Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches allen europäischen Staaten und nunmehr, wenn ich nicht irre, auch in Japan besteht, England freilich will auf der Konferenz einen Abriistungsantrag stellen und in"^ H"°ger Konferenz hat gewiß den edeln Zweck, den Frieden unter den Maßgebliches und Unmaßgebliches allen europäischen Staaten und nunmehr, wenn ich nicht irre, auch in Japan besteht, England freilich will auf der Konferenz einen Abriistungsantrag stellen und in»^ H"°ger Konferenz hat gewiß den edeln Zweck, den Frieden unter den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302209"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1008" prev="#ID_1007"> allen europäischen Staaten und nunmehr, wenn ich nicht irre, auch in Japan besteht,<lb/> ist vorzugsweise eine Schule für die Völker zur Erziehung des Charakters und zur<lb/> Stärkung des Körpers, ebenso wie die allgemeine Schulpflicht den Geist bildet.<lb/> Wir erreichen damit wieder den Standpunkt der alten Spartaner und der Germanen,<lb/> daß jeder erwachsene Mann im Falle der Not die Waffen zum Schutze des Vater¬<lb/> landes zu ergreifen und zu führen permag. Von diesem Standpunkte können wir<lb/> nicht abgehen; denn wir müssen allezeit bereit sein, für unser Vaterland »ut Leib<lb/> und L»ben einzutreten. Abrüsten könnten die Staaten nur. wenn wir noch die<lb/> Wehrverhältnisse hätten wie zur Zeit der Landsknechte. Aber selbst wenn das auch<lb/> der Fall wäre, wer wollte und könnte bestimmen, wie viel Streitkräfte zu Lande<lb/> und zu Wasser die einzelnen Völker unterhalten dürften? Sollte das etwa nach<lb/> Prozenten der männlichen Bevölkerung und unter Berücksichtigung der natürlichen<lb/> Landes- und Meeresgreuzen und deren Verteidigungsfähigkeit auf der Haager<lb/> Konferenz erwogen und bestimmt werden?! Darauf wird und kann sich kein Staat<lb/> einlassen. Und selbst wenn wir geringere Heeres- und Flottenstärken in Zukunft<lb/> bereit halten wollten als jetzt, so wären Kriege damit immer noch nicht aus¬<lb/> geschlossen; denn die Heere der frühern Jahrhunderte betrugen an Zahl kaum ein<lb/> Zehntel unsrer jetzigen, und doch waren die Kriege noch viel zahlreicher damals<lb/> als zu unsern Zeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1009"> England freilich will auf der Konferenz einen Abriistungsantrag stellen und<lb/> möchte Deutschland und Frankreich veranlassen, beizustimmen. Angesehene deutsche<lb/> und französische Zeitungen widersprechen diesem Vorschlage, der Wohl auch jetzt von<lb/> Rußland nicht mehr vorgebracht werden kann, wie auf der ersten Konferenz. Denn<lb/> mittlerweile hat der große japanisch-russische Krieg 1904/05 stattgefunden und zu<lb/> Rußlands Nachteil geendigt. Japan vermehrt seine Streitkräfte zu Wasser und zu<lb/> Lande fortwährend, und an Gelegenheit zu Reibungen Japans mit den Vereinigten<lb/> Staaten von Amerika fehlt es ja auch nicht. Dabei hat England die Mängel seiner<lb/> Flotte, die ich auch in meinem frühern Aufsatze schon zu erweisen Gelegenheit hatte,<lb/> seit 1905 energisch zu beseitigen gesucht und baut fortwährend neue Kriegsschiffe,<lb/> wie denn erst kürzlich der Stapellauf des Kreuzers „Jndomitable", des größten, jetzt<lb/> in allen Flotten vorhandnen Kreuzers, stattgefunden hat, dem innerhalb von vierzehn<lb/> Tagen zwei Schwesterschiffe gleicher Stärke vom Stapel folgen sollen. Über die<lb/> Ausrüstung dieser Schiffe herrscht tiefes, vollkommnes Stillschweigen. Die Herstellungs¬<lb/> kosten des „Jndomitable" betragen 35 Millionen Mark, der Kreuzer läuft 25 Knoten,<lb/> ist 530 Meter lang, 78 Meter breit und hat einen mittlern Tiefgang von 26 Fuß.<lb/> Das sieht wahrlich nicht nach „Abrüstung" aus, namentlich auch dann nicht, wenn<lb/> man weiß, daß England durch die Neuorganisation seiner Flotte 1905 den Schwer¬<lb/> punkt in den Kanal und in die Nordsee verlegt und die Flotte des Mittelmeeres<lb/> wegen der guten Beziehungen zu Frankreich, Spanien, Portugal und Italien ver¬<lb/> mindert hat. Sehr richtig sagt der Temps und nach ihm die Kölnische Zeitung:<lb/> Man soll von dem Abrüstungsantrag absehen und internationales Recht schaffen; das<lb/> sei menschlich und gut, aber man möge nicht mehr versprechen, denn weitergehende<lb/> Versprechungen werde man nicht halten können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1010" next="#ID_1011"> in»^ H"°ger Konferenz hat gewiß den edeln Zweck, den Frieden unter den<lb/> zu erhalten. Immerhin wird aber Krieg nicht unbedingt zu permeiden sein,<lb/> jedenfalls nicht durch Versprechungen allein. Ein Hauptmittel zur Erhaltung des<lb/> Friedens bietet aber die Erleichterung des Verkehrs und die dadurch entstehende<lb/> Verkürzung der Entfernungen. Die Völker kommen sich näher, lernen sich kennen<lb/> und einsehen, daß man besser tut, in Eintracht miteinander zu leben, als sich die<lb/> Schädel einzuschlagen. Die gegenseitigen Besuche von angesehenen Personen der<lb/> Deutschen, Franzosen, Engländer in ihren Heimatländern und Hauptstädten, der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0221]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
allen europäischen Staaten und nunmehr, wenn ich nicht irre, auch in Japan besteht,
ist vorzugsweise eine Schule für die Völker zur Erziehung des Charakters und zur
Stärkung des Körpers, ebenso wie die allgemeine Schulpflicht den Geist bildet.
