Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.Die Turkmenen in Transkaspien. Die Lisenbahn Schwellen sind freilich nicht so gerade gewachsnes und starkes Holz, wie Fast ebenso gefüllig wie die großen Stationen Krasnowodsk und Aschabad Der Wagenpark der Transkaspischen Eisenbahn ist nicht übel. Ihre Pullman¬ Der Betrieb auf der Eisenbahn ist ein seltsam gemischter. Nachdem sie im Grenzboten I 1907 76
Die Turkmenen in Transkaspien. Die Lisenbahn Schwellen sind freilich nicht so gerade gewachsnes und starkes Holz, wie Fast ebenso gefüllig wie die großen Stationen Krasnowodsk und Aschabad Der Wagenpark der Transkaspischen Eisenbahn ist nicht übel. Ihre Pullman¬ Der Betrieb auf der Eisenbahn ist ein seltsam gemischter. Nachdem sie im Grenzboten I 1907 76
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0593" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301847"/> <fw type="header" place="top"> Die Turkmenen in Transkaspien. Die Lisenbahn</fw><lb/> <p xml:id="ID_2192" prev="#ID_2191"> Schwellen sind freilich nicht so gerade gewachsnes und starkes Holz, wie<lb/> wir es bei uns verwandt sehen, aber sie liegen sehr eng und gewährleisten<lb/> eine feste Lage des Geleises und ruhigen Gang der Wagen. Überwege, Wärter¬<lb/> buden sind unnötig, was die Streckenbeaufsichtigung erleichtert. Das System<lb/> der Arbeiterkasernen, das sich in der Zeit der Befriedung des Landes von selbst<lb/> aufdrängte, bietet die Möglichkeit, die Arbeitskräfte zusammenzuhalten und schnell<lb/> an der richtigen Stelle einzusetzen sowie auch die Lebensverhältnisse erträglich<lb/> zu gestalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2193"> Fast ebenso gefüllig wie die großen Stationen Krasnowodsk und Aschabad<lb/> sind die kleinen Bahnhöfe angelegt, alle einander sehr ähnlich und in drei weitere<lb/> Klassen ihrer Bedeutung nach eingeteilt. Das Innere entspricht allerdings dem<lb/> äußern Aussehen wenig, und selbst da, wo der Fahrplan sinnigerweise durch<lb/> einen Becher andeutet, daß Nestaurativusbetrieb eingerichtet ist, tut man gut,<lb/> sich nicht allzugroßen Erwartungen hinzugeben. I^soiaw o^in spsiau^Ä wurde<lb/> sich hier und da als Zusatz zu dem internationalen Wort Büfett sehr wohl<lb/> empfehlen. Aber man ist ja in Asien, und zwar in Russisch-Asien. Der reisende<lb/> Russe zieht mit seiner großen Anspruchslosigkeit gegenüber Essen und Trinken<lb/> hier erst recht vor, sich seinen Tee im Wagenabteil zu bereiten und mitge¬<lb/> nommene Dauervorrätc zu verzehren, ein Verfahren, das das Reisen wesent¬<lb/> lich verbilligt. Wir suchten lieber den Restaurationswagen im Zuge auf und<lb/> ließen uns selbst durch die zahlreiche Anwesenheit der anreihenden Käfer nicht<lb/> schrecken, die in jedem Lande anders mit dem Namen des Nachbarvolks „Preußen,<lb/> Russen, Schwaben oder Franzosen" genannt werden und als glückbringende<lb/> Tiere in einer russischen Behausung anscheinend nicht fehlen dürfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2194"> Der Wagenpark der Transkaspischen Eisenbahn ist nicht übel. Ihre Pullman¬<lb/> wagen fahren gut und sind für bequeme Nachtruhe eingerichtet. Nur darf man<lb/> nicht in einen Wagen ohne abgeschlossene Abteile kommen, nicht zweiter Klasse<lb/> fahren und den gemischten Zug benutzen, was wir eine Nacht lang zu bereuen<lb/> hatten. Unsauberkeit, Hitze, schlechte Luft und minderwertige Gesellschaft ließen<lb/> uus in einem solchen Zuge den Aufenthalt schier unerträglich scheinen. Im<lb/> Sommer soll der Mangel jeden Toilettenzwanges, Glut und Staub einen kleinen<lb/> Vorgeschmack der Hölle geben. Die gelöste Fahrkarte sichert nicht immer einen<lb/> Platz in der zustehenden Klasse. Aus den seligen Zeiten des reinen Militür-<lb/> betriebs haben Offiziere und Beamte auch niedern Ranges die unberechtigte<lb/> Gewohnheit behalten, ohne Bezahlung die besten Plätze unerschüttert mit Beschlag<lb/> zu belegen und festzuhalten. Bei der Herrenstellung, deren sich der russische Uni¬<lb/> formträger dort unten erfreut, wird er kaum nach seiner Fahrkarte gefragt. Ich<lb/> will mich übrigens auch nicht beklagen. Auf Weisung der Polizei wurde die<lb/> Gültigkeitsdauer unsrer durchlaufenden Fahrkarten von Krasnowodsk nach Andishan<lb/> anstandslos verlängert, weil wir die Fahrt ein paar Tage hätten unterbrechen<lb/> müssen. Die Segnungen des russischen Zonentarifs kommen auch der Trans¬<lb/> kaspischen Eisenbahn zugute. Für 31,60 Rubel haben wir 2050 Kilometer bis<lb/> Andishan zurücklegen und viermal die Fahrt unterbrechen können, sodaß schlie߬<lb/> lich unsre Fahrkarten bis zur völligen Unkenntlichkeit durchlöchert und be¬<lb/> schrieben waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2195" next="#ID_2196"> Der Betrieb auf der Eisenbahn ist ein seltsam gemischter. Nachdem sie im<lb/> Jahre 1899 dem Verkehrsministerium unterstellt worden ist, wird trotzdem der<lb/> Stationsaufsichtsdienst zum großen Teil durch Offiziere und Unteroffiziere der<lb/> Transkaspischen Eisenbahnbataillone wahrgenommen, und werden Unteroffiziere<lb/> und Soldaten als Maschinenführer und Heizer unverwandt. Für die Ausbildung</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1907 76</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0593]
Die Turkmenen in Transkaspien. Die Lisenbahn
Schwellen sind freilich nicht so gerade gewachsnes und starkes Holz, wie
wir es bei uns verwandt sehen, aber sie liegen sehr eng und gewährleisten
eine feste Lage des Geleises und ruhigen Gang der Wagen. Überwege, Wärter¬
buden sind unnötig, was die Streckenbeaufsichtigung erleichtert. Das System
der Arbeiterkasernen, das sich in der Zeit der Befriedung des Landes von selbst
aufdrängte, bietet die Möglichkeit, die Arbeitskräfte zusammenzuhalten und schnell
an der richtigen Stelle einzusetzen sowie auch die Lebensverhältnisse erträglich
zu gestalten.
