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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Atlantischer und Stiller Gzoan

Aber diese so zersplitterte und zerrissene malaiische Inselwelt ist nur ein
Zwischenglied zwischen dem asiatischen Festland und dem australischen. Das
letzte wiederum ist ganz eigentümlich und hat im Atlantischen Ozean nicht
seinesgleichen. Wie man aber trotz des mächtigen Größenunterschieds Europas
Westküste mit der Ostküste Asiens in eine besondre Parallele stellen kann, so
ist es nicht unberechtigt, die australische Küste am Stillen mit der afrikanischen
am Atlantischen Ozean zu vergleichen.

Bekanntlich -- es geht dies auch schon aus den Bemerkungen der voran¬
gehenden Seiten hervor -- weisen in ihrem physischen Aufbau Südamerika
und Afrika zwei ganz verschiedenartige Typen auf. Afrika ist das große
Tafelland mit einem schmalen flachen Küstensaum, der durch steile Stufen
vom Binnenlande scharf geschieden ist, Südamerika ist charakterisiert durch das
hohe Kettengebirge der Anden, denen sich, allmählich abflachend, die großen
östlichen Niederländer vorlagern, nur wenig gegliedert durch die im Laufe der
vielen Jahrtausende stark abgeflachten östlichen Bergketten. Australien weist
beide Typen vereinigt auf: der Westen ist analog zu Afrika ein großes wenig
moduliertes Plateau, Ostaustralien dagegen eine Kette von einzelnen aneinander
anschließenden Faltengebirgen. Dazwischen scheidet die große Tieflandmulde
beide so verschiedenartige Teile.

Im kleinen wiederholt somit Ostaustralien die Randgestaltung des westlichen
Amerika, allerdings auch mit bedeutenden Unterschieden im einzelnen. Gegenüber
der Einförmigkeit und der Unzugänglichkeit der amerikanischen Westküste ist
die australische lebhafter gegliedert und nicht arm an günstigen Hafenorten.
Auch das niedrigere Gebirge namentlich des Nordens bietet dem Verkehr darüber
weniger Hindernisse als die Anden oder die nordamerikanischen Cordilleren.
Aber dieser Vorteil wird sogleich illusorisch gemacht durch das der ganzen
Nordhülfte vorgelagerte Barriereriff. Doch hat dies nicht verhindern können,
daß im ganzen betrachtet im Vergleich zur Westküste Afrikas die Ostküste
Australiens wesentlich offner ist. Afrikas atlantische Seite ist tatsächlich so
arm an guten Zugangsstellen wie kaum eine andre Küste der ganzen Erde.
Bald ist es die wilde Brandung, bald der absolute Mangel an irgendwelcher
Gliederung, bald sind es die fieberschwcmgern Mangrovedickichte, bald die öden
wasserlosen Sandflächen des Strandes, bald die häufigen Nebel, bald die
Sandstürme, die kaum einen großen, wirklich vorteilhaften Hafen an der Küste
Afrikas vorkommen lassen. So hat denn Westafrika außer Kapstadt keinen
einzigen größern Handelsplatz. Australien dagegen neben Sydney noch Brisbane
und Newcastle sowie das große nach dem Stillen Ozean ebenso wie nach dem
indischen Ozean offne Melbourne und Adelaide. Gemeinsam ist beiden Kon¬
tinenten, wenn auch nicht aus denselben Ursachen, daß die autochthone Be¬
völkerung durch die Ufergliederuug nicht auf das Meer hinausgeführt wird.

Der Charakter des Küstenverlaufs von Europa weist die Nationen dieses
Erdteils fast alle mehr oder weniger hinaus auf das Meer: die Südstaaten


Atlantischer und Stiller Gzoan

Aber diese so zersplitterte und zerrissene malaiische Inselwelt ist nur ein
Zwischenglied zwischen dem asiatischen Festland und dem australischen. Das
letzte wiederum ist ganz eigentümlich und hat im Atlantischen Ozean nicht
seinesgleichen. Wie man aber trotz des mächtigen Größenunterschieds Europas
Westküste mit der Ostküste Asiens in eine besondre Parallele stellen kann, so
ist es nicht unberechtigt, die australische Küste am Stillen mit der afrikanischen
am Atlantischen Ozean zu vergleichen.

Bekanntlich — es geht dies auch schon aus den Bemerkungen der voran¬
gehenden Seiten hervor — weisen in ihrem physischen Aufbau Südamerika
und Afrika zwei ganz verschiedenartige Typen auf. Afrika ist das große
Tafelland mit einem schmalen flachen Küstensaum, der durch steile Stufen
vom Binnenlande scharf geschieden ist, Südamerika ist charakterisiert durch das
hohe Kettengebirge der Anden, denen sich, allmählich abflachend, die großen
östlichen Niederländer vorlagern, nur wenig gegliedert durch die im Laufe der
vielen Jahrtausende stark abgeflachten östlichen Bergketten. Australien weist
beide Typen vereinigt auf: der Westen ist analog zu Afrika ein großes wenig
moduliertes Plateau, Ostaustralien dagegen eine Kette von einzelnen aneinander
anschließenden Faltengebirgen. Dazwischen scheidet die große Tieflandmulde
beide so verschiedenartige Teile.

