Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Ssamarkcmd eingemauerten hölzernen Anker. Für endlose Zeiten berechnet hat die Bibi- Anders Schach-Sindah. Gar nicht weit von Bibi-Champa, an dem Ab¬ Ssamarkcmd eingemauerten hölzernen Anker. Für endlose Zeiten berechnet hat die Bibi- Anders Schach-Sindah. Gar nicht weit von Bibi-Champa, an dem Ab¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302460"/> <fw type="header" place="top"> Ssamarkcmd</fw><lb/> <p xml:id="ID_1970" prev="#ID_1969"> eingemauerten hölzernen Anker. Für endlose Zeiten berechnet hat die Bibi-<lb/> Chanym das Timuridenreich nur um wenig Jahrhunderte überdauert, ein treues<lb/> Bild seiner gewaltigen Entwicklung und seines schnellen Zerfalls. Reiche sind<lb/> auch Bauwerke. Dehnen sie sich mit der alles überwältigenden Flut ihrer<lb/> Heeresmassen brutal und schnell aus, so festes an der allein sichernden Fun-<lb/> damentierung, am innern Ausbau. Läßt der Wille eines Herrschers ein die<lb/> andern überstrahlendes Bauwerk in zu kurzer Zeit entstehn, so werden die auf<lb/> Zerstörung wirkenden Kräfte hier wie dort nicht wirklich gebändigt, sondern nur<lb/> gefesselt. Früher Zusammensturz ist die Folge.</p><lb/> <p xml:id="ID_1971" next="#ID_1972"> Anders Schach-Sindah. Gar nicht weit von Bibi-Champa, an dem Ab¬<lb/> hang des gelbgrauen, sandig-lehmigen Gräberfeldes von Affrossiab hart nord¬<lb/> östlich der Stadt, zieht sich eine ganze Gruppe von Häuschen, Kapellen und<lb/> Moscheechen hinauf, deren malerische, stumpf blaue Kuppeln sich charakteristisch<lb/> von dem klaren Schein des Himmels abheben. Timur hat hier seinen Familien¬<lb/> sinn etwas zarter beendigt und an einem langen Korridor eine Anzahl Bauwerke<lb/> zu Ehren seiner Geschwister, Tanten und sogar seiner Amme schaffen lassen, Bau¬<lb/> werke, die die Macht der zerstörenden Elemente weit weniger herausgefordert<lb/> haben, darum größtenteils in ihrer Pracht erhalten geblieben sind. Hier sind<lb/> alle Maße viel bescheidner; auf engem Raum vereinigt, um nicht zu sagen ver¬<lb/> steckt vor neugierigem Blick, ist Schönheit, die ebensosehr das Entzücken jedes<lb/> ernsten Beschauers erweckt, wie sie auf den andächtigen Sinn der Pilger aus<lb/> Buchara, Khokand, Bates und Herat erhebend wirkt. Vor dem Eingang am<lb/> Fuße der zu den Mausoleen hinaufführenden Freitreppe halten meist bärtige<lb/> Mullahs, zum Teil mit dem grünen Turban des Mekkapilgers, wortlos Wache<lb/> und nehmen die Spenden der gläubigen Wallfahrer in Empfang. Ohne Los¬<lb/> kauf ist den Ungläubigen der Eintritt erst recht verschlossen. Die Freitreppe<lb/> hat ihre marmorne Stufenbekleidung längst eingebüßt und wittert aus; ein<lb/> wenig Grünes hängt über ihre Wände herein. Portal reiht sich nun hier an<lb/> Portal, und niedre Türen öffnen zwischen den Widerlagern des Kielbogens den<lb/> Zutritt zu dem mystischen Dunkel der Grabkapellen. Nicht mehr die gleichförmige<lb/> Ornamentik der Niesenslächen der Bibi-Champa und andrer Ssamarkander Bauten,<lb/> sondern feinste, künstlerische Durchbildung der wechselnden Motive des in der<lb/> Hauptsache grün-blau getonten Arabeskenflechtwerks ist überall der Grundton<lb/> dieser Pracht. Wereschtschagins Bilder in der Tretjakoffgalerie in Moskau<lb/> haben bei aller Farbenfreudigkeit und aller Sorgfalt der Zeichnung der Wirklich¬<lb/> keit nicht annähernd gerecht werden können. Mit den vielen Nuancen von Blau<lb/> und Grün vereinigen sich ockergelbe, braune Tönungen, goldne Lichter in kunst¬<lb/> voller, wie Emaille ausgebildeter Mosaikarbeit, in kapriziöser und doch durchaus<lb/> harmonisch wirkender Zeichnung. Säulen, Kannelierungen, Türstöcke, Fenster,<lb/> Plinthen und die schmalen Mauerflächen, Ecken, Winkel und Nischen, alles ist<lb/> reich verziert; dabei wiederholt sich kaum je eine Form, eine Arabeske. Koran¬<lb/> sprüche sind in den krausen arabischen Schriftzeichen mit Kunst und Verständnis</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0472]
Ssamarkcmd
eingemauerten hölzernen Anker. Für endlose Zeiten berechnet hat die Bibi-
Chanym das Timuridenreich nur um wenig Jahrhunderte überdauert, ein treues
Bild seiner gewaltigen Entwicklung und seines schnellen Zerfalls. Reiche sind
auch Bauwerke. Dehnen sie sich mit der alles überwältigenden Flut ihrer
Heeresmassen brutal und schnell aus, so festes an der allein sichernden Fun-
damentierung, am innern Ausbau. Läßt der Wille eines Herrschers ein die
andern überstrahlendes Bauwerk in zu kurzer Zeit entstehn, so werden die auf
Zerstörung wirkenden Kräfte hier wie dort nicht wirklich gebändigt, sondern nur
gefesselt. Früher Zusammensturz ist die Folge.
