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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Line Ferienfahrt nach Brasilien

Dividende von 12 Prozent hinaus erlöst wird, an die Staatskasse abzuführen hat.
Der Verkehr ist von Anfang an nicht unbedeutend gewesen und hat sich sehr
schnell so gehoben, daß er zuzeiten kaum zu bewältigen ist; beispielsweise müssen
während der Kaffeernte täglich bis zu 60000 Sack Kaffee befördert werden.
Die Dividende von 12 Prozent ist unter solchen Verhältnissen bald erreicht
worden. Trotzdem ist aber noch nicht ein Milreis in die Staatskasse geflossen,
weil die Gesellschaft alle Überschüsse in das Unternehmen hineinsteckt; sie hat
den Bahnkörper verstärkt, neue Sicherheitsbauten ausgeführt, eine zweite Träne
angelegt, die Bahnhöfe erweitert und zum Teil von Grund aus neu gebaut,
Dienstwohngebäude für die Beamten und Arbeiter errichtet, kurz nach und nach
ein Musterwerk geschaffen.

Schon nach etwa zwei Stunden langten wir in Sav Paulo -- 7SO Meter --
an, hielten uns aber nicht auf, sondern fuhren noch vier Stunden weiter über
die Kaffeestadt Campinas -- 700 Meter -- hinaus bis nach der Station Villa
Americana. Bei der Länge der Fahrt empfanden wir es als eine Wohltat, daß
die Kopflehnen vor der Abfahrt mit weißen Tüchern frisch bespannt worden
waren, und daß die Tücher auf jeder größern Station von Staub gesäubert
wurden. Nebenbei bemerkt, würde sich die Verwendung solcher Tücher auch für
unsre Eisenbahnwagen, mindestens in der heißen Jahreszeit, sehr empfehlen.

Das Gelände stellt sich als eine im wesentlichen auf demselben Niveau
bleibende Hochebene dar und senkt sich nur ganz allmählich nach dem Parcma-
gebiete zu. Der Boden, dessen Farbe an dunkel gebrannte Ziegel erinnert, ist
ungemein fruchtbar und zum Teil kultiviert. Wir passierten viele Kaffee- und
Zuckerrohrpflanzungen, diese waren schon von fern an der maigrünen Farbe
kenntlich. Ein großer Teil des von der Bahn durchschnittenen Geländes war so¬
genannter Kamp, auf dem Herden von Pferden, Maultieren und Rindern unter
der Obhut von Lassoreitern weideten. Die Campos sind mit Gras bestandne,
von Busch- und Waldstücken unterbrochne Steppenflächen; die Gräser wachsen
in Büscheln und bilden einen grünen, mit blütenreichen Pflanzen durchwirkten
Teppich. Wir sahen jedoch auch andre Flüchen, die schwarz gebrannt waren
und keine Spur von Leben zeigten. Mit der Zeit werden nämlich die Gräser
hart und scharf und müssen alsdann, weil sie von den Tieren nicht mehr ge¬
nommen werden, abgebrannt werden; aus den Wurzeln treibt darauf, ohne daß
es einer weitern Pflege bedarf, wieder ein saftiger Nachwuchs hervor.

Eigentümliche Erscheinungen auf dem Kamp sind die kegelförmigen, aus
Ton sehr gleichmäßig aufgeführten Bauten der Termiten. Nach der Zahl der
Kegel zu schließen, müssen die gefürchteten Insekten in diesem Gebiete zur Land¬
plage geworden sein.

Bei der Ankunft in Villa Americana wurden wir von Herrn Müller und
seiner Schwester begrüßt und zu Wagen durch schattige Bambusalleen nach
Carioba geleitet. Wir fanden in dem Hause unsers Wirtes, der in Braunschweig
geboren und ein Bruder des in Charlottenburg wohnenden Bildhauers Professor


Line Ferienfahrt nach Brasilien

Dividende von 12 Prozent hinaus erlöst wird, an die Staatskasse abzuführen hat.
Der Verkehr ist von Anfang an nicht unbedeutend gewesen und hat sich sehr
schnell so gehoben, daß er zuzeiten kaum zu bewältigen ist; beispielsweise müssen
während der Kaffeernte täglich bis zu 60000 Sack Kaffee befördert werden.
Die Dividende von 12 Prozent ist unter solchen Verhältnissen bald erreicht
worden. Trotzdem ist aber noch nicht ein Milreis in die Staatskasse geflossen,
weil die Gesellschaft alle Überschüsse in das Unternehmen hineinsteckt; sie hat
den Bahnkörper verstärkt, neue Sicherheitsbauten ausgeführt, eine zweite Träne
angelegt, die Bahnhöfe erweitert und zum Teil von Grund aus neu gebaut,
Dienstwohngebäude für die Beamten und Arbeiter errichtet, kurz nach und nach
ein Musterwerk geschaffen.

Schon nach etwa zwei Stunden langten wir in Sav Paulo — 7SO Meter —
an, hielten uns aber nicht auf, sondern fuhren noch vier Stunden weiter über
die Kaffeestadt Campinas — 700 Meter — hinaus bis nach der Station Villa
Americana. Bei der Länge der Fahrt empfanden wir es als eine Wohltat, daß
die Kopflehnen vor der Abfahrt mit weißen Tüchern frisch bespannt worden
waren, und daß die Tücher auf jeder größern Station von Staub gesäubert
wurden. Nebenbei bemerkt, würde sich die Verwendung solcher Tücher auch für
unsre Eisenbahnwagen, mindestens in der heißen Jahreszeit, sehr empfehlen.

Das Gelände stellt sich als eine im wesentlichen auf demselben Niveau
bleibende Hochebene dar und senkt sich nur ganz allmählich nach dem Parcma-
gebiete zu. Der Boden, dessen Farbe an dunkel gebrannte Ziegel erinnert, ist
ungemein fruchtbar und zum Teil kultiviert. Wir passierten viele Kaffee- und
Zuckerrohrpflanzungen, diese waren schon von fern an der maigrünen Farbe
kenntlich. Ein großer Teil des von der Bahn durchschnittenen Geländes war so¬
genannter Kamp, auf dem Herden von Pferden, Maultieren und Rindern unter
der Obhut von Lassoreitern weideten. Die Campos sind mit Gras bestandne,
von Busch- und Waldstücken unterbrochne Steppenflächen; die Gräser wachsen
in Büscheln und bilden einen grünen, mit blütenreichen Pflanzen durchwirkten
Teppich. Wir sahen jedoch auch andre Flüchen, die schwarz gebrannt waren
und keine Spur von Leben zeigten. Mit der Zeit werden nämlich die Gräser
hart und scharf und müssen alsdann, weil sie von den Tieren nicht mehr ge¬
nommen werden, abgebrannt werden; aus den Wurzeln treibt darauf, ohne daß
es einer weitern Pflege bedarf, wieder ein saftiger Nachwuchs hervor.

Eigentümliche Erscheinungen auf dem Kamp sind die kegelförmigen, aus
Ton sehr gleichmäßig aufgeführten Bauten der Termiten. Nach der Zahl der
Kegel zu schließen, müssen die gefürchteten Insekten in diesem Gebiete zur Land¬
plage geworden sein.

Bei der Ankunft in Villa Americana wurden wir von Herrn Müller und
seiner Schwester begrüßt und zu Wagen durch schattige Bambusalleen nach
Carioba geleitet. Wir fanden in dem Hause unsers Wirtes, der in Braunschweig
geboren und ein Bruder des in Charlottenburg wohnenden Bildhauers Professor


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/371>, abgerufen am 04.07.2024.