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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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König Friedrich der Große und der Baron warkotsch

endlich dort ein Pferd und jagte mit der Urschrift des Barons in der Tasche
nach des Königs Hauptquartier.

Vor dem Hause des Königs stand der Reisewagen, dessen in dem mit¬
geteilten Briefe des Barons gedacht ist. Kappel band sein Pferd an diesem
Wagen fest und trat in dem Bewußtsein, daß seine bescheidne Person augen¬
blicklich die höchste Wichtigkeit habe, dreist in das Haus. Als er von dem
Posten aufgehalten wurde, erklärte er, er müsse in einer dringenden Angelegen¬
heit den König sprechen. Der Posten wies ihn jedoch an den wachthabenden
Offizier. Aber auch der wollte Kappel nicht zum König lassen und lehnte es
auch ab, den für den König bestimmten Brief zu lesen. Kappel wurde nun
dem in der Nähe wohnenden Generaladjutanten von Krusemark zugeführt.
Der General nahm Kappel an und las den Brief. Nachdem er sich schleunigst
angezogen und den Jäger ermahnt hatte, sich nicht am Fenster sehen zu lassen,
weil er in dem Orte bekannt sei, schloß er ihn in sein Zimmer ein und begab
sich unverzüglich zum König. Nach einer kleinen Weile schon erschien ein
von Krusemark geschickter Offizier, der Kappel befahl, einen mitgebrachten
blauen Rockelor über seine Livree zu ziehn und einen Militärhut aufzusetzen.
Der Offizier führte den so verkleideten Jäger um durch den Garten zum
König, in dessen Zimmer sich auch Krusemark befand. König Friedrich war
in heftiger Erregung und schritt wortlos mit starken Schritten auf und ab.
Endlich verhörte er den Jäger genan und ließ bei dem Berichte seine Augen
anch nicht einen Augenblick von dem Gesichte des Sprechers. Als der Jäger
geendet hatte, entspann sich noch das folgende kurze Zwiegespräch: "Wie
lange dient Er dem Baron?" -- "Acht Jahre lang." -- "Er muß ihm
nicht mehr dienen. Er ist ja wohl aus Mitrowitz? Wessen Untertan?" --
"Des Grafen Wratislaus, in der Nähe von Kolin ansässig." -- "Ich kenne
die Gegend." Darauf trat der König so dicht an Kappel heran, daß dieser
dessen Atem spürte. "Katholisch ist Er? Nicht wahr?" -- "Ja, Majestät." --
"Und sein Herr ist lutherisch?" -- "Ja, Majestät." -- "Nun sieht Er. Jäger,
es gibt uuter allen Religionen ehrliche Leute und Schufte. Die Sache kommt
aber nicht von ihm selbst. Er ist ein bestimmtes Werkzeug für mich, von
höherer Hand abgeschickt und nicht schuld daran. Ich werde Ihn gut aufheben
lassen." -- Kappel wurde nun als wichtigster Zeuge zurückbehalten mit dem
Befehle, daß niemand mit ihm sprechen solle bis auf weitere Order. Am
folgenden Tage wurde er nochmals in Strehlen verhört und dann nach Breslau
abgeführt.




König Friedrich der Große und der Baron warkotsch

endlich dort ein Pferd und jagte mit der Urschrift des Barons in der Tasche
nach des Königs Hauptquartier.

