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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Der Paragraph ?Z de? preußischen Einkommensteuergesetzes von, ^9- Juni ^06

Pflichtigen so genau wie möglich zu erkunden. Vernachlässigen sie ihre Pflicht,
so schädigen sie nicht allein den Staat und die Gemeinden, sie schädigen auch
die Steuerpflichtigen, die selbst ihr Einkommen richtig angeben wie alle die,
die zutreffend eingeschätzt sind. Denn diese müssen bei der Aufbringung der
Gemeindesteuern für die zählend miteiutreten, die nicht entsprechend ihrem
Einkommen zur Staatssteuer veranlagt sind und deshalb nicht nur zu geringe
Einkommensteuer, sondern wegen der nach jener berechneten Zuschlage mich
zu wenig Gemeindesteuer zahlen.

Solche Erwägungen und Empfindungen waren es, die in den Vorein-
schätzuugskommissionen Äußerungen der Genugtuung hervorriefen und die Vor¬
schrift als eine Wohltat für die Gemeinden begrüßten. Lächelnd wies der
Vorsteher einer kleinen, in einem Kohlenrevier liegenden Gemeinde, die bisher
zwanzig Steuerzahler gehabt hatte, auf die jetzt dreißig Steuerpflichtige zählende
Staatssteuerliste hin. Und in dem Kreise, dem diese Gemeinde angehört,
wurde vorläufig der Zuwachs an durch die Lohnnachweisungen ermittelten
Steuerpflichtigen auf 1500 angenommen. Zahlreich sind daneben die Er¬
höhungen der vorjährigen Steuersätze der beiden untersten Stufen auf 16,
21, 26 Mark, sogar Sprünge von 9 Mark auf den Steuersatz von 52 Mark
konnten beobachtet werden. In den von großen Unternehmen eingereichten
Lohnlisten ist nicht selten die Bemerkung zu lesen: der Lohn übersteigt
3000 Mark. Behörden und Einschützuugskommissionen wurden in Erstannen
versetzt über die bisherigen zahlreichen Unterschätzungen, über die Fehlgriffe,
die sie gemacht und gutgeheißen hatten.

Das erwähnte Berliner Blatt kann übrigens beruhigt sein, die Zahl der
Arbeiter wird immer noch überwiegen, die nicht bis auf den letzten Pfennig
eingeschätzt sind. Kenner der wirtschaftlichen Verhältnisse sind der unzweifel¬
haft richtigen Ansicht, daß sich gerade in Arbeiterkreisen viel Einkommen der
Besteuerung entzieht und immer entziehen wird. Das oft nicht unbedeutende
Einkommen aus der Beschäftigung der Frauen und Kinder wird nur in Aus¬
nahmefällen zur Anrechnung gelangen. Und wer einen Blick in die Bücher
der Sparkassen wirft, wird unter den Sparern die Arbeiter zahlreich vertreten
finden. Diese Kapitalien sind aber nur selten, meist nur auf eigue Angaben
hin, den Behörden und den Einschätznngskommissionen bekannt.

Ob die Wirkungen des Paragraphen 23 a. a. O. auf die politischen
Wahlen einen wesentlichen Einfluß ausüben werden, ist und Sicherheit nicht
vorauszusagen. Unwahrscheinlich ist es nicht. Und in mancher Stadt wird
vielleicht, sofern die gegenwärtige wirtschaftliche Hochkonjunktur anhält, die
Freude über den Abschlag einiger Prozente von der Gemeindesteuer getrübt
werden durch das Ergebnis der Stadtverordnetcnwahlen.

Doch das sind Vermutungen, die nur angedeutet werdeu sollen. Bei den
Wahlen sprechen ja noch viele andre Dinge mit. Ein sicheres Ergebnis der
diesjährigen abgeschlossene!? Veranlagung wird sein, daß als Beitrag zur Lehre


Der Paragraph ?Z de? preußischen Einkommensteuergesetzes von, ^9- Juni ^06

Pflichtigen so genau wie möglich zu erkunden. Vernachlässigen sie ihre Pflicht,
so schädigen sie nicht allein den Staat und die Gemeinden, sie schädigen auch
die Steuerpflichtigen, die selbst ihr Einkommen richtig angeben wie alle die,
die zutreffend eingeschätzt sind. Denn diese müssen bei der Aufbringung der
Gemeindesteuern für die zählend miteiutreten, die nicht entsprechend ihrem
Einkommen zur Staatssteuer veranlagt sind und deshalb nicht nur zu geringe
Einkommensteuer, sondern wegen der nach jener berechneten Zuschlage mich
zu wenig Gemeindesteuer zahlen.

Solche Erwägungen und Empfindungen waren es, die in den Vorein-
schätzuugskommissionen Äußerungen der Genugtuung hervorriefen und die Vor¬
schrift als eine Wohltat für die Gemeinden begrüßten. Lächelnd wies der
Vorsteher einer kleinen, in einem Kohlenrevier liegenden Gemeinde, die bisher
zwanzig Steuerzahler gehabt hatte, auf die jetzt dreißig Steuerpflichtige zählende
Staatssteuerliste hin. Und in dem Kreise, dem diese Gemeinde angehört,
wurde vorläufig der Zuwachs an durch die Lohnnachweisungen ermittelten
Steuerpflichtigen auf 1500 angenommen. Zahlreich sind daneben die Er¬
höhungen der vorjährigen Steuersätze der beiden untersten Stufen auf 16,
21, 26 Mark, sogar Sprünge von 9 Mark auf den Steuersatz von 52 Mark
konnten beobachtet werden. In den von großen Unternehmen eingereichten
Lohnlisten ist nicht selten die Bemerkung zu lesen: der Lohn übersteigt
3000 Mark. Behörden und Einschützuugskommissionen wurden in Erstannen
versetzt über die bisherigen zahlreichen Unterschätzungen, über die Fehlgriffe,
die sie gemacht und gutgeheißen hatten.