Fast ebenso gefüllig wie die großen Stationen Krasnowodsk und Aschabad
sind die kleinen Bahnhöfe angelegt, alle einander sehr ähnlich und in drei weitere
Klassen ihrer Bedeutung nach eingeteilt. Das Innere entspricht allerdings dem
äußern Aussehen wenig, und selbst da, wo der Fahrplan sinnigerweise durch
einen Becher andeutet, daß Nestaurativusbetrieb eingerichtet ist, tut man gut,
sich nicht allzugroßen Erwartungen hinzugeben. I^soiaw o^in spsiau^Ä wurde
sich hier und da als Zusatz zu dem internationalen Wort Büfett sehr wohl
empfehlen. Aber man ist ja in Asien, und zwar in Russisch-Asien. Der reisende
Russe zieht mit seiner großen Anspruchslosigkeit gegenüber Essen und Trinken
hier erst recht vor, sich seinen Tee im Wagenabteil zu bereiten und mitge¬
nommene Dauervorrätc zu verzehren, ein Verfahren, das das Reisen wesent¬
lich verbilligt. Wir suchten lieber den Restaurationswagen im Zuge auf und
ließen uns selbst durch die zahlreiche Anwesenheit der anreihenden Käfer nicht
schrecken, die in jedem Lande anders mit dem Namen des Nachbarvolks „Preußen,
Russen, Schwaben oder Franzosen" genannt werden und als glückbringende
Tiere in einer russischen Behausung anscheinend nicht fehlen dürfen.
Der Wagenpark der Transkaspischen Eisenbahn ist nicht übel. Ihre Pullman¬
wagen fahren gut und sind für bequeme Nachtruhe eingerichtet. Nur darf man
nicht in einen Wagen ohne abgeschlossene Abteile kommen, nicht zweiter Klasse
fahren und den gemischten Zug benutzen, was wir eine Nacht lang zu bereuen
hatten. Unsauberkeit, Hitze, schlechte Luft und minderwertige Gesellschaft ließen
uus in einem solchen Zuge den Aufenthalt schier unerträglich scheinen. Im
Sommer soll der Mangel jeden Toilettenzwanges, Glut und Staub einen kleinen
Vorgeschmack der Hölle geben. Die gelöste Fahrkarte sichert nicht immer einen
Platz in der zustehenden Klasse. Aus den seligen Zeiten des reinen Militür-
betriebs haben Offiziere und Beamte auch niedern Ranges die unberechtigte
Gewohnheit behalten, ohne Bezahlung die besten Plätze unerschüttert mit Beschlag
zu belegen und festzuhalten. Bei der Herrenstellung, deren sich der russische Uni¬
formträger dort unten erfreut, wird er kaum nach seiner Fahrkarte gefragt. Ich
will mich übrigens auch nicht beklagen. Auf Weisung der Polizei wurde die
Gültigkeitsdauer unsrer durchlaufenden Fahrkarten von Krasnowodsk nach Andishan
anstandslos verlängert, weil wir die Fahrt ein paar Tage hätten unterbrechen
müssen. Die Segnungen des russischen Zonentarifs kommen auch der Trans¬
kaspischen Eisenbahn zugute. Für 31,60 Rubel haben wir 2050 Kilometer bis
Andishan zurücklegen und viermal die Fahrt unterbrechen können, sodaß schlie߬
lich unsre Fahrkarten bis zur völligen Unkenntlichkeit durchlöchert und be¬
schrieben waren.
Der Betrieb auf der Eisenbahn ist ein seltsam gemischter. Nachdem sie im
Jahre 1899 dem Verkehrsministerium unterstellt worden ist, wird trotzdem der
Stationsaufsichtsdienst zum großen Teil durch Offiziere und Unteroffiziere der
Transkaspischen Eisenbahnbataillone wahrgenommen, und werden Unteroffiziere
und Soldaten als Maschinenführer und Heizer unverwandt. Für die Ausbildung
Grenzboten I 1907 76
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