Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Sankt Hvons Gericht lausen solle mit der Schreckensnachricht: Der Herr ist unterwegs mit einem andern -- Aber die Angst vor ihrem lebendigen irdischen Herrn überwog noch die vor Die beiden kamen nach einer Weile schnelleren Schrittes die Treppe wieder Alan und der Pfarrer schritten indessen stumm im Mondschein den windzer¬ Die haben niemand etwas zuleide getan, sagte Alan, und der heilige Sui Der Recteur nickte. Gott behüte, daß wir diesen Freundlicher ein Leid zu¬ So nahmen sie denn einen Heiligen nach dem andern auf die Amic und Der Recteur war der erste, der den schmerzenden Rücken streckte und sagte: Aber Alan schüttelte den Kopf. Gehen Sie nur heim. Nonsisur 1s Rsotsur, Sankt Hvons Gericht lausen solle mit der Schreckensnachricht: Der Herr ist unterwegs mit einem andern — Aber die Angst vor ihrem lebendigen irdischen Herrn überwog noch die vor Die beiden kamen nach einer Weile schnelleren Schrittes die Treppe wieder Alan und der Pfarrer schritten indessen stumm im Mondschein den windzer¬ Die haben niemand etwas zuleide getan, sagte Alan, und der heilige Sui Der Recteur nickte. Gott behüte, daß wir diesen Freundlicher ein Leid zu¬ So nahmen sie denn einen Heiligen nach dem andern auf die Amic und Der Recteur war der erste, der den schmerzenden Rücken streckte und sagte: Aber Alan schüttelte den Kopf. Gehen Sie nur heim. Nonsisur 1s Rsotsur, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302422"/> <fw type="header" place="top"> Sankt Hvons Gericht</fw><lb/> <p xml:id="ID_1846" prev="#ID_1845"> lausen solle mit der Schreckensnachricht: Der Herr ist unterwegs mit einem andern —<lb/> der Teufel selbst mag es sein — nach dem Bethaus — sie wollen Sankt Avon -<lb/> ar-Wirionez aus seinem Hause fortschaffen — diesen mächtigen, rachsüchtigen<lb/> Heiligen — o, lauft, lauft, laßt den Frevel nicht geschehen, steht dem Heiligen bei,<lb/> daß sein Zorn nicht über uns alle komme!</p><lb/> <p xml:id="ID_1847"> Aber die Angst vor ihrem lebendigen irdischen Herrn überwog noch die vor<lb/> dem hölzernen Heiligen. So blieb sie wimmernd auf den Knien liegen und erhob<lb/> sich erst, als sich draußen Schritte näherten. Sie blies eilig ihr Licht aus und<lb/> spähte aus dem Fenster in die mondhelle Nacht hinaus. Da kamen zwei Männer<lb/> auf das Haus zu, die trugen einen dunkeln Körper zwischen sich. Jecmnik stockte<lb/> der Atem. War das wirklich „er", den sie trugen, und ihre Hände waren auf<lb/> dem Wege nicht verdorrt, und sie waren nicht unter der Last tot zur Erde ge¬<lb/> sunken? Nein, sie hörte die starken Schritte ihres Recteurs und die leichtern des<lb/> Fremden jetzt taktfest über den Hausflur stampfen, und dann gings langsam die<lb/> Treppe hinauf, immer höher bis unter das Dach. Jeannik graute es vor den<lb/> beiden Männern und ihrer Last, die sie da langsam und stumm treppauf schleppten,<lb/> als gelte es, deu Leichnam eines Ermordeten zu bergen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1848"> Die beiden kamen nach einer Weile schnelleren Schrittes die Treppe wieder<lb/> herunter, gingen dann in den Holzverschlag, in dem die Feldgerätschaften aufbe¬<lb/> wahrt wurden, und verließen zum zweitenmal das Haus. Jeannik drückte ihr bleich<lb/> gewordnes Gesicht an die Scheiben und sah ihnen nach, wie sie jeder mit einer<lb/> Hacke bewaffnet davonschritten und sie mit dem beleidigten Heiligenbild allein im<lb/> Hause ließen. Sie schob den Riegel vor ihre Küchentür und betete unausgesetzt<lb/> mit so lauter Stimme, daß sie etwaige hölzerne Schritte, die die Treppe Herab¬<lb/> kommen konnten, überhören mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1849"> Alan und der Pfarrer schritten indessen stumm im Mondschein den windzer¬<lb/> zausten Ulmen zu, die das kleine Bethaus auf der sonst kahlen Anhöhe umschatteten.<lb/> Ehe sie aber ihre Hacken in das morsche Gemäuer des alten Beinhauses einschlugen,<lb/> traten sie in dieses ein und standen da überlegend vor dem Tisch voller Heiligen<lb/> still. Auf den bärtigen, wohlwollenden Heiligengesichtern ruhte mildes Mondlicht,<lb/> das durch die offenstehende Tür einfiel.