Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.Die Technik als Kulturinacht Arbeitskraft zu vergeistigen und hierdurch die Arbeit selbst zu veredeln. Jedes Diese Gedanken bilden den Leitfaden dieser Kulturgeschichte, in der Wendt Die Technik als Kulturinacht Arbeitskraft zu vergeistigen und hierdurch die Arbeit selbst zu veredeln. Jedes Diese Gedanken bilden den Leitfaden dieser Kulturgeschichte, in der Wendt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301273"/> <fw type="header" place="top"> Die Technik als Kulturinacht</fw><lb/> <p xml:id="ID_23" prev="#ID_22"> Arbeitskraft zu vergeistigen und hierdurch die Arbeit selbst zu veredeln. Jedes<lb/> neu erfundne Werkzeug trügt hierzu bei, indem es eine Ersparnis an roher<lb/> Arbeitskraft und eine Erhöhung der Denkkraft bedeutet; dies zeigt das einfachste<lb/> Werkzeug der Alten ebenso deutlich wie eine kunstvolle Maschine unsrer Zeit.<lb/> Denn während der mechanisch arbeitende Mensch früher selbst ein Sklave war<lb/> und als solcher gleich einer Maschine behandelt wurde, ist jetzt die Maschine<lb/> der eiserne Sklave des Menschen geworden. Da aber jede neue Maschine die<lb/> handwerksmüßige Arbeit einschränkte und hierdurch die Arbeit überhaupt ver¬<lb/> geistigte, so wurden mit dem Fortschritte der Technik im Altertum die Sklaven<lb/> entbehrlich; sie wurden zu Freigelassenen, die nun die Stüdte füllten und sich<lb/> zu freien Handwerkern entwickelten. Auf diese Weise rümpfte die fortschreitende<lb/> Technik zugleich für die politische Freiheit. Da aber eine edle Kultur nur unter<lb/> dem Banner der Freiheit gedeihen kann, so ist die Technik in letzter Linie die<lb/> Trügerin der gesamten Kultur, wahrend Freiheit und Kultur dauernd aus¬<lb/> bleiben, wo die Technik und deshalb die Vergeistigung der menschlichen Arbeit<lb/> mit ihren segensreichen Folgen nicht zur Macht gelangen. Auf diese Weise ist<lb/> es also die Technik, die die Menschheit von Barbarei und Knechtschaft erlöst<lb/> und zu einer höhern und reinern Kultur geführt hat, indem sie überall zuerst<lb/> die politischen, dann die sozialen und die sittlichen Verhältnisse veredelt hat und<lb/> schließlich auch wissenschaftlich die Grundlage des Geisteslebens geworden ist.<lb/> Die Technik hat, insbesondre in Deutschland, in jeder dieser Beziehungen mehr<lb/> geleistet, als dies die verschwommnen Ideale getan haben; denn inmitten aller<lb/> politischen Reaktion hat sie in stiller Pionierarbeit ihr Werk getan und ist allein<lb/> der Träger des Fortschritts in Verkehr, Handel und sozialer Schichtung, in der<lb/> Arbeitsform und Verbesserung aller Lebensverhältnisse gewesen. Die Macht<lb/> des Grundbesitzes verschwindet gegen diesen Einfluß der Technik; ja diese brach<lb/> die Herrschaft des Grundbesitzes, indem sie dem Volke die Macht verlieh, sich<lb/> durch den Erlös seiner Arbeit eine freie Existenz zu schaffen. Auch den Frauen<lb/> ist die Technik eine Retterin geworden, indem sie leichte Arbeiten an den Maschinen<lb/> geschaffen hat, die diese verrichten können, ohne körperlich überangestrengt zu<lb/> werden. Wie berechtigt demnach auch die sogenannten idealistischen Bestrebungen<lb/> sein mögen, so dürfen sie sich doch keinenfcills über die mechanische Arbeit er¬<lb/> heben wollen, die immer die edelste Tätigkeit bleibt, weil sie die Menschen<lb/> frei machte.</p><lb/> <p xml:id="ID_24" next="#ID_25"> Diese Gedanken bilden den Leitfaden dieser Kulturgeschichte, in der Wendt<lb/> den Nachweis führt, daß die vorschreitende Technik überall zur Freiheit und<lb/> höhern Kultur geführt und hierbei die Religion und Schule, Kunst und Wissen¬<lb/> schaft, Politik und Sittlichkeit grundlegend beeinflußt hat. Mit reichem Wissen<lb/> führt uns der Verfasser durch die Geschichte der Griechen, der Römer, des<lb/> deutschen Mittelalters, die Zeit von 1500 bis 1800 und schließlich durch das<lb/> neunzehnte Jahrhunderte Im griechischen Leben sehen wir nur eine Handtechnik<lb/> in Verbindung mit der Sklaverei. Die freie Minderheit führte zwar ein be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
Die Technik als Kulturinacht
Arbeitskraft zu vergeistigen und hierdurch die Arbeit selbst zu veredeln. Jedes
neu erfundne Werkzeug trügt hierzu bei, indem es eine Ersparnis an roher
Arbeitskraft und eine Erhöhung der Denkkraft bedeutet; dies zeigt das einfachste
Werkzeug der Alten ebenso deutlich wie eine kunstvolle Maschine unsrer Zeit.
