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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

(?!UA<uso X, 143). Und schon die alten Römer hatten die Zeitwörter tinuirs und
"lltilluars, die: klingeln bedeuteten, die Klingel war ein ^intinuabulum.

Das erinnert Wieder daran, daß man ein vÄ^-obantant vulgär ein Tingel¬
tangel nennt, und daß der Bauer seine Sense dengelt, indem er die Schneide
Derselben mit dem Dengelhammer auf einem kleinen Amboß dünn schlägt. Der
^engelgeist, aus dem Geisterbesuche auf dem Feldberg männiglich bekannt, ist der
Sensenmann, eine Personifikation des Todes. Auch der Kesselflicker ist in England
em Dengelgeist, er heißt Linlcsr oder 'liulclor; die Engländer haben einen
^wu>ol-wi I'iukor, den Theosophen Bunyan, den Verfasser des Pilgers, der in"'"er Jugend Kesselflicker war. Auch der Klempner ist einer; er heißt: riuman.

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, , Wien haben sie die Redensart: einem ein Klampfl oder ein Klemper-
e n anhängen, die bedeutet: einem etwas anhängen, ihm etwas nachsagen, ihm
erwas an Zeuge flicken. Das Klemperlein ist die Schelle, die dem Menschen wie
ein Narren oder einem Aussätzigen angehängt wird. Dadurch zieht er die Augen
"er Leute auf sich.

Es ist wahrscheinlich, daß der Name der Zigeuner mit diesen Ausdrücken
s - ainmenhängt; er bedeutet gleichsam unfreiwillige Zinkenisten. Die Zigeuner
H in ""^ Vorliebe das Schmiede- und Sehlosserhandwerk; sie sind die gebornen
lUtjchmiede und Keßler, sie veranstalteten zu Eude des fünfzehnten Jahrhunderts
i^"e Keßler- und Kaltschmiedetage und wählten eigne Keßlerkönige. In Schottland
d s ""^^ gleichbedeutend mit Zigeuner; in einem Gnadenbriefe Wilhelms
. Löwen, der 1165 bis 1214 regierte, werden die Gipsies ausdrücklich so be-
se'ahnet. Wenn man nun bedenkt, daß dieselben Zigeuner in Italien und schon bei
die! "°^sie" Chronisten xli 2inAg>ri heißen, so liegt die Vermutung nahe, daß
e>es durch Lautverschiebuug aus einer Form wie l'iuKIsr hervor-
^glingeu sei. Eine gleiche Verschiebung der Ahmlaute tin und tint: liegt auch
'"oerwärts und wahrscheinlich bei den beiden Metallnamen Zinn und Zink selbst
Die Zinke oder der Zinken war ein altes Blasinstrument, das die Zinkenisten
'elem. OsenAolli heißt klingeln im Ungarischen, und in der Fatinitza klingen die
hellen beim Schlittenfahren: ä-iuA, -Z^inss! -- In Zigeuner hätte sich mithin
ur der Rasal verloren, weil die ursprüngliche Bedeutung des Namens nicht mehr
l gut verstanden wurde wie in Schottland. Ohne diesen Gedanken weiter zu ver-
t°igen, will ich nur noch erwähnen, daß die Zigeuner als Kesselflicker keineswegs
"einzelt dastehen, sondern den sogenannten Katzelmachern in Wien, den
^"vergnaten in Paris entsprechen würden. Die Katzlmacher sind eigentlich Kessel-
°cher und eigentlich nicht Italiener, sondern Slowaken.

H Die Klempner und die Kesselflicker würden also gewissermaßen in dem populären
Konzert das Glockenspiel besorgen, während die Steinsetzer die Becken und die
sicher die Trommel dazu schlagen. Denn auch die Pflastersteine klingen, wenn die


Maßgebliches und Unmaßgebliches

(?!UA<uso X, 143). Und schon die alten Römer hatten die Zeitwörter tinuirs und
"lltilluars, die: klingeln bedeuteten, die Klingel war ein ^intinuabulum.

Das erinnert Wieder daran, daß man ein vÄ^-obantant vulgär ein Tingel¬
tangel nennt, und daß der Bauer seine Sense dengelt, indem er die Schneide
Derselben mit dem Dengelhammer auf einem kleinen Amboß dünn schlägt. Der
^engelgeist, aus dem Geisterbesuche auf dem Feldberg männiglich bekannt, ist der
Sensenmann, eine Personifikation des Todes. Auch der Kesselflicker ist in England
em Dengelgeist, er heißt Linlcsr oder 'liulclor; die Engländer haben einen
^wu>ol-wi I'iukor, den Theosophen Bunyan, den Verfasser des Pilgers, der in"'"er Jugend Kesselflicker war. Auch der Klempner ist einer; er heißt: riuman.

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, , Wien haben sie die Redensart: einem ein Klampfl oder ein Klemper-
e n anhängen, die bedeutet: einem etwas anhängen, ihm etwas nachsagen, ihm
erwas an Zeuge flicken. Das Klemperlein ist die Schelle, die dem Menschen wie
ein Narren oder einem Aussätzigen angehängt wird. Dadurch zieht er die Augen
"er Leute auf sich.

