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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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pfarrcrgestalten in neuern Dichterwerken

Hauser selbst ist von ihm getauft worden. Frühzeitig hatte er Berichte über
die tief tragische Gestalt vernommen, über den edeln Menschen, der doch ein
so großer Sünder wär. Mit Mitleid verfolgt man das Leben des Mannas,
der so tief angelegt, doch zu schwach war, sich auf rechten Wegen zu Halten-

Abstoßend wirkt Wilhelm Bornemann mit der Pfarrerstragödie: Innere
Mission (Dresden. Reißner, 1901. 227 Seiten. 3 Mary. Der bekannte Theologe
Bornemann hat nichts mit dem Machwerk zu tun. Es ist ein ödes Geschreibsel
und erzählt von einem Mann der Innern Mission, der bei seiner Arbeit auf
Abwege'kommt und schließlich bei einem Duell um sein nngetreues Weib stirbt.
Wir können in dem Buch keinen Pfarrertypus finden.

Doch mit freundlichern Bildern wollen wir schließen. Wo ein rechtes ideales
Pfarrhaus ist, da lebt auch gesunder froher Humor. Davon zeugt ein kürzlich
erschienenes Büchlein: Heitere Bilder aus dem Bodenstedter Pfarrhause. Von
Luise Koppen (Berlin, Trowitzsch. 1904. 250 Seiten. 2,40 Mary. Davon zeugt
die Erzählung des berühmten nordischen Humoristen Nicolai (Scharling), Jövik
(Schwerin, Bahn, 1905. 367 Seiten. 4 Mark). Bei aller breiten Behaglichkeit
ist das Werk nie langweilig; allerlei Theologen passieren Revue, über allem
leuchtet des Verfassers lustiges Auge. Davon zeugen ganz besonders die drei
wundervollen Bande von Fritz Anders "Skizzen aus unserm heutigen Volks¬
leben" , (Leipzig, Fr. Wilh. Grunow; gebunden je 4 Mary. Die Grenzbotenleser
haben ja schon ihre Freude gehabt an den köstlichen Skizzen, in denen ein
schalkhafter Pfarrherr seine Randbemerkungen macht zu den kleinen Schwächen
und Torheiten der Menschen. Anders verdanken wir auch eine sehr sympathische
Pfarrergestalt in seinen "Herrenmenschen" (ebenda, 560 Seiten. 6 Mark ge¬
bunden). "Der Pastor ist das Herz der Gemeinde, der Antrieb zu geistigem
Aufbau, das redende Gewissen des Ortes, auch derer, die sagen) wir brauchen
den Pastor nicht. Schon dadurch, daß er da ist. wirkt er, und die der Gemeinde
an den Puls zu fassen verstehn, merken es mich." Neben dem Pfarrer, der
modernes Denken kennt und modern bekämpft, steht ein Kandidat, der mit ab¬
gebrauchter Worten neue Zweifel töten will. Der Roman ist ja aber allen
Lesern der Grenzboten bekannt.

Wenn man so das Ganze überschaut, muß man bekennen, daß in neuern
Dichtwerken häufiger Pfarrergestalten Behandln gefunden haben, und daß
sie fast immer eine würdige Behandlung gefunden haben. Bei der Geschichte
des Pfarrerstandes sind die Romane nicht unwichtige Dokumente für die
Wertung, die der Stand in den verschiednen Zeiten erfahren hat. ^ Wir
meinen, daß der Pfarrerstand keinen Grund hat. unzufrieden zu sein mit der
Behandlung von Pfarrergestalten in neuern Dichterwerken.




pfarrcrgestalten in neuern Dichterwerken

Hauser selbst ist von ihm getauft worden. Frühzeitig hatte er Berichte über
die tief tragische Gestalt vernommen, über den edeln Menschen, der doch ein
so großer Sünder wär. Mit Mitleid verfolgt man das Leben des Mannas,
der so tief angelegt, doch zu schwach war, sich auf rechten Wegen zu Halten-

Abstoßend wirkt Wilhelm Bornemann mit der Pfarrerstragödie: Innere
Mission (Dresden. Reißner, 1901. 227 Seiten. 3 Mary. Der bekannte Theologe
Bornemann hat nichts mit dem Machwerk zu tun. Es ist ein ödes Geschreibsel
und erzählt von einem Mann der Innern Mission, der bei seiner Arbeit auf
Abwege'kommt und schließlich bei einem Duell um sein nngetreues Weib stirbt.
Wir können in dem Buch keinen Pfarrertypus finden.

Doch mit freundlichern Bildern wollen wir schließen. Wo ein rechtes ideales
Pfarrhaus ist, da lebt auch gesunder froher Humor. Davon zeugt ein kürzlich
erschienenes Büchlein: Heitere Bilder aus dem Bodenstedter Pfarrhause. Von
Luise Koppen (Berlin, Trowitzsch. 1904. 250 Seiten. 2,40 Mary. Davon zeugt
die Erzählung des berühmten nordischen Humoristen Nicolai (Scharling), Jövik
(Schwerin, Bahn, 1905. 367 Seiten. 4 Mark). Bei aller breiten Behaglichkeit
ist das Werk nie langweilig; allerlei Theologen passieren Revue, über allem
leuchtet des Verfassers lustiges Auge. Davon zeugen ganz besonders die drei
wundervollen Bande von Fritz Anders „Skizzen aus unserm heutigen Volks¬
leben" , (Leipzig, Fr. Wilh. Grunow; gebunden je 4 Mary. Die Grenzbotenleser
haben ja schon ihre Freude gehabt an den köstlichen Skizzen, in denen ein
schalkhafter Pfarrherr seine Randbemerkungen macht zu den kleinen Schwächen
und Torheiten der Menschen. Anders verdanken wir auch eine sehr sympathische
Pfarrergestalt in seinen „Herrenmenschen" (ebenda, 560 Seiten. 6 Mark ge¬
bunden). „Der Pastor ist das Herz der Gemeinde, der Antrieb zu geistigem
Aufbau, das redende Gewissen des Ortes, auch derer, die sagen) wir brauchen
den Pastor nicht. Schon dadurch, daß er da ist. wirkt er, und die der Gemeinde
an den Puls zu fassen verstehn, merken es mich." Neben dem Pfarrer, der
modernes Denken kennt und modern bekämpft, steht ein Kandidat, der mit ab¬
gebrauchter Worten neue Zweifel töten will. Der Roman ist ja aber allen
Lesern der Grenzboten bekannt.

Wenn man so das Ganze überschaut, muß man bekennen, daß in neuern
Dichtwerken häufiger Pfarrergestalten Behandln gefunden haben, und daß
sie fast immer eine würdige Behandlung gefunden haben. Bei der Geschichte
des Pfarrerstandes sind die Romane nicht unwichtige Dokumente für die
Wertung, die der Stand in den verschiednen Zeiten erfahren hat. ^ Wir
meinen, daß der Pfarrerstand keinen Grund hat. unzufrieden zu sein mit der
Behandlung von Pfarrergestalten in neuern Dichterwerken.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/375>, abgerufen am 06.02.2025.