Anders Schach-Sindah. Gar nicht weit von Bibi-Champa, an dem Ab¬
hang des gelbgrauen, sandig-lehmigen Gräberfeldes von Affrossiab hart nord¬
östlich der Stadt, zieht sich eine ganze Gruppe von Häuschen, Kapellen und
Moscheechen hinauf, deren malerische, stumpf blaue Kuppeln sich charakteristisch
von dem klaren Schein des Himmels abheben. Timur hat hier seinen Familien¬
sinn etwas zarter beendigt und an einem langen Korridor eine Anzahl Bauwerke
zu Ehren seiner Geschwister, Tanten und sogar seiner Amme schaffen lassen, Bau¬
werke, die die Macht der zerstörenden Elemente weit weniger herausgefordert
haben, darum größtenteils in ihrer Pracht erhalten geblieben sind. Hier sind
alle Maße viel bescheidner; auf engem Raum vereinigt, um nicht zu sagen ver¬
steckt vor neugierigem Blick, ist Schönheit, die ebensosehr das Entzücken jedes
ernsten Beschauers erweckt, wie sie auf den andächtigen Sinn der Pilger aus
Buchara, Khokand, Bates und Herat erhebend wirkt. Vor dem Eingang am
Fuße der zu den Mausoleen hinaufführenden Freitreppe halten meist bärtige
Mullahs, zum Teil mit dem grünen Turban des Mekkapilgers, wortlos Wache
und nehmen die Spenden der gläubigen Wallfahrer in Empfang. Ohne Los¬
kauf ist den Ungläubigen der Eintritt erst recht verschlossen. Die Freitreppe
hat ihre marmorne Stufenbekleidung längst eingebüßt und wittert aus; ein
wenig Grünes hängt über ihre Wände herein. Portal reiht sich nun hier an
Portal, und niedre Türen öffnen zwischen den Widerlagern des Kielbogens den
Zutritt zu dem mystischen Dunkel der Grabkapellen. Nicht mehr die gleichförmige
Ornamentik der Niesenslächen der Bibi-Champa und andrer Ssamarkander Bauten,
sondern feinste, künstlerische Durchbildung der wechselnden Motive des in der
Hauptsache grün-blau getonten Arabeskenflechtwerks ist überall der Grundton
dieser Pracht. Wereschtschagins Bilder in der Tretjakoffgalerie in Moskau
haben bei aller Farbenfreudigkeit und aller Sorgfalt der Zeichnung der Wirklich¬
keit nicht annähernd gerecht werden können. Mit den vielen Nuancen von Blau
und Grün vereinigen sich ockergelbe, braune Tönungen, goldne Lichter in kunst¬
voller, wie Emaille ausgebildeter Mosaikarbeit, in kapriziöser und doch durchaus
harmonisch wirkender Zeichnung. Säulen, Kannelierungen, Türstöcke, Fenster,
Plinthen und die schmalen Mauerflächen, Ecken, Winkel und Nischen, alles ist
reich verziert; dabei wiederholt sich kaum je eine Form, eine Arabeske. Koran¬
sprüche sind in den krausen arabischen Schriftzeichen mit Kunst und Verständnis
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