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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Aufforderung zum Kampf gegen die unechten Farben

nachahmen können, und dabei muß dann die Echtheitsfrage in den .Hinter¬
grund treten; die Baumwolle wird angemalt, statt gefärbt zu werden, sodaß
die Farbstoffe nur lose hafte", statt dauernd befestigt und mit der Faser solid
verbunden zu sein. Noch verwickelter wird das Ganze dadurch, daß der Färber
natürlich die Töne, die er echt färben kann, auch echt herstellt, wenn Ver¬
fahren und Farben nicht zu teuer sind, und so geschieht es, daß von einer
Sammlung solcher Färbungen, wie sie ja oft in Mnsterkarten usw. in den
Läden zu sehen sind, vielleicht ein Drittel echt, ein Drittel halbecht und das
letzte Drittel ganz unecht ist. Nehmen wir nun an, es wird zum Beispiel
eine Stickerei von solchen Farben gemacht, sorgfältig, oft mit künstlerischer
Auswahl der Farben, mit vielem Aufwand von Zeit und Mühe -- aber nach
ein paar Jahren, ja oft schon nach Wochen, und sicher nach der ersten Wäsche
ist die ursprüngliche Idee der Arbeit nicht wiederzuerkennen, denn einige der
Farben haben sich gehalten, andre sind mehr oder weniger geschwächt oder
ganz verschwunden, oder sie haben in der Wäsche den Grund oder die andern
Farben beschmutzt.

Dieses Beispiel zeigt, wie verwickelt die Verhältnisse oft liegen, und daß
die Geschichte des Niedergangs der Echtheit bei den verschiednen Waren ver¬
schieden ist, aber leider geht es immer abwärts. Und das Publikum ist schuld
daran, es ist jedenfalls der Hauptschuldige, weil es nicht versteht, was es
kauft, nicht weiß, wie es kaufen sollte, und deshalb im Zweifelsfall und über¬
haupt das Billige vorzieht.

Ich will versuchen, einen Damm zu bauen, die Fluten nicht zurück in das
alte Bett, sondern in ein neues zu leiten, und wenn es auch fast scheinen will,
als ob wir Deutschen immer noch glauben, das Beste und Schönste nur aus
dem Auslande beziehen zu können, auch wenn es bei uns gemacht ist und nur
draußen gestempelt und etikettiert worden ist, so meine ich doch, daß wir als
die Leiter in der Farben- und Färbereiindustrie, als die Lehrmeister der zivilisierten
Welt die ersten sein sollten, die wieder dazu zurückkehren, die Echtheit und die
Dauerhaftigkeit höher zu stellen als die Pfennige im Preisunterschied.

Ehe ich dieses Kapitel schließe, will ich noch zwei Warengattungen kurz
besprechen, die mehr oder weniger mit zu meinem Thema gehören: die Buch¬
einbände und die Tapeten. Man nehme jedes beliebige, noch so schön ein-
gebundne Buch: ein Tropfen Wasser darauf gebracht, dann mit einem Tuch
abgewischt, und weg sind Glanz und Farbe! Und es gibt echte Buchleinen,
es gibt eine Anzahl Firmen, die sie machen -- aber sie müssen freilich auf
der Hut sein, daß sie nicht zu viel davou machen, denn der Bedarf ist gar
gering! Obwohl die echten Stoffe nicht viel teurer sind -- beim einzelnen
Buch würde es höchstens ein paar Pfennige ausmachen --, werden diese echtem
Stoffe doch fast nur verwandt, wo es sich darum handelt, Leder vorzutäuschen,
wie bei Galanteriewaren. In einem vor etwa zwei Jahren erschienenen Auf¬
satz über Buchleinen sagt der Verfasser (O- Piequet, Revue Z^meinte ach inxMre"


Grenzboten I 1907 W
Aufforderung zum Kampf gegen die unechten Farben

nachahmen können, und dabei muß dann die Echtheitsfrage in den .Hinter¬
grund treten; die Baumwolle wird angemalt, statt gefärbt zu werden, sodaß
die Farbstoffe nur lose hafte», statt dauernd befestigt und mit der Faser solid
verbunden zu sein. Noch verwickelter wird das Ganze dadurch, daß der Färber
natürlich die Töne, die er echt färben kann, auch echt herstellt, wenn Ver¬
fahren und Farben nicht zu teuer sind, und so geschieht es, daß von einer
Sammlung solcher Färbungen, wie sie ja oft in Mnsterkarten usw. in den
Läden zu sehen sind, vielleicht ein Drittel echt, ein Drittel halbecht und das
letzte Drittel ganz unecht ist. Nehmen wir nun an, es wird zum Beispiel
eine Stickerei von solchen Farben gemacht, sorgfältig, oft mit künstlerischer
Auswahl der Farben, mit vielem Aufwand von Zeit und Mühe — aber nach
ein paar Jahren, ja oft schon nach Wochen, und sicher nach der ersten Wäsche
ist die ursprüngliche Idee der Arbeit nicht wiederzuerkennen, denn einige der
Farben haben sich gehalten, andre sind mehr oder weniger geschwächt oder
ganz verschwunden, oder sie haben in der Wäsche den Grund oder die andern
Farben beschmutzt.

Dieses Beispiel zeigt, wie verwickelt die Verhältnisse oft liegen, und daß
die Geschichte des Niedergangs der Echtheit bei den verschiednen Waren ver¬
schieden ist, aber leider geht es immer abwärts. Und das Publikum ist schuld
daran, es ist jedenfalls der Hauptschuldige, weil es nicht versteht, was es
kauft, nicht weiß, wie es kaufen sollte, und deshalb im Zweifelsfall und über¬
haupt das Billige vorzieht.

