Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Tilsit -- ein Zusammenbruch der britischen Festlandpolitik erzwingen konnte. Um den Erfolg an seine Feldzeichen zu bannen, ließ er nichts Die nachstehenden Urteile über die kaum begreifliche damalige Schlaffheit "England, eine Beute offizieller Unfähigkeit, tat nichts, außer daß es einige Tilsit — ein Zusammenbruch der britischen Festlandpolitik erzwingen konnte. Um den Erfolg an seine Feldzeichen zu bannen, ließ er nichts Die nachstehenden Urteile über die kaum begreifliche damalige Schlaffheit „England, eine Beute offizieller Unfähigkeit, tat nichts, außer daß es einige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0560" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302548"/> <fw type="header" place="top"> Tilsit — ein Zusammenbruch der britischen Festlandpolitik</fw><lb/> <p xml:id="ID_2417" prev="#ID_2416"> erzwingen konnte. Um den Erfolg an seine Feldzeichen zu bannen, ließ er nichts<lb/> unversucht. Er empfing die Abgesandten Persiens und der Türkei, um mit<lb/> ihnen gemeinsame Kriegsoperationen zu verabreden — er bot Preußen wieder¬<lb/> holt einen gttustigen Separatfrieden an, stieß aber auf das durch frühere Er¬<lb/> fahrungen mir zu wohl begründete Mißtrauen Friedrich Wilhelms des Dritten<lb/> und Hardenbergs. Nur die Engländer ahnten nichts von den außerordentlich<lb/> günstigen Aussichten, die sich ihnen für ein Eingreifen in die festländischen<lb/> Kriegsereignisse darboten, unternahmen nicht einmal den Versuch, Kolberg und<lb/> Danzig ausgiebig zu unterstützen. Sie schwangen sich bloß zu einer lahmen<lb/> Demonstration gegen die den Franzosen verbündete Türkei auf, vermochten aber<lb/> gegen das vom französischen Botschafter Sebcistiani äußerst geschickt verteidigte<lb/> Konstantinopel nichts auszurichten. Statt dem am Ende seiner wirtschaftlichen<lb/> Leistungsfähigkeit angelangten Rußland die versprochuen Waffen und Uniformen<lb/> zu liefern — die englischen Sendungen trafen in der Hauptsache erst nach Tilsit<lb/> in Nußland ein —, verstimmte England den Zaren auf das äußerste durch<lb/> unzeitgemäße Belästigungen der russischen Handelsschiffahrt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2418"> Die nachstehenden Urteile über die kaum begreifliche damalige Schlaffheit<lb/> und Ungeschicklichkeit der britischen Politik sind mit einigen Kürzungen dem zu<lb/> Anfang erwähnten Buch des Engländers John Holland Rose entnommen:</p><lb/> <p xml:id="ID_2419" next="#ID_2420"> „England, eine Beute offizieller Unfähigkeit, tat nichts, außer daß es einige<lb/> erfolglose Expeditionen entsandte. Noch weniger vermochten wir von unsern<lb/> eignen Küsten auch nur die geringste Streitmacht zu entsenden, die Preußen<lb/> eine wirksame Hilfe hätte bringen können. Obwohl wir mit dieser Macht Frieden<lb/> geschlossen hatten, und gewöhnliche Klugheit uns zu Schritten hätte veranlassen<lb/> müssen, die Küstenfestungen Danzig und Kolberg vor den französischen Be-<lb/> lagernngsheeren zu retten, so beschränkten sich unsre Bemühungen darauf, nach<lb/> der zuerst genannten Festung ein paar Kreuzer zu senden. Noch weit not¬<lb/> wendiger war die Befreiung Stralsunds, der Hauptfestung von Schwedisch-<lb/> Pommern. Eine Expedition dorthin bot offenbar gute Aussichten und sehr<lb/> geringe Gefahren. Aber dem Ministerium Grenville, das an seinem alten Plan<lb/> festhielt, nichts zu tun, und dies noch dazu in kostspieliger Weise, war mit Gründen<lb/> nicht beizukommen. Dieses bankerotte Ministerium wurde jedoch im März 1807<lb/> von Georg dem Dritten entlassen, weil es die Frage der Emanzipation der<lb/> Katholiken fallen zu lassen sich weigerte, und seine Stelle wurde durch deu<lb/> Herzog von Portland mit Canning als Minister des Auswärtigen eingenommen-<lb/> Bald zeigte es sich, daß Pitts Mantel auf würdige Schultern gefallen war, und<lb/> neue Kraft begann unsre auswärtige Politik zu beseelen. Doch konnten die<lb/> übeln Folgen der Verzettelung unsrer Streitkräfte zu fernen Unternehmungen<lb/> nicht sofort beseitigt werden. Unser militärischer Sachverständiger Lord Cathcart<lb/> berechnete, daß nur etwa 12000 Mann für deu Dienst in der Ostsee erübrigt<lb/> werden könnten, und da es unter unsrer Würde (!) wäre, eine so kleine Schar<lb/> zu entsenden, so würde es besser sein, diese in der Heimat zurückzubehalten, um</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0560]