Vor dem Hause des Königs stand der Reisewagen, dessen in dem mit¬
geteilten Briefe des Barons gedacht ist. Kappel band sein Pferd an diesem
Wagen fest und trat in dem Bewußtsein, daß seine bescheidne Person augen¬
blicklich die höchste Wichtigkeit habe, dreist in das Haus. Als er von dem
Posten aufgehalten wurde, erklärte er, er müsse in einer dringenden Angelegen¬
heit den König sprechen. Der Posten wies ihn jedoch an den wachthabenden
Offizier. Aber auch der wollte Kappel nicht zum König lassen und lehnte es
auch ab, den für den König bestimmten Brief zu lesen. Kappel wurde nun
dem in der Nähe wohnenden Generaladjutanten von Krusemark zugeführt.
Der General nahm Kappel an und las den Brief. Nachdem er sich schleunigst
angezogen und den Jäger ermahnt hatte, sich nicht am Fenster sehen zu lassen,
weil er in dem Orte bekannt sei, schloß er ihn in sein Zimmer ein und begab
sich unverzüglich zum König. Nach einer kleinen Weile schon erschien ein
von Krusemark geschickter Offizier, der Kappel befahl, einen mitgebrachten
blauen Rockelor über seine Livree zu ziehn und einen Militärhut aufzusetzen.
Der Offizier führte den so verkleideten Jäger um durch den Garten zum
König, in dessen Zimmer sich auch Krusemark befand. König Friedrich war
in heftiger Erregung und schritt wortlos mit starken Schritten auf und ab.
Endlich verhörte er den Jäger genan und ließ bei dem Berichte seine Augen
anch nicht einen Augenblick von dem Gesichte des Sprechers. Als der Jäger
geendet hatte, entspann sich noch das folgende kurze Zwiegespräch: „Wie
lange dient Er dem Baron?" — „Acht Jahre lang." — „Er muß ihm
nicht mehr dienen. Er ist ja wohl aus Mitrowitz? Wessen Untertan?" —
„Des Grafen Wratislaus, in der Nähe von Kolin ansässig." — „Ich kenne
die Gegend." Darauf trat der König so dicht an Kappel heran, daß dieser
dessen Atem spürte. „Katholisch ist Er? Nicht wahr?" — „Ja, Majestät." —
„Und sein Herr ist lutherisch?" — „Ja, Majestät." — „Nun sieht Er. Jäger,
es gibt uuter allen Religionen ehrliche Leute und Schufte. Die Sache kommt
aber nicht von ihm selbst. Er ist ein bestimmtes Werkzeug für mich, von
höherer Hand abgeschickt und nicht schuld daran. Ich werde Ihn gut aufheben
lassen." — Kappel wurde nun als wichtigster Zeuge zurückbehalten mit dem
Befehle, daß niemand mit ihm sprechen solle bis auf weitere Order. Am
folgenden Tage wurde er nochmals in Strehlen verhört und dann nach Breslau
abgeführt.




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[0109] König Friedrich der Große und der Baron warkotsch endlich dort ein Pferd und jagte mit der Urschrift des Barons in der Tasche nach des Königs Hauptquartier. Vor dem Hause des Königs stand der Reisewagen, dessen in dem mit¬ geteilten Briefe des Barons gedacht ist. Kappel band sein Pferd an diesem Wagen fest und trat in dem Bewußtsein, daß seine bescheidne Person augen¬ blicklich die höchste Wichtigkeit habe, dreist in das Haus. Als er von dem Posten aufgehalten wurde, erklärte er, er müsse in einer dringenden Angelegen¬ heit den König sprechen. Der Posten wies ihn jedoch an den wachthabenden Offizier. Aber auch der wollte Kappel nicht zum König lassen und lehnte es auch ab, den für den König bestimmten Brief zu lesen. Kappel wurde nun dem in der Nähe wohnenden Generaladjutanten von Krusemark zugeführt. Der General nahm Kappel an und las den Brief. Nachdem er sich schleunigst angezogen und den Jäger ermahnt hatte, sich nicht am Fenster sehen zu lassen, weil er in dem Orte bekannt sei, schloß er ihn in sein Zimmer ein und begab sich unverzüglich zum König. Nach einer kleinen Weile schon erschien ein von Krusemark geschickter Offizier, der Kappel befahl, einen mitgebrachten blauen Rockelor über seine Livree zu ziehn und einen Militärhut aufzusetzen. Der Offizier führte den so verkleideten Jäger um durch den Garten zum König, in dessen Zimmer sich auch Krusemark befand. König Friedrich war in heftiger Erregung und schritt wortlos mit starken Schritten auf und ab. Endlich verhörte er den Jäger genan und ließ bei dem Berichte seine Augen anch nicht einen Augenblick von dem Gesichte des Sprechers. Als der Jäger geendet hatte, entspann sich noch das folgende kurze Zwiegespräch: „Wie lange dient Er dem Baron?" — „Acht Jahre lang." — „Er muß ihm nicht mehr dienen. Er ist ja wohl aus Mitrowitz? Wessen Untertan?" — „Des Grafen Wratislaus, in der Nähe von Kolin ansässig." — „Ich kenne die Gegend." Darauf trat der König so dicht an Kappel heran, daß dieser dessen Atem spürte. „Katholisch ist Er? Nicht wahr?" — „Ja, Majestät." — „Und sein Herr ist lutherisch?" — „Ja, Majestät." — „Nun sieht Er. Jäger, es gibt uuter allen Religionen ehrliche Leute und Schufte. Die Sache kommt aber nicht von ihm selbst. Er ist ein bestimmtes Werkzeug für mich, von höherer Hand abgeschickt und nicht schuld daran. Ich werde Ihn gut aufheben lassen." — Kappel wurde nun als wichtigster Zeuge zurückbehalten mit dem Befehle, daß niemand mit ihm sprechen solle bis auf weitere Order. Am folgenden Tage wurde er nochmals in Strehlen verhört und dann nach Breslau abgeführt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/109>, abgerufen am 24.07.2024.