Ich will versuchen, einen Damm zu bauen, die Fluten nicht zurück in das
alte Bett, sondern in ein neues zu leiten, und wenn es auch fast scheinen will,
als ob wir Deutschen immer noch glauben, das Beste und Schönste nur aus
dem Auslande beziehen zu können, auch wenn es bei uns gemacht ist und nur
draußen gestempelt und etikettiert worden ist, so meine ich doch, daß wir als
die Leiter in der Farben- und Färbereiindustrie, als die Lehrmeister der zivilisierten
Welt die ersten sein sollten, die wieder dazu zurückkehren, die Echtheit und die
Dauerhaftigkeit höher zu stellen als die Pfennige im Preisunterschied.

Ehe ich dieses Kapitel schließe, will ich noch zwei Warengattungen kurz
besprechen, die mehr oder weniger mit zu meinem Thema gehören: die Buch¬
einbände und die Tapeten. Man nehme jedes beliebige, noch so schön ein-
gebundne Buch: ein Tropfen Wasser darauf gebracht, dann mit einem Tuch
abgewischt, und weg sind Glanz und Farbe! Und es gibt echte Buchleinen,
es gibt eine Anzahl Firmen, die sie machen — aber sie müssen freilich auf
der Hut sein, daß sie nicht zu viel davou machen, denn der Bedarf ist gar
gering! Obwohl die echten Stoffe nicht viel teurer sind — beim einzelnen
Buch würde es höchstens ein paar Pfennige ausmachen —, werden diese echtem
Stoffe doch fast nur verwandt, wo es sich darum handelt, Leder vorzutäuschen,
wie bei Galanteriewaren. In einem vor etwa zwei Jahren erschienenen Auf¬
satz über Buchleinen sagt der Verfasser (O- Piequet, Revue Z^meinte ach inxMre«


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[0537] Aufforderung zum Kampf gegen die unechten Farben nachahmen können, und dabei muß dann die Echtheitsfrage in den .Hinter¬ grund treten; die Baumwolle wird angemalt, statt gefärbt zu werden, sodaß die Farbstoffe nur lose hafte», statt dauernd befestigt und mit der Faser solid verbunden zu sein. Noch verwickelter wird das Ganze dadurch, daß der Färber natürlich die Töne, die er echt färben kann, auch echt herstellt, wenn Ver¬ fahren und Farben nicht zu teuer sind, und so geschieht es, daß von einer Sammlung solcher Färbungen, wie sie ja oft in Mnsterkarten usw. in den Läden zu sehen sind, vielleicht ein Drittel echt, ein Drittel halbecht und das letzte Drittel ganz unecht ist. Nehmen wir nun an, es wird zum Beispiel eine Stickerei von solchen Farben gemacht, sorgfältig, oft mit künstlerischer Auswahl der Farben, mit vielem Aufwand von Zeit und Mühe — aber nach ein paar Jahren, ja oft schon nach Wochen, und sicher nach der ersten Wäsche ist die ursprüngliche Idee der Arbeit nicht wiederzuerkennen, denn einige der Farben haben sich gehalten, andre sind mehr oder weniger geschwächt oder ganz verschwunden, oder sie haben in der Wäsche den Grund oder die andern Farben beschmutzt. Dieses Beispiel zeigt, wie verwickelt die Verhältnisse oft liegen, und daß die Geschichte des Niedergangs der Echtheit bei den verschiednen Waren ver¬ schieden ist, aber leider geht es immer abwärts. Und das Publikum ist schuld daran, es ist jedenfalls der Hauptschuldige, weil es nicht versteht, was es kauft, nicht weiß, wie es kaufen sollte, und deshalb im Zweifelsfall und über¬ haupt das Billige vorzieht. Ich will versuchen, einen Damm zu bauen, die Fluten nicht zurück in das alte Bett, sondern in ein neues zu leiten, und wenn es auch fast scheinen will, als ob wir Deutschen immer noch glauben, das Beste und Schönste nur aus dem Auslande beziehen zu können, auch wenn es bei uns gemacht ist und nur draußen gestempelt und etikettiert worden ist, so meine ich doch, daß wir als die Leiter in der Farben- und Färbereiindustrie, als die Lehrmeister der zivilisierten Welt die ersten sein sollten, die wieder dazu zurückkehren, die Echtheit und die Dauerhaftigkeit höher zu stellen als die Pfennige im Preisunterschied. Ehe ich dieses Kapitel schließe, will ich noch zwei Warengattungen kurz besprechen, die mehr oder weniger mit zu meinem Thema gehören: die Buch¬ einbände und die Tapeten. Man nehme jedes beliebige, noch so schön ein- gebundne Buch: ein Tropfen Wasser darauf gebracht, dann mit einem Tuch abgewischt, und weg sind Glanz und Farbe! Und es gibt echte Buchleinen, es gibt eine Anzahl Firmen, die sie machen — aber sie müssen freilich auf der Hut sein, daß sie nicht zu viel davou machen, denn der Bedarf ist gar gering! Obwohl die echten Stoffe nicht viel teurer sind — beim einzelnen Buch würde es höchstens ein paar Pfennige ausmachen —, werden diese echtem Stoffe doch fast nur verwandt, wo es sich darum handelt, Leder vorzutäuschen, wie bei Galanteriewaren. In einem vor etwa zwei Jahren erschienenen Auf¬ satz über Buchleinen sagt der Verfasser (O- Piequet, Revue Z^meinte ach inxMre« Grenzboten I 1907 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/537>, abgerufen am 24.07.2024.