Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.le Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika gelungen, Abneigung gegen Deutschland und Sympathie für England bei den Eine Wendung ist erst ganz allmählich und zögernd eingetreten Die le Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika gelungen, Abneigung gegen Deutschland und Sympathie für England bei den Eine Wendung ist erst ganz allmählich und zögernd eingetreten Die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0547" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302535"/> <fw type="header" place="top"> le Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika</fw><lb/> <p xml:id="ID_2377" prev="#ID_2376"> gelungen, Abneigung gegen Deutschland und Sympathie für England bei den<lb/> Zcitungslesern zu erwecken und die öffentliche Meinung, die in den Vereinigten<lb/> Staaten die erste Macht ist und noch über dem Präsidenten steht, in dolosestcr<lb/> Weise zu fälschen. Dieses macchiavellistische System war von Erfolg gekrönt,<lb/> weil den Amerikanern von Natur der aristokratische Engländer als höchstes<lb/> Ideal vorschwebt, das von der ersten Gesellschaft Newyorks, Bostons und<lb/> Chicagos kritiklos nachgeahmt zu werden pflegt, und weil daher alles Englische<lb/> ohne weiteres als gut und vollkommen gilt. Wird dann durch einen Staats¬<lb/> sekretär der Auswärtigen Angelegenheiten, wie Mr. Hay. der durch seine lang¬<lb/> jährige Botschafterzeit in London ganz Anglophile geworden war, offiziell bei<lb/> jeder sich bietenden Gelegenheit von der Blutsverwandtschaft mit England geredet<lb/> und Deutschland konsequent totgeschwiegen, so kann man sich nicht wundern, daß<lb/> der Durchschnittsamerikaner zu der Überzeugung gelangt, daß es in der inter¬<lb/> nationalen Politik seines Landes eigentlich nur auf das uneigennützige stammes-<lb/> vcrwandte England ankomme. Diese Auffassung hat alle Zwischenfälle, die<lb/> bei den zahlreichen Reibungsflächen der beiden Staaten unausbleiblich waren,<lb/> überdauert und konnte auch durch positive Tatsachen, die jede andre fremde<lb/> Regierung vor der öffentlichen Meinung Amerikas kompromittiert hätten, nicht<lb/> erschüttert werden. So blieb der Ne. Hom. Lord Pauncefote of Presto», der<lb/> seit 1893 die Interessen Großbritanniens als Botschafter in Washington ver¬<lb/> treten hatte, anch dann noch der erklärte Liebling der öffentlichen Meinung,<lb/> als 1902 durch die amtlichen deutschen Veröffentlichungen festgestellt worden<lb/> war, daß der Lord vor Ausbruch des Amerikanisch-spanischen Krieges eine etwas<lb/> zweifelhafte Rolle gespielt und auf Drängen der Königin-Regentin Christine<lb/> durch eine Zirkularnote seine Kollegen und deren Regierungen zu einer Inter¬<lb/> vention zugunsten Spaniens zu bewegen versucht hatte, zu einer Zeit, wo<lb/> man uur dem bösen Deutschland solche Pläne zutraute, Englands aber ganz<lb/> gewiß zu sein glaubte. Wieder einmal in der Weltgeschichte war eben das<lb/> Vorurteil eines großen Volkes stärker als die positiven Tatsachen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2378" next="#ID_2379"> Eine Wendung ist erst ganz allmählich und zögernd eingetreten Die<lb/> Ermordung William Mac Kinleys brachte unerwarteterweise Theodore Roosevelt,<lb/> den man nur zum Vizepräsidenten gewählt hatte, um ihn als Präsidentschafts¬<lb/> kandidaten auszuschalten, auf den Präsidentensessel, einen Mann der infolge<lb/> seiner holländischen Abstammung nicht gerade zu einer besondern Vorliebe für<lb/> die Engländer veranlagt war. der die Geschichte der Kämpfe zwischen seinem<lb/> Lande und Großbritannien genan studiert, der Deutschland aus persönlicher<lb/> Anschauung kennen gelernt, und der sich in einem seiner politischen Essays<lb/> dahin geäußert hatte, er würde einen Krieg mit England bedauer,^ aber nnr<lb/> Interesse Euqlands, das dann ja Kanada ohne weiteres an die Vereinigten<lb/> Staaten verlieren müsse. Als darauf Mr. Hay gestorben und mit ihm der<lb/> eifrigste Anwalt britischer Interessen verschwunden war. ist England immer<lb/> mehr in den Hintergrund getreten, und die Ausnahmestellung, die früher der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0547]
le Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika
gelungen, Abneigung gegen Deutschland und Sympathie für England bei den
Zcitungslesern zu erwecken und die öffentliche Meinung, die in den Vereinigten
Staaten die erste Macht ist und noch über dem Präsidenten steht, in dolosestcr
Weise zu fälschen. Dieses macchiavellistische System war von Erfolg gekrönt,
weil den Amerikanern von Natur der aristokratische Engländer als höchstes
Ideal vorschwebt, das von der ersten Gesellschaft Newyorks, Bostons und
Chicagos kritiklos nachgeahmt zu werden pflegt, und weil daher alles Englische
ohne weiteres als gut und vollkommen gilt. Wird dann durch einen Staats¬
sekretär der Auswärtigen Angelegenheiten, wie Mr. Hay. der durch seine lang¬
jährige Botschafterzeit in London ganz Anglophile geworden war, offiziell bei
jeder sich bietenden Gelegenheit von der Blutsverwandtschaft mit England geredet
und Deutschland konsequent totgeschwiegen, so kann man sich nicht wundern, daß
der Durchschnittsamerikaner zu der Überzeugung gelangt, daß es in der inter¬
nationalen Politik seines Landes eigentlich nur auf das uneigennützige stammes-
vcrwandte England ankomme. Diese Auffassung hat alle Zwischenfälle, die
bei den zahlreichen Reibungsflächen der beiden Staaten unausbleiblich waren,
überdauert und konnte auch durch positive Tatsachen, die jede andre fremde
Regierung vor der öffentlichen Meinung Amerikas kompromittiert hätten, nicht
erschüttert werden. So blieb der Ne. Hom. Lord Pauncefote of Presto», der
seit 1893 die Interessen Großbritanniens als Botschafter in Washington ver¬
treten hatte, anch dann noch der erklärte Liebling der öffentlichen Meinung,
als 1902 durch die amtlichen deutschen Veröffentlichungen festgestellt worden
war, daß der Lord vor Ausbruch des Amerikanisch-spanischen Krieges eine etwas
zweifelhafte Rolle gespielt und auf Drängen der Königin-Regentin Christine
durch eine Zirkularnote seine Kollegen und deren Regierungen zu einer Inter¬
vention zugunsten Spaniens zu bewegen versucht hatte, zu einer Zeit, wo
man uur dem bösen Deutschland solche Pläne zutraute, Englands aber ganz
gewiß zu sein glaubte. Wieder einmal in der Weltgeschichte war eben das
Vorurteil eines großen Volkes stärker als die positiven Tatsachen.
Eine Wendung ist erst ganz allmählich und zögernd eingetreten Die
Ermordung William Mac Kinleys brachte unerwarteterweise Theodore Roosevelt,
den man nur zum Vizepräsidenten gewählt hatte, um ihn als Präsidentschafts¬
kandidaten auszuschalten, auf den Präsidentensessel, einen Mann der infolge
seiner holländischen Abstammung nicht gerade zu einer besondern Vorliebe für
die Engländer veranlagt war. der die Geschichte der Kämpfe zwischen seinem
Lande und Großbritannien genan studiert, der Deutschland aus persönlicher
Anschauung kennen gelernt, und der sich in einem seiner politischen Essays
dahin geäußert hatte, er würde einen Krieg mit England bedauer,^ aber nnr
Interesse Euqlands, das dann ja Kanada ohne weiteres an die Vereinigten
Staaten verlieren müsse. Als darauf Mr. Hay gestorben und mit ihm der
eifrigste Anwalt britischer Interessen verschwunden war. ist England immer
mehr in den Hintergrund getreten, und die Ausnahmestellung, die früher der
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