Das erwähnte Berliner Blatt kann übrigens beruhigt sein, die Zahl der
Arbeiter wird immer noch überwiegen, die nicht bis auf den letzten Pfennig
eingeschätzt sind. Kenner der wirtschaftlichen Verhältnisse sind der unzweifel¬
haft richtigen Ansicht, daß sich gerade in Arbeiterkreisen viel Einkommen der
Besteuerung entzieht und immer entziehen wird. Das oft nicht unbedeutende
Einkommen aus der Beschäftigung der Frauen und Kinder wird nur in Aus¬
nahmefällen zur Anrechnung gelangen. Und wer einen Blick in die Bücher
der Sparkassen wirft, wird unter den Sparern die Arbeiter zahlreich vertreten
finden. Diese Kapitalien sind aber nur selten, meist nur auf eigue Angaben
hin, den Behörden und den Einschätznngskommissionen bekannt.

Ob die Wirkungen des Paragraphen 23 a. a. O. auf die politischen
Wahlen einen wesentlichen Einfluß ausüben werden, ist und Sicherheit nicht
vorauszusagen. Unwahrscheinlich ist es nicht. Und in mancher Stadt wird
vielleicht, sofern die gegenwärtige wirtschaftliche Hochkonjunktur anhält, die
Freude über den Abschlag einiger Prozente von der Gemeindesteuer getrübt
werden durch das Ergebnis der Stadtverordnetcnwahlen.

Doch das sind Vermutungen, die nur angedeutet werdeu sollen. Bei den
Wahlen sprechen ja noch viele andre Dinge mit. Ein sicheres Ergebnis der
diesjährigen abgeschlossene!? Veranlagung wird sein, daß als Beitrag zur Lehre


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[0303] Der Paragraph ?Z de? preußischen Einkommensteuergesetzes von, ^9- Juni ^06 Pflichtigen so genau wie möglich zu erkunden. Vernachlässigen sie ihre Pflicht, so schädigen sie nicht allein den Staat und die Gemeinden, sie schädigen auch die Steuerpflichtigen, die selbst ihr Einkommen richtig angeben wie alle die, die zutreffend eingeschätzt sind. Denn diese müssen bei der Aufbringung der Gemeindesteuern für die zählend miteiutreten, die nicht entsprechend ihrem Einkommen zur Staatssteuer veranlagt sind und deshalb nicht nur zu geringe Einkommensteuer, sondern wegen der nach jener berechneten Zuschlage mich zu wenig Gemeindesteuer zahlen. Solche Erwägungen und Empfindungen waren es, die in den Vorein- schätzuugskommissionen Äußerungen der Genugtuung hervorriefen und die Vor¬ schrift als eine Wohltat für die Gemeinden begrüßten. Lächelnd wies der Vorsteher einer kleinen, in einem Kohlenrevier liegenden Gemeinde, die bisher zwanzig Steuerzahler gehabt hatte, auf die jetzt dreißig Steuerpflichtige zählende Staatssteuerliste hin. Und in dem Kreise, dem diese Gemeinde angehört, wurde vorläufig der Zuwachs an durch die Lohnnachweisungen ermittelten Steuerpflichtigen auf 1500 angenommen. Zahlreich sind daneben die Er¬ höhungen der vorjährigen Steuersätze der beiden untersten Stufen auf 16, 21, 26 Mark, sogar Sprünge von 9 Mark auf den Steuersatz von 52 Mark konnten beobachtet werden. In den von großen Unternehmen eingereichten Lohnlisten ist nicht selten die Bemerkung zu lesen: der Lohn übersteigt 3000 Mark. Behörden und Einschützuugskommissionen wurden in Erstannen versetzt über die bisherigen zahlreichen Unterschätzungen, über die Fehlgriffe, die sie gemacht und gutgeheißen hatten. Das erwähnte Berliner Blatt kann übrigens beruhigt sein, die Zahl der Arbeiter wird immer noch überwiegen, die nicht bis auf den letzten Pfennig eingeschätzt sind. Kenner der wirtschaftlichen Verhältnisse sind der unzweifel¬ haft richtigen Ansicht, daß sich gerade in Arbeiterkreisen viel Einkommen der Besteuerung entzieht und immer entziehen wird. Das oft nicht unbedeutende Einkommen aus der Beschäftigung der Frauen und Kinder wird nur in Aus¬ nahmefällen zur Anrechnung gelangen. Und wer einen Blick in die Bücher der Sparkassen wirft, wird unter den Sparern die Arbeiter zahlreich vertreten finden. Diese Kapitalien sind aber nur selten, meist nur auf eigue Angaben hin, den Behörden und den Einschätznngskommissionen bekannt. Ob die Wirkungen des Paragraphen 23 a. a. O. auf die politischen Wahlen einen wesentlichen Einfluß ausüben werden, ist und Sicherheit nicht vorauszusagen. Unwahrscheinlich ist es nicht. Und in mancher Stadt wird vielleicht, sofern die gegenwärtige wirtschaftliche Hochkonjunktur anhält, die Freude über den Abschlag einiger Prozente von der Gemeindesteuer getrübt werden durch das Ergebnis der Stadtverordnetcnwahlen. Doch das sind Vermutungen, die nur angedeutet werdeu sollen. Bei den Wahlen sprechen ja noch viele andre Dinge mit. Ein sicheres Ergebnis der diesjährigen abgeschlossene!? Veranlagung wird sein, daß als Beitrag zur Lehre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/303>, abgerufen am 24.07.2024.