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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die Neugestaltung der Politik an, Stillen Ozean

Gegner des Militarismus, weil durch ihn die bürgerliche Freiheit gefährdet
werden könne; ein volkstümlicher General könne leicht die republikanischen
Institutionen untergraben. Auch liebt man natürlich die riesigen Kosten nicht,
die erforderlich wären, um einer Macht wie Japan entgegentreten zu können.
Die Flotte leidet unter starkem Mangel an Disziplin, ein ungebührlich großer
Teil ihrer Besatzung besteht aus Fremden. Der Zustand vou Panzerplatten
und Geschützen ist lange nicht über jeden Verdacht erhaben. Präsident Roosevelt
ist eigentlich das Haupt der Imperialisten. Wenn er sogar mit einer so un¬
gewöhnlich scharfen Demonstration dem Konflikt vorzubeugen sucht, so wird er
außer der Sympathie auch noch sehr greifbare Gründe dafür haben.

Aber auch die Japaner sind nicht zum Konflikt bereit. Die Gründe hat
kürzlich der japanische Gesandte in Washington Herr Eti Hioko in einem Vortrag
in der Mtiorml OsoZiAxdie, Looist/ auseinandergesetzt. Er bestritt selbstver¬
ständlich, daß sein Vaterland die Philippinen annektieren wolle und die fremdcn-
feiudliche Bewegung in China begünstige; auch leugnete er die Absicht, die
Amerikaner vom chinesischen Handel fernzuhalten. Vielmehr rühmte er den
moralischen und den materiellen Beistand, den die Vereinigten Staaten wieder¬
holt Japan geleistet hätten. Japan hätte sich durch den Krieg mit Rußland
eine Schuldenlast von 960 Millionen Dollars und eine jährliche Zinsenlast ion
50 Millionen Dollars aufgehalst. Daran habe es schwer zu tragen. Es kenne
sehr wohl die ungeheure wirtschaftliche und finanzielle Übermacht der Vereinigten
Staaten. Wohl habe Japan eine Armee von 700000 Mann, aber mit dieser
einen Krieg gegen Nordamerika zu führen, sei kindisch. Außerdem werde es
jetzt Massen davon entlassen. Man könne wirtschaftlich konkurrieren und doch
gut Freund sein. Liege es nicht im Interesse Europas und Amerikas, daß
Japan der Erzieher Chinas zu höherer Leistungsfähigkeit werde? Japan solle
suchen, außer mit England auch mit den Vereinigten Staaten in bestem Ein¬
verständnisse zu bleiben. Es brauche sich dann um Deutschland, Frankreich,
Rußland nicht zu sorgen.

Auf Reden und Gegenreden ist nicht viel Gewicht zu legen. Es ist
glaublich genug, daß Japan zurzeit ebenso gern wie die Vereinigten Staaten
einen Streit vermeiden möchte. Für beide ist der Einsatz zu hoch. Als Ru߬
land die südsibirische Eisenbahn baute, beeilte sich Japan, den Konsequenzen
zuvorzukommen. Vielleicht betrachtet es die Herstellung des Panamakanals
von einem ähnlichen Standpunkt. Aber auch wenn es das tut, so wird es
wohl der Ansicht sein, daß die Zeit noch nicht drängt. Für den Augenblick
hätte man nur mit den unerwarteten Ereignissen zu rechnen; diese könnten die
Entwicklung der Dinge beschleunigen, aber sie sind eben völlig unberechenbar.




Die Neugestaltung der Politik an, Stillen Ozean

Gegner des Militarismus, weil durch ihn die bürgerliche Freiheit gefährdet
werden könne; ein volkstümlicher General könne leicht die republikanischen
Institutionen untergraben. Auch liebt man natürlich die riesigen Kosten nicht,
die erforderlich wären, um einer Macht wie Japan entgegentreten zu können.
Die Flotte leidet unter starkem Mangel an Disziplin, ein ungebührlich großer
Teil ihrer Besatzung besteht aus Fremden. Der Zustand vou Panzerplatten
und Geschützen ist lange nicht über jeden Verdacht erhaben. Präsident Roosevelt
ist eigentlich das Haupt der Imperialisten. Wenn er sogar mit einer so un¬
gewöhnlich scharfen Demonstration dem Konflikt vorzubeugen sucht, so wird er
außer der Sympathie auch noch sehr greifbare Gründe dafür haben.

Aber auch die Japaner sind nicht zum Konflikt bereit. Die Gründe hat
kürzlich der japanische Gesandte in Washington Herr Eti Hioko in einem Vortrag
in der Mtiorml OsoZiAxdie, Looist/ auseinandergesetzt. Er bestritt selbstver¬
ständlich, daß sein Vaterland die Philippinen annektieren wolle und die fremdcn-
feiudliche Bewegung in China begünstige; auch leugnete er die Absicht, die
Amerikaner vom chinesischen Handel fernzuhalten. Vielmehr rühmte er den
moralischen und den materiellen Beistand, den die Vereinigten Staaten wieder¬
holt Japan geleistet hätten. Japan hätte sich durch den Krieg mit Rußland
eine Schuldenlast von 960 Millionen Dollars und eine jährliche Zinsenlast ion
50 Millionen Dollars aufgehalst. Daran habe es schwer zu tragen. Es kenne
sehr wohl die ungeheure wirtschaftliche und finanzielle Übermacht der Vereinigten
Staaten. Wohl habe Japan eine Armee von 700000 Mann, aber mit dieser
einen Krieg gegen Nordamerika zu führen, sei kindisch. Außerdem werde es
jetzt Massen davon entlassen. Man könne wirtschaftlich konkurrieren und doch
gut Freund sein. Liege es nicht im Interesse Europas und Amerikas, daß
Japan der Erzieher Chinas zu höherer Leistungsfähigkeit werde? Japan solle
suchen, außer mit England auch mit den Vereinigten Staaten in bestem Ein¬
verständnisse zu bleiben. Es brauche sich dann um Deutschland, Frankreich,
Rußland nicht zu sorgen.

Auf Reden und Gegenreden ist nicht viel Gewicht zu legen. Es ist
glaublich genug, daß Japan zurzeit ebenso gern wie die Vereinigten Staaten
einen Streit vermeiden möchte. Für beide ist der Einsatz zu hoch. Als Ru߬
land die südsibirische Eisenbahn baute, beeilte sich Japan, den Konsequenzen
zuvorzukommen. Vielleicht betrachtet es die Herstellung des Panamakanals
von einem ähnlichen Standpunkt. Aber auch wenn es das tut, so wird es
wohl der Ansicht sein, daß die Zeit noch nicht drängt. Für den Augenblick
hätte man nur mit den unerwarteten Ereignissen zu rechnen; diese könnten die
Entwicklung der Dinge beschleunigen, aber sie sind eben völlig unberechenbar.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/84>, abgerufen am 30.06.2024.