Tilsit — ein Zusammenbruch der britischen Festlandpolitik
erzwingen konnte. Um den Erfolg an seine Feldzeichen zu bannen, ließ er nichts
unversucht. Er empfing die Abgesandten Persiens und der Türkei, um mit
ihnen gemeinsame Kriegsoperationen zu verabreden — er bot Preußen wieder¬
holt einen gttustigen Separatfrieden an, stieß aber auf das durch frühere Er¬
fahrungen mir zu wohl begründete Mißtrauen Friedrich Wilhelms des Dritten
und Hardenbergs. Nur die Engländer ahnten nichts von den außerordentlich
günstigen Aussichten, die sich ihnen für ein Eingreifen in die festländischen
Kriegsereignisse darboten, unternahmen nicht einmal den Versuch, Kolberg und
Danzig ausgiebig zu unterstützen. Sie schwangen sich bloß zu einer lahmen
Demonstration gegen die den Franzosen verbündete Türkei auf, vermochten aber
gegen das vom französischen Botschafter Sebcistiani äußerst geschickt verteidigte
Konstantinopel nichts auszurichten. Statt dem am Ende seiner wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit angelangten Rußland die versprochuen Waffen und Uniformen
zu liefern — die englischen Sendungen trafen in der Hauptsache erst nach Tilsit
in Nußland ein —, verstimmte England den Zaren auf das äußerste durch
unzeitgemäße Belästigungen der russischen Handelsschiffahrt.
Die nachstehenden Urteile über die kaum begreifliche damalige Schlaffheit
und Ungeschicklichkeit der britischen Politik sind mit einigen Kürzungen dem zu
Anfang erwähnten Buch des Engländers John Holland Rose entnommen:
„England, eine Beute offizieller Unfähigkeit, tat nichts, außer daß es einige
erfolglose Expeditionen entsandte. Noch weniger vermochten wir von unsern
eignen Küsten auch nur die geringste Streitmacht zu entsenden, die Preußen
eine wirksame Hilfe hätte bringen können. Obwohl wir mit dieser Macht Frieden
geschlossen hatten, und gewöhnliche Klugheit uns zu Schritten hätte veranlassen
müssen, die Küstenfestungen Danzig und Kolberg vor den französischen Be-
lagernngsheeren zu retten, so beschränkten sich unsre Bemühungen darauf, nach
der zuerst genannten Festung ein paar Kreuzer zu senden. Noch weit not¬
wendiger war die Befreiung Stralsunds, der Hauptfestung von Schwedisch-
Pommern. Eine Expedition dorthin bot offenbar gute Aussichten und sehr
geringe Gefahren. Aber dem Ministerium Grenville, das an seinem alten Plan
festhielt, nichts zu tun, und dies noch dazu in kostspieliger Weise, war mit Gründen
nicht beizukommen. Dieses bankerotte Ministerium wurde jedoch im März 1807
von Georg dem Dritten entlassen, weil es die Frage der Emanzipation der
Katholiken fallen zu lassen sich weigerte, und seine Stelle wurde durch deu
Herzog von Portland mit Canning als Minister des Auswärtigen eingenommen-
Bald zeigte es sich, daß Pitts Mantel auf würdige Schultern gefallen war, und
neue Kraft begann unsre auswärtige Politik zu beseelen. Doch konnten die
übeln Folgen der Verzettelung unsrer Streitkräfte zu fernen Unternehmungen
nicht sofort beseitigt werden. Unser militärischer Sachverständiger Lord Cathcart
berechnete, daß nur etwa 12000 Mann für deu Dienst in der Ostsee erübrigt
werden könnten, und da es unter unsrer Würde (!) wäre, eine so kleine Schar
zu entsenden, so würde es besser sein, diese in der Heimat zurückzubehalten, um
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