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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch

falsche Fährte zu leiten. Aber er erreichte, wie bald zu bemerken sein wird,
nur das Gegenteil.

Der Baron bedürfte, da er mit seiner Person ja nicht hervortreten wollte,
eines unbedenklichen Zwischenträgers. Den fand er in der Person des katho¬
lischen Geistlichen Franz Schmidt, der erst seit April 1761 in dem von Schön-
brunn nicht weit entfernten Dorfe Siebenhufeu, Amtes Priborn, als Kuratus
angestellt war. Wir wissen von diesem Schmidt nicht viel. Er war der Sohn
eines ehrsamen Backermeisters aus Reiße. Der eigne Vater bezeichnete ihn
später vor Gericht als einen schlechten und undankbaren Sohn, der sich gegen
die Eltern stolz und hofsärtig betragen und sich ihrer geschämt habe. Wann
Warkotsch den Verkehr mit Schmidt angefangen hat, ist nicht mehr zu ermitteln,
aber es war natürlich, daß die beiden Verschwörer nun immer häufiger Zusammen¬
künfte hatten und auch brieflich miteinander viel verkehrten. Nach jedem Be¬
suche, deu Warkotsch in Woiselwitz abstattete, mußte Kappel mit einem immer
versiegelten Briefe ohne Aufschrift zu Schmidt nach Siebenhufeu reiten. Die
Antwort brachte der Kurat immer selbst nach Schönbrunn. Der Jäger faßte
deswegen Mißtrauen, und es wuchs noch durch die Wahrnehmung, daß der
Baron, der ihn bisher sehr rauh behandelt hatte, seit dem Besuche des Königs
in Schönbrunn ganz umgewandelt gegen ihn war und ihn sichtbar bevorzugte.
Die häufigen Besuche des Barons in Woiselwitz gaben ihm zu denken. Aber
er wurde immer wieder schwenkend, wenn er deu freundschaftlichen Verkehr
erwog, den Warkotsch mit preußischen Offizieren usw. unterhielt, und die offen¬
kundige Gnade des Königs bedachte. Auffällig erschien ihm jedoch wieder die
Tatsache, daß sich der Kurat Schmidt bei den Gegenbesuchen preußischer Offi¬
ziere jedesmal schleunigst entfernte. Während ein preußischer Major einmal
im Schlosse war, sprach der Baron mit Schmidt sogar heimlich hinter der
Gartenmauer und ließ ihn nicht ins Haus. Kappel mußte den Kuraten ferner
dreimal ins Freie, an einen sehr einsamen und gemiednen Ort, zu den soge¬
nannten "Pfarrerlen", zu einer Unterredung bestellen. Freilich suchte Warkotsch
das dem Jäger mit dem Hinweis zu erkläre", der Umgang mit dem katholischen
Geistlichen könne ihm, als einem protestantischen Edelmanne, leicht verdacht
werden. Aber er vermochte das Mißtrauen des Jägers dadurch nicht einzu¬
schläfern. Wohl konnte Kappel nicht ahnen, gegen wen ein etwaiger Anschlag
geplant werde, aber er fühlte, daß irgend etwas Gefährliches im Werke sei, und
es mochte ihm auch wohl die ungeschützte Lage des Königs in den Sinn
kommen. Da aber alle Beweise fehlten, konnte er nichts tun als die Augen
und Ohren offen halten und abwarten.

Eine unmittelbare Verbindung mit einem österreichischen Offizier hatten
jedoch weder Warkotsch noch Schmidt. Es blieb ihnen also nichts übrig, als
einen Brief, der die exponierte Lage des königlichen Hauptquartiers schilderte
und zum Versuch eines Überfalls anregte, unmittelbar an den bei Wartha
kommandierender österreichischen General ohne namentliche Adresse zu senden.


Grenzboten I 1907 13
König Friedrich der Große und der Baron Warkotsch

falsche Fährte zu leiten. Aber er erreichte, wie bald zu bemerken sein wird,
nur das Gegenteil.

Der Baron bedürfte, da er mit seiner Person ja nicht hervortreten wollte,
eines unbedenklichen Zwischenträgers. Den fand er in der Person des katho¬
lischen Geistlichen Franz Schmidt, der erst seit April 1761 in dem von Schön-
brunn nicht weit entfernten Dorfe Siebenhufeu, Amtes Priborn, als Kuratus
angestellt war. Wir wissen von diesem Schmidt nicht viel. Er war der Sohn
eines ehrsamen Backermeisters aus Reiße. Der eigne Vater bezeichnete ihn
später vor Gericht als einen schlechten und undankbaren Sohn, der sich gegen
die Eltern stolz und hofsärtig betragen und sich ihrer geschämt habe. Wann
Warkotsch den Verkehr mit Schmidt angefangen hat, ist nicht mehr zu ermitteln,
aber es war natürlich, daß die beiden Verschwörer nun immer häufiger Zusammen¬
künfte hatten und auch brieflich miteinander viel verkehrten. Nach jedem Be¬
suche, deu Warkotsch in Woiselwitz abstattete, mußte Kappel mit einem immer
versiegelten Briefe ohne Aufschrift zu Schmidt nach Siebenhufeu reiten. Die
Antwort brachte der Kurat immer selbst nach Schönbrunn. Der Jäger faßte
deswegen Mißtrauen, und es wuchs noch durch die Wahrnehmung, daß der
Baron, der ihn bisher sehr rauh behandelt hatte, seit dem Besuche des Königs
in Schönbrunn ganz umgewandelt gegen ihn war und ihn sichtbar bevorzugte.
Die häufigen Besuche des Barons in Woiselwitz gaben ihm zu denken. Aber
er wurde immer wieder schwenkend, wenn er deu freundschaftlichen Verkehr
erwog, den Warkotsch mit preußischen Offizieren usw. unterhielt, und die offen¬
kundige Gnade des Königs bedachte. Auffällig erschien ihm jedoch wieder die
Tatsache, daß sich der Kurat Schmidt bei den Gegenbesuchen preußischer Offi¬
ziere jedesmal schleunigst entfernte. Während ein preußischer Major einmal
im Schlosse war, sprach der Baron mit Schmidt sogar heimlich hinter der
Gartenmauer und ließ ihn nicht ins Haus. Kappel mußte den Kuraten ferner
dreimal ins Freie, an einen sehr einsamen und gemiednen Ort, zu den soge¬
nannten „Pfarrerlen", zu einer Unterredung bestellen. Freilich suchte Warkotsch
das dem Jäger mit dem Hinweis zu erkläre», der Umgang mit dem katholischen
Geistlichen könne ihm, als einem protestantischen Edelmanne, leicht verdacht
werden. Aber er vermochte das Mißtrauen des Jägers dadurch nicht einzu¬
schläfern. Wohl konnte Kappel nicht ahnen, gegen wen ein etwaiger Anschlag
geplant werde, aber er fühlte, daß irgend etwas Gefährliches im Werke sei, und
es mochte ihm auch wohl die ungeschützte Lage des Königs in den Sinn
kommen. Da aber alle Beweise fehlten, konnte er nichts tun als die Augen
und Ohren offen halten und abwarten.

Eine unmittelbare Verbindung mit einem österreichischen Offizier hatten
jedoch weder Warkotsch noch Schmidt. Es blieb ihnen also nichts übrig, als
einen Brief, der die exponierte Lage des königlichen Hauptquartiers schilderte
und zum Versuch eines Überfalls anregte, unmittelbar an den bei Wartha
kommandierender österreichischen General ohne namentliche Adresse zu senden.


Grenzboten I 1907 13
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/105>, abgerufen am 24.07.2024.