Im kleinen wiederholt somit Ostaustralien die Randgestaltung des westlichen
Amerika, allerdings auch mit bedeutenden Unterschieden im einzelnen. Gegenüber
der Einförmigkeit und der Unzugänglichkeit der amerikanischen Westküste ist
die australische lebhafter gegliedert und nicht arm an günstigen Hafenorten.
Auch das niedrigere Gebirge namentlich des Nordens bietet dem Verkehr darüber
weniger Hindernisse als die Anden oder die nordamerikanischen Cordilleren.
Aber dieser Vorteil wird sogleich illusorisch gemacht durch das der ganzen
Nordhülfte vorgelagerte Barriereriff. Doch hat dies nicht verhindern können,
daß im ganzen betrachtet im Vergleich zur Westküste Afrikas die Ostküste
Australiens wesentlich offner ist. Afrikas atlantische Seite ist tatsächlich so
arm an guten Zugangsstellen wie kaum eine andre Küste der ganzen Erde.
Bald ist es die wilde Brandung, bald der absolute Mangel an irgendwelcher
Gliederung, bald sind es die fieberschwcmgern Mangrovedickichte, bald die öden
wasserlosen Sandflächen des Strandes, bald die häufigen Nebel, bald die
Sandstürme, die kaum einen großen, wirklich vorteilhaften Hafen an der Küste
Afrikas vorkommen lassen. So hat denn Westafrika außer Kapstadt keinen
einzigen größern Handelsplatz. Australien dagegen neben Sydney noch Brisbane
und Newcastle sowie das große nach dem Stillen Ozean ebenso wie nach dem
indischen Ozean offne Melbourne und Adelaide. Gemeinsam ist beiden Kon¬
tinenten, wenn auch nicht aus denselben Ursachen, daß die autochthone Be¬
völkerung durch die Ufergliederuug nicht auf das Meer hinausgeführt wird.

Der Charakter des Küstenverlaufs von Europa weist die Nationen dieses
Erdteils fast alle mehr oder weniger hinaus auf das Meer: die Südstaaten


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[0135] Atlantischer und Stiller Gzoan Aber diese so zersplitterte und zerrissene malaiische Inselwelt ist nur ein Zwischenglied zwischen dem asiatischen Festland und dem australischen. Das letzte wiederum ist ganz eigentümlich und hat im Atlantischen Ozean nicht seinesgleichen. Wie man aber trotz des mächtigen Größenunterschieds Europas Westküste mit der Ostküste Asiens in eine besondre Parallele stellen kann, so ist es nicht unberechtigt, die australische Küste am Stillen mit der afrikanischen am Atlantischen Ozean zu vergleichen. Bekanntlich — es geht dies auch schon aus den Bemerkungen der voran¬ gehenden Seiten hervor — weisen in ihrem physischen Aufbau Südamerika und Afrika zwei ganz verschiedenartige Typen auf. Afrika ist das große Tafelland mit einem schmalen flachen Küstensaum, der durch steile Stufen vom Binnenlande scharf geschieden ist, Südamerika ist charakterisiert durch das hohe Kettengebirge der Anden, denen sich, allmählich abflachend, die großen östlichen Niederländer vorlagern, nur wenig gegliedert durch die im Laufe der vielen Jahrtausende stark abgeflachten östlichen Bergketten. Australien weist beide Typen vereinigt auf: der Westen ist analog zu Afrika ein großes wenig moduliertes Plateau, Ostaustralien dagegen eine Kette von einzelnen aneinander anschließenden Faltengebirgen. Dazwischen scheidet die große Tieflandmulde beide so verschiedenartige Teile. Im kleinen wiederholt somit Ostaustralien die Randgestaltung des westlichen Amerika, allerdings auch mit bedeutenden Unterschieden im einzelnen. Gegenüber der Einförmigkeit und der Unzugänglichkeit der amerikanischen Westküste ist die australische lebhafter gegliedert und nicht arm an günstigen Hafenorten. Auch das niedrigere Gebirge namentlich des Nordens bietet dem Verkehr darüber weniger Hindernisse als die Anden oder die nordamerikanischen Cordilleren. Aber dieser Vorteil wird sogleich illusorisch gemacht durch das der ganzen Nordhülfte vorgelagerte Barriereriff. Doch hat dies nicht verhindern können, daß im ganzen betrachtet im Vergleich zur Westküste Afrikas die Ostküste Australiens wesentlich offner ist. Afrikas atlantische Seite ist tatsächlich so arm an guten Zugangsstellen wie kaum eine andre Küste der ganzen Erde. Bald ist es die wilde Brandung, bald der absolute Mangel an irgendwelcher Gliederung, bald sind es die fieberschwcmgern Mangrovedickichte, bald die öden wasserlosen Sandflächen des Strandes, bald die häufigen Nebel, bald die Sandstürme, die kaum einen großen, wirklich vorteilhaften Hafen an der Küste Afrikas vorkommen lassen. So hat denn Westafrika außer Kapstadt keinen einzigen größern Handelsplatz. Australien dagegen neben Sydney noch Brisbane und Newcastle sowie das große nach dem Stillen Ozean ebenso wie nach dem indischen Ozean offne Melbourne und Adelaide. Gemeinsam ist beiden Kon¬ tinenten, wenn auch nicht aus denselben Ursachen, daß die autochthone Be¬ völkerung durch die Ufergliederuug nicht auf das Meer hinausgeführt wird. Der Charakter des Küstenverlaufs von Europa weist die Nationen dieses Erdteils fast alle mehr oder weniger hinaus auf das Meer: die Südstaaten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/135>, abgerufen am 06.02.2025.