Wir erreichen damit wieder den Standpunkt der alten Spartaner und der Germanen,
daß jeder erwachsene Mann im Falle der Not die Waffen zum Schutze des Vater¬
landes zu ergreifen und zu führen permag. Von diesem Standpunkte können wir
nicht abgehen; denn wir müssen allezeit bereit sein, für unser Vaterland »ut Leib
und L»ben einzutreten. Abrüsten könnten die Staaten nur. wenn wir noch die
Wehrverhältnisse hätten wie zur Zeit der Landsknechte. Aber selbst wenn das auch
der Fall wäre, wer wollte und könnte bestimmen, wie viel Streitkräfte zu Lande
und zu Wasser die einzelnen Völker unterhalten dürften? Sollte das etwa nach
Prozenten der männlichen Bevölkerung und unter Berücksichtigung der natürlichen
Landes- und Meeresgreuzen und deren Verteidigungsfähigkeit auf der Haager
Konferenz erwogen und bestimmt werden?! Darauf wird und kann sich kein Staat
einlassen. Und selbst wenn wir geringere Heeres- und Flottenstärken in Zukunft
bereit halten wollten als jetzt, so wären Kriege damit immer noch nicht aus¬
geschlossen; denn die Heere der frühern Jahrhunderte betrugen an Zahl kaum ein
Zehntel unsrer jetzigen, und doch waren die Kriege noch viel zahlreicher damals
als zu unsern Zeiten.
England freilich will auf der Konferenz einen Abriistungsantrag stellen und
möchte Deutschland und Frankreich veranlassen, beizustimmen. Angesehene deutsche
und französische Zeitungen widersprechen diesem Vorschlage, der Wohl auch jetzt von
Rußland nicht mehr vorgebracht werden kann, wie auf der ersten Konferenz. Denn
mittlerweile hat der große japanisch-russische Krieg 1904/05 stattgefunden und zu
Rußlands Nachteil geendigt. Japan vermehrt seine Streitkräfte zu Wasser und zu
Lande fortwährend, und an Gelegenheit zu Reibungen Japans mit den Vereinigten
Staaten von Amerika fehlt es ja auch nicht. Dabei hat England die Mängel seiner
Flotte, die ich auch in meinem frühern Aufsatze schon zu erweisen Gelegenheit hatte,
seit 1905 energisch zu beseitigen gesucht und baut fortwährend neue Kriegsschiffe,
wie denn erst kürzlich der Stapellauf des Kreuzers „Jndomitable", des größten, jetzt
in allen Flotten vorhandnen Kreuzers, stattgefunden hat, dem innerhalb von vierzehn
Tagen zwei Schwesterschiffe gleicher Stärke vom Stapel folgen sollen. Über die
Ausrüstung dieser Schiffe herrscht tiefes, vollkommnes Stillschweigen. Die Herstellungs¬
kosten des „Jndomitable" betragen 35 Millionen Mark, der Kreuzer läuft 25 Knoten,
ist 530 Meter lang, 78 Meter breit und hat einen mittlern Tiefgang von 26 Fuß.
Das sieht wahrlich nicht nach „Abrüstung" aus, namentlich auch dann nicht, wenn
man weiß, daß England durch die Neuorganisation seiner Flotte 1905 den Schwer¬
punkt in den Kanal und in die Nordsee verlegt und die Flotte des Mittelmeeres
wegen der guten Beziehungen zu Frankreich, Spanien, Portugal und Italien ver¬
mindert hat. Sehr richtig sagt der Temps und nach ihm die Kölnische Zeitung:
Man soll von dem Abrüstungsantrag absehen und internationales Recht schaffen; das
sei menschlich und gut, aber man möge nicht mehr versprechen, denn weitergehende
Versprechungen werde man nicht halten können.
in»^ H"°ger Konferenz hat gewiß den edeln Zweck, den Frieden unter den
zu erhalten. Immerhin wird aber Krieg nicht unbedingt zu permeiden sein,
jedenfalls nicht durch Versprechungen allein. Ein Hauptmittel zur Erhaltung des
Friedens bietet aber die Erleichterung des Verkehrs und die dadurch entstehende
Verkürzung der Entfernungen. Die Völker kommen sich näher, lernen sich kennen
und einsehen, daß man besser tut, in Eintracht miteinander zu leben, als sich die
Schädel einzuschlagen. Die gegenseitigen Besuche von angesehenen Personen der
Deutschen, Franzosen, Engländer in ihren Heimatländern und Hauptstädten, der
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