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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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König Friedrich der Große und der Baron warkotsch

Pieces davon communiciret worden, um dem Verratherischen Menschen, der
hauptsächlich dabei impliciret, den Proceß darüber zu machen. Fast jeder¬
mann souptzonniret, daß der General Landon diesen unglücklichen Menschen
dazu instipiret habe. Ich meinestheils suspendire noch mein Urthel davon,
und ein von letzterem uns in die Hände gerathener Brief, welchen er an einen
gewissen Obristlieutenant in österreichischen Diensten, einen Graf Wallis, ge¬
schrieben, machet mich fast glauben, daß der schändliche Mensch, da er die
Möglichkeit, einen dergleichen Coup zu thun, wahrgenommen, den zweiten
Tome von dem Verräther Judas gespielet, den ersten Plan vor sich formiret
und solchen auszuführen die Sache mit gedachtem Obristlieutenant entamiret
hat, da dann vielleicht der General Laudon sich solches allenfalls, wenn es
möglich gemachet werden könnte, gefallen lassen.

Der Traitre ist eigentlich ein Schlesischer von Adel, einer von Warkotsch
und ein Bruder von dem verstorbenen von Warkotsch, welcher ein starker
Spieler und derjenige war, so in den Carnevalszeiten vordem nach Berlin zu
kommen pflegete, und den Ew. Excellenz vermuthlich allda gesehen haben
werden. Nach dessen Tode erbete dieser unglückliche Warkotsch alle Güter und
Vermögen des ersteren, die sich über 200,000 Reichsthaler betragen sollten.
Er war vorhin in österreichischen Diensten Officier gewesen, woraus er sich
noch vor jetzigem Kriege in der Hoffnung solcher reichen Succession dimittirete,
und endlich nach des Bruders Tode sich auf eines von seinen Gütern, Schön-
brunn, ohngefähr 1^ Meilen von hier, ctablirete. Als die Armee Hieher
kam, gab ihm die Nähe seines Gutes Gelegenheit, fast tagtäglich hier zu sein,
und ward er als ein sonst ganz belebter Mensch von unsern Officiers sehr
wohl tractiret, die bestündig mit ihm conversireten; selbst des Königs Majestät
gracieusireten ihn bei allen Gelegenheiten. Niemandem kam es in die Ge¬
danken, daß er ein Traitre, geschweige dann zu einer solchen extremen In¬
famie capabel sei. Er profitirete von solcher Vertraulichkeit, und, nachdem er
die Lage und alle Mrss des königlichen Quartiers, wobei er aber Hülfe gehabt
haben muß, ganz genau und sorgfältig epiiret und weil dieses Quartier in
der offenen Vorstadt fast isoliret ist, examiniret, auch die Positions derer Vor¬
uno Außenpostirungen nebst allen Zugängen sich genau bekannt gemachet hatte,
auch die Facilite und Möglichkeit, seinen verfluchten Coup auszuführen, ge¬
funden haben mochte, ging er nach seinem Gute Schönbrunn und schrieb an
gedachten Graf Wallis umständlich davon, welchen er zugleich sehr animirete,
nunmehro den Coup, und zwar in der Nacht vom 1. auf den 2. December
mit einem nur kleinen Trupp determinirter Leute auszuführen, weil sonsten,
wie er meinete, der Vogel nachher ausgeflogen sein möchte. Man kann wohl
nicht in Abrede sein, daß die infame Trame von ihm gut eingefädelt und die
Sache nicht ganz ohnmöglich war, daher er auch gedachten Wallis um so mehr
dadurch zu animiren vermeinet, daß auf den Fall auch, den er aber nicht
glaubete, es damit umschlüge, der Wallis dabei nichts mehr zu riskiren hätte,


Gvenzboten i 1307 25
König Friedrich der Große und der Baron warkotsch

Pieces davon communiciret worden, um dem Verratherischen Menschen, der
hauptsächlich dabei impliciret, den Proceß darüber zu machen. Fast jeder¬
mann souptzonniret, daß der General Landon diesen unglücklichen Menschen
dazu instipiret habe. Ich meinestheils suspendire noch mein Urthel davon,
und ein von letzterem uns in die Hände gerathener Brief, welchen er an einen
gewissen Obristlieutenant in österreichischen Diensten, einen Graf Wallis, ge¬
schrieben, machet mich fast glauben, daß der schändliche Mensch, da er die
Möglichkeit, einen dergleichen Coup zu thun, wahrgenommen, den zweiten
Tome von dem Verräther Judas gespielet, den ersten Plan vor sich formiret
und solchen auszuführen die Sache mit gedachtem Obristlieutenant entamiret
hat, da dann vielleicht der General Laudon sich solches allenfalls, wenn es
möglich gemachet werden könnte, gefallen lassen.

Der Traitre ist eigentlich ein Schlesischer von Adel, einer von Warkotsch
und ein Bruder von dem verstorbenen von Warkotsch, welcher ein starker
Spieler und derjenige war, so in den Carnevalszeiten vordem nach Berlin zu
kommen pflegete, und den Ew. Excellenz vermuthlich allda gesehen haben
werden. Nach dessen Tode erbete dieser unglückliche Warkotsch alle Güter und
Vermögen des ersteren, die sich über 200,000 Reichsthaler betragen sollten.
Er war vorhin in österreichischen Diensten Officier gewesen, woraus er sich
noch vor jetzigem Kriege in der Hoffnung solcher reichen Succession dimittirete,
und endlich nach des Bruders Tode sich auf eines von seinen Gütern, Schön-
brunn, ohngefähr 1^ Meilen von hier, ctablirete. Als die Armee Hieher
kam, gab ihm die Nähe seines Gutes Gelegenheit, fast tagtäglich hier zu sein,
und ward er als ein sonst ganz belebter Mensch von unsern Officiers sehr
wohl tractiret, die bestündig mit ihm conversireten; selbst des Königs Majestät
gracieusireten ihn bei allen Gelegenheiten. Niemandem kam es in die Ge¬
danken, daß er ein Traitre, geschweige dann zu einer solchen extremen In¬
famie capabel sei. Er profitirete von solcher Vertraulichkeit, und, nachdem er
die Lage und alle Mrss des königlichen Quartiers, wobei er aber Hülfe gehabt
haben muß, ganz genau und sorgfältig epiiret und weil dieses Quartier in
der offenen Vorstadt fast isoliret ist, examiniret, auch die Positions derer Vor¬
uno Außenpostirungen nebst allen Zugängen sich genau bekannt gemachet hatte,
auch die Facilite und Möglichkeit, seinen verfluchten Coup auszuführen, ge¬
funden haben mochte, ging er nach seinem Gute Schönbrunn und schrieb an
gedachten Graf Wallis umständlich davon, welchen er zugleich sehr animirete,
nunmehro den Coup, und zwar in der Nacht vom 1. auf den 2. December
mit einem nur kleinen Trupp determinirter Leute auszuführen, weil sonsten,
wie er meinete, der Vogel nachher ausgeflogen sein möchte. Man kann wohl
nicht in Abrede sein, daß die infame Trame von ihm gut eingefädelt und die
Sache nicht ganz ohnmöglich war, daher er auch gedachten Wallis um so mehr
dadurch zu animiren vermeinet, daß auf den Fall auch, den er aber nicht
glaubete, es damit umschlüge, der Wallis dabei nichts mehr zu riskiren hätte,


Gvenzboten i 1307 25
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/197>, abgerufen am 24.07.2024.