</p><lb/> <p xml:id="ID_1850"> Die haben niemand etwas zuleide getan, sagte Alan, und der heilige Sui<lb/> ist auch unter ihnen, auf den hat meine Mutter immer große Stücke gehalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1851"> Der Recteur nickte. Gott behüte, daß wir diesen Freundlicher ein Leid zu¬<lb/> fügten, wir wollen sie aus dem Hause herauftragen, an einen geschützten Platz-<lb/> Morgen will ich dann dafür sorgen, daß sie ein anständigeres Unterkommen finden<lb/> als diese Gruft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1852"> So nahmen sie denn einen Heiligen nach dem andern auf die Amic und<lb/> trugen sie hinaus. In einiger Entfernung ragte ein verlassener Taubenschlag aus<lb/> dem kahlen, steinigen Heideland auf. Dahin trugen sie die alten Heiligen und<lb/> stellten sie im Kreis um seinen Fuß auf. Dann griffen sie mit gieriger Eile<lb/> nach ihren Hacken, und Schlag auf Schlag, bald von dumpfem Krachen und<lb/> Poltern gefolgt, dröhnte über das einsame Hochland hin, zu dessen Füßen das alte,<lb/> wilde bretonische Meer seine ewigen Lieder sang.</p><lb/> <p xml:id="ID_1853"> Der Recteur war der erste, der den schmerzenden Rücken streckte und sagte:<lb/> Nun laß es für heute Nacht genug sein, Alan. Ein gut Stück Arbeit ist getan,<lb/> niemand wird diese Ruine mehr für ein Bethaus ansehen können. Ich gehe heim.</p><lb/> <p xml:id="ID_1854"> Aber Alan schüttelte den Kopf. Gehen Sie nur heim. Nonsisur 1s Rsotsur,<lb/> ich bleibe noch.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0434]
Sankt Hvons Gericht
lausen solle mit der Schreckensnachricht: Der Herr ist unterwegs mit einem andern —
der Teufel selbst mag es sein — nach dem Bethaus — sie wollen Sankt Avon -
ar-Wirionez aus seinem Hause fortschaffen — diesen mächtigen, rachsüchtigen
Heiligen — o, lauft, lauft, laßt den Frevel nicht geschehen, steht dem Heiligen bei,
daß sein Zorn nicht über uns alle komme!
Aber die Angst vor ihrem lebendigen irdischen Herrn überwog noch die vor
dem hölzernen Heiligen. So blieb sie wimmernd auf den Knien liegen und erhob
sich erst, als sich draußen Schritte näherten. Sie blies eilig ihr Licht aus und
spähte aus dem Fenster in die mondhelle Nacht hinaus. Da kamen zwei Männer
auf das Haus zu, die trugen einen dunkeln Körper zwischen sich. Jecmnik stockte
der Atem. War das wirklich „er", den sie trugen, und ihre Hände waren auf
dem Wege nicht verdorrt, und sie waren nicht unter der Last tot zur Erde ge¬
sunken? Nein, sie hörte die starken Schritte ihres Recteurs und die leichtern des
Fremden jetzt taktfest über den Hausflur stampfen, und dann gings langsam die
Treppe hinauf, immer höher bis unter das Dach. Jeannik graute es vor den
beiden Männern und ihrer Last, die sie da langsam und stumm treppauf schleppten,
als gelte es, deu Leichnam eines Ermordeten zu bergen.
Die beiden kamen nach einer Weile schnelleren Schrittes die Treppe wieder
herunter, gingen dann in den Holzverschlag, in dem die Feldgerätschaften aufbe¬
wahrt wurden, und verließen zum zweitenmal das Haus. Jeannik drückte ihr bleich
gewordnes Gesicht an die Scheiben und sah ihnen nach, wie sie jeder mit einer
Hacke bewaffnet davonschritten und sie mit dem beleidigten Heiligenbild allein im
Hause ließen. Sie schob den Riegel vor ihre Küchentür und betete unausgesetzt
mit so lauter Stimme, daß sie etwaige hölzerne Schritte, die die Treppe Herab¬
kommen konnten, überhören mußte.
Alan und der Pfarrer schritten indessen stumm im Mondschein den windzer¬
zausten Ulmen zu, die das kleine Bethaus auf der sonst kahlen Anhöhe umschatteten.
Ehe sie aber ihre Hacken in das morsche Gemäuer des alten Beinhauses einschlugen,
traten sie in dieses ein und standen da überlegend vor dem Tisch voller Heiligen
still. Auf den bärtigen, wohlwollenden Heiligengesichtern ruhte mildes Mondlicht,
das durch die offenstehende Tür einfiel.
Die haben niemand etwas zuleide getan, sagte Alan, und der heilige Sui
ist auch unter ihnen, auf den hat meine Mutter immer große Stücke gehalten.
Der Recteur nickte. Gott behüte, daß wir diesen Freundlicher ein Leid zu¬
fügten, wir wollen sie aus dem Hause herauftragen, an einen geschützten Platz-
Morgen will ich dann dafür sorgen, daß sie ein anständigeres Unterkommen finden
als diese Gruft.
So nahmen sie denn einen Heiligen nach dem andern auf die Amic und
trugen sie hinaus. In einiger Entfernung ragte ein verlassener Taubenschlag aus
dem kahlen, steinigen Heideland auf. Dahin trugen sie die alten Heiligen und
stellten sie im Kreis um seinen Fuß auf. Dann griffen sie mit gieriger Eile
nach ihren Hacken, und Schlag auf Schlag, bald von dumpfem Krachen und
Poltern gefolgt, dröhnte über das einsame Hochland hin, zu dessen Füßen das alte,
wilde bretonische Meer seine ewigen Lieder sang.
Der Recteur war der erste, der den schmerzenden Rücken streckte und sagte:
Nun laß es für heute Nacht genug sein, Alan. Ein gut Stück Arbeit ist getan,
niemand wird diese Ruine mehr für ein Bethaus ansehen können. Ich gehe heim.
Aber Alan schüttelte den Kopf. Gehen Sie nur heim. Nonsisur 1s Rsotsur,
ich bleibe noch.
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