgemeinen dürste es
aber nicht zutreffen. Dagegen haben wiederum die größern und größten Re¬
gierungen große Nachteile für die Ausbildung der Referendare. Zunächst den,
daß es ihnen bei der großen Zersplitterung der Dezernate an diesen Behörden
unnötig erschwert wird, das vorgeschricbne Ziel des praktischen Vorbereitungs¬
dienstes zu erreichen, nämlich einen Überblick über den ganzen Geschäftskreis
der Regierungen zu gewinnen. Das größte Bedenken gegen die großen Be¬
hörden ist aber, daß die Präsidenten hier bei der heutigen Geschäftslage — man
denke nur an Oppeln oder Düsseldorf — ganz außerstande sind, sich so um
die Referendare zu bekümmern, wie sie es nach den ministeriellen Anordnungen
sollen und auch unbedingt müssen, wenn der Zweck dieser Einrichtung erfüllt
werden soll.

Aus verschiednen Gründen kann ich es auch nicht für zweckmäßig halten,
daß die praktische Beschäftigung des Referendars in der Verwaltung mit einer
einjährigen Tätigkeit beim Landrat beginnen soll. Ich kann hier nur eins
hervorheben. Die Beschäftigung beim Landrat hat unter anderm den Zweck,
dem Referendar Gelegenheit zu geben, das praktische Leben kennen zu lernen.
Aber logischerweise kann die Beschäftigung eines Referendars bei einer Be¬
hörde doch nur das Ziel haben, die Tätigkeit dieser Behörde kennen zu lernen.


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[0176] Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen praktischen Tätigkeit in besondrer Weise neu geregelt wird. Dieser Ausgangs¬ punkt der Neuordnung scheint mir verfehlt zu sein. Wissenschaftliche und praktische Ausbildung müssen grundsätzlich getrennt sein. Hiervon ging das Gesetz von 1879 aus, und alle Welt hielt dies damals für eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem Regulativ von 1846, das ebenfalls die praktische Ausbildung mit der wissenschaftlichen verquickt hatte. Das neue Gesetz bedeutet also in diesem Punkt jedenfalls einen Rückschritt. Im einzelnen ist es zunächst sehr zu bedauern, daß die praktische juristische Ausbildung der Referendare künftig vollkommen ungenügend sein wird. Sie soll nur neun Monate dauern, und der zukünftige Verwaltungsbeamte macht infolgedessen nur die erste amtsgerichtliche Station des zukünftigen Richters durch, die natürlich ganz nach dessen Bedürfnissen zugeschnitten ist. Daß dies nicht ausreiche, hat die Negierung nicht leugnen können; die Gründe, die man für die Notwendigkeit dieser Verkürzung der praktischen juristischen Tätigkeit der spätern Verwaltungsbeamten vorbrachte, können einer schärfern Prüfung aber nicht standhalten, einer kommt geradezu auf einen Trugschluß hinaus. Ein Fehler scheint mir ferner gewesen zu sein, daß man die Regierungs¬ referendare bei einzelnen bestimmten Regierungen zusammengezogen hat. Zudem gehören von den fünfzehn Regierungen, die man mit diesem Austrag beglückt hat, allerhöchstens fünf zu den mittlern, die andern zehn aber zu den größern und größten Behörden ihrer Art, zum Beispiel Breslau, Potsdam, Oppeln, Düsseldorf. Man hat die kleinern Regierungen ausgeschlossen, weil sie für Referendare nicht lehrreich genug seien. Das mag für einzelne Zwergregierungen wie Sigmaringen, Stralsund, Aurich vielleicht gelten, im allgemeinen dürste es aber nicht zutreffen. Dagegen haben wiederum die größern und größten Re¬ gierungen große Nachteile für die Ausbildung der Referendare. Zunächst den, daß es ihnen bei der großen Zersplitterung der Dezernate an diesen Behörden unnötig erschwert wird, das vorgeschricbne Ziel des praktischen Vorbereitungs¬ dienstes zu erreichen, nämlich einen Überblick über den ganzen Geschäftskreis der Regierungen zu gewinnen. Das größte Bedenken gegen die großen Be¬ hörden ist aber, daß die Präsidenten hier bei der heutigen Geschäftslage — man denke nur an Oppeln oder Düsseldorf — ganz außerstande sind, sich so um die Referendare zu bekümmern, wie sie es nach den ministeriellen Anordnungen sollen und auch unbedingt müssen, wenn der Zweck dieser Einrichtung erfüllt werden soll. Aus verschiednen Gründen kann ich es auch nicht für zweckmäßig halten, daß die praktische Beschäftigung des Referendars in der Verwaltung mit einer einjährigen Tätigkeit beim Landrat beginnen soll. Ich kann hier nur eins hervorheben. Die Beschäftigung beim Landrat hat unter anderm den Zweck, dem Referendar Gelegenheit zu geben, das praktische Leben kennen zu lernen. Aber logischerweise kann die Beschäftigung eines Referendars bei einer Be¬ hörde doch nur das Ziel haben, die Tätigkeit dieser Behörde kennen zu lernen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/176>, abgerufen am 12.12.2024.