Denn während der mechanisch arbeitende Mensch früher selbst ein Sklave war
und als solcher gleich einer Maschine behandelt wurde, ist jetzt die Maschine
der eiserne Sklave des Menschen geworden. Da aber jede neue Maschine die
handwerksmüßige Arbeit einschränkte und hierdurch die Arbeit überhaupt ver¬
geistigte, so wurden mit dem Fortschritte der Technik im Altertum die Sklaven
entbehrlich; sie wurden zu Freigelassenen, die nun die Stüdte füllten und sich
zu freien Handwerkern entwickelten. Auf diese Weise rümpfte die fortschreitende
Technik zugleich für die politische Freiheit. Da aber eine edle Kultur nur unter
dem Banner der Freiheit gedeihen kann, so ist die Technik in letzter Linie die
Trügerin der gesamten Kultur, wahrend Freiheit und Kultur dauernd aus¬
bleiben, wo die Technik und deshalb die Vergeistigung der menschlichen Arbeit
mit ihren segensreichen Folgen nicht zur Macht gelangen. Auf diese Weise ist
es also die Technik, die die Menschheit von Barbarei und Knechtschaft erlöst
und zu einer höhern und reinern Kultur geführt hat, indem sie überall zuerst
die politischen, dann die sozialen und die sittlichen Verhältnisse veredelt hat und
schließlich auch wissenschaftlich die Grundlage des Geisteslebens geworden ist.
Die Technik hat, insbesondre in Deutschland, in jeder dieser Beziehungen mehr
geleistet, als dies die verschwommnen Ideale getan haben; denn inmitten aller
politischen Reaktion hat sie in stiller Pionierarbeit ihr Werk getan und ist allein
der Träger des Fortschritts in Verkehr, Handel und sozialer Schichtung, in der
Arbeitsform und Verbesserung aller Lebensverhältnisse gewesen. Die Macht
des Grundbesitzes verschwindet gegen diesen Einfluß der Technik; ja diese brach
die Herrschaft des Grundbesitzes, indem sie dem Volke die Macht verlieh, sich
durch den Erlös seiner Arbeit eine freie Existenz zu schaffen. Auch den Frauen
ist die Technik eine Retterin geworden, indem sie leichte Arbeiten an den Maschinen
geschaffen hat, die diese verrichten können, ohne körperlich überangestrengt zu
werden. Wie berechtigt demnach auch die sogenannten idealistischen Bestrebungen
sein mögen, so dürfen sie sich doch keinenfcills über die mechanische Arbeit er¬
heben wollen, die immer die edelste Tätigkeit bleibt, weil sie die Menschen
frei machte.
Diese Gedanken bilden den Leitfaden dieser Kulturgeschichte, in der Wendt
den Nachweis führt, daß die vorschreitende Technik überall zur Freiheit und
höhern Kultur geführt und hierbei die Religion und Schule, Kunst und Wissen¬
schaft, Politik und Sittlichkeit grundlegend beeinflußt hat. Mit reichem Wissen
führt uns der Verfasser durch die Geschichte der Griechen, der Römer, des
deutschen Mittelalters, die Zeit von 1500 bis 1800 und schließlich durch das
neunzehnte Jahrhunderte Im griechischen Leben sehen wir nur eine Handtechnik
in Verbindung mit der Sklaverei. Die freie Minderheit führte zwar ein be-
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