Es ist wahrscheinlich, daß der Name der Zigeuner mit diesen Ausdrücken
s - ainmenhängt; er bedeutet gleichsam unfreiwillige Zinkenisten. Die Zigeuner
H in ""^ Vorliebe das Schmiede- und Sehlosserhandwerk; sie sind die gebornen
lUtjchmiede und Keßler, sie veranstalteten zu Eude des fünfzehnten Jahrhunderts
i^"e Keßler- und Kaltschmiedetage und wählten eigne Keßlerkönige. In Schottland
d s »"^^ gleichbedeutend mit Zigeuner; in einem Gnadenbriefe Wilhelms
. Löwen, der 1165 bis 1214 regierte, werden die Gipsies ausdrücklich so be-
se'ahnet. Wenn man nun bedenkt, daß dieselben Zigeuner in Italien und schon bei
die! «°^sie" Chronisten xli 2inAg>ri heißen, so liegt die Vermutung nahe, daß
e>es durch Lautverschiebuug aus einer Form wie l'iuKIsr hervor-
^glingeu sei. Eine gleiche Verschiebung der Ahmlaute tin und tint: liegt auch
'"oerwärts und wahrscheinlich bei den beiden Metallnamen Zinn und Zink selbst
Die Zinke oder der Zinken war ein altes Blasinstrument, das die Zinkenisten
'elem. OsenAolli heißt klingeln im Ungarischen, und in der Fatinitza klingen die
hellen beim Schlittenfahren: ä-iuA, -Z^inss! — In Zigeuner hätte sich mithin
ur der Rasal verloren, weil die ursprüngliche Bedeutung des Namens nicht mehr
l gut verstanden wurde wie in Schottland. Ohne diesen Gedanken weiter zu ver-
t°igen, will ich nur noch erwähnen, daß die Zigeuner als Kesselflicker keineswegs
"einzelt dastehen, sondern den sogenannten Katzelmachern in Wien, den
^"vergnaten in Paris entsprechen würden. Die Katzlmacher sind eigentlich Kessel-
°cher und eigentlich nicht Italiener, sondern Slowaken.

H Die Klempner und die Kesselflicker würden also gewissermaßen in dem populären
Konzert das Glockenspiel besorgen, während die Steinsetzer die Becken und die
sicher die Trommel dazu schlagen. Denn auch die Pflastersteine klingen, wenn die


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[0491] Maßgebliches und Unmaßgebliches (?!UA<uso X, 143). Und schon die alten Römer hatten die Zeitwörter tinuirs und "lltilluars, die: klingeln bedeuteten, die Klingel war ein ^intinuabulum. Das erinnert Wieder daran, daß man ein vÄ^-obantant vulgär ein Tingel¬ tangel nennt, und daß der Bauer seine Sense dengelt, indem er die Schneide Derselben mit dem Dengelhammer auf einem kleinen Amboß dünn schlägt. Der ^engelgeist, aus dem Geisterbesuche auf dem Feldberg männiglich bekannt, ist der Sensenmann, eine Personifikation des Todes. Auch der Kesselflicker ist in England em Dengelgeist, er heißt Linlcsr oder 'liulclor; die Engländer haben einen ^wu>ol-wi I'iukor, den Theosophen Bunyan, den Verfasser des Pilgers, der in"'"er Jugend Kesselflicker war. Auch der Klempner ist einer; er heißt: riuman. ,. , , Wien haben sie die Redensart: einem ein Klampfl oder ein Klemper- e n anhängen, die bedeutet: einem etwas anhängen, ihm etwas nachsagen, ihm erwas an Zeuge flicken. Das Klemperlein ist die Schelle, die dem Menschen wie ein Narren oder einem Aussätzigen angehängt wird. Dadurch zieht er die Augen "er Leute auf sich. Es ist wahrscheinlich, daß der Name der Zigeuner mit diesen Ausdrücken s - ainmenhängt; er bedeutet gleichsam unfreiwillige Zinkenisten. Die Zigeuner H in ""^ Vorliebe das Schmiede- und Sehlosserhandwerk; sie sind die gebornen lUtjchmiede und Keßler, sie veranstalteten zu Eude des fünfzehnten Jahrhunderts i^"e Keßler- und Kaltschmiedetage und wählten eigne Keßlerkönige. In Schottland d s »"^^ gleichbedeutend mit Zigeuner; in einem Gnadenbriefe Wilhelms . Löwen, der 1165 bis 1214 regierte, werden die Gipsies ausdrücklich so be- se'ahnet. Wenn man nun bedenkt, daß dieselben Zigeuner in Italien und schon bei die! «°^sie" Chronisten xli 2inAg>ri heißen, so liegt die Vermutung nahe, daß e>es durch Lautverschiebuug aus einer Form wie l'iuKIsr hervor- ^glingeu sei. Eine gleiche Verschiebung der Ahmlaute tin und tint: liegt auch '"oerwärts und wahrscheinlich bei den beiden Metallnamen Zinn und Zink selbst Die Zinke oder der Zinken war ein altes Blasinstrument, das die Zinkenisten 'elem. OsenAolli heißt klingeln im Ungarischen, und in der Fatinitza klingen die hellen beim Schlittenfahren: ä-iuA, -Z^inss! — In Zigeuner hätte sich mithin ur der Rasal verloren, weil die ursprüngliche Bedeutung des Namens nicht mehr l gut verstanden wurde wie in Schottland. Ohne diesen Gedanken weiter zu ver- t°igen, will ich nur noch erwähnen, daß die Zigeuner als Kesselflicker keineswegs "einzelt dastehen, sondern den sogenannten Katzelmachern in Wien, den ^"vergnaten in Paris entsprechen würden. Die Katzlmacher sind eigentlich Kessel- °cher und eigentlich nicht Italiener, sondern Slowaken. H Die Klempner und die Kesselflicker würden also gewissermaßen in dem populären Konzert das Glockenspiel besorgen, während die Steinsetzer die Becken und die sicher die Trommel dazu schlagen. Denn auch die Pflastersteine klingen, wenn die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/491>, abgerufen am 05.02.2025.