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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Am Sonntag, dem 27. November Mittags kam Bismarck zum Großherzog,
um sich mit ihm über die Mission Holnstein zu besprechen. Lorenz berichtet a. a. O.
S. 420: "Bei einer Zigarre war der Kanzler gesprächiger und aufgeräumter
als seit lange." Der Großherzog referierte über sein Schreiben an den König
und über Gelzers Berichte, Bismarck äußerte sich sehr befriedigt über das, was
geschehen war. Da Graf Holnstein eine Vorlage wünsche, wie der König zu
schreiben habe, sei es am besten, ihm ein Formular als Anhaltpunkt für den
König mitzugeben, damit dieser seinen Antrag danach gestalte. Das werde am
besten durch einen Brief des Königs Ludwig an Seine Majestät den König
Wilhelm geschehen. Er habe dem Grafen Holnstein schon gesagt, der Antrag
könne brieflich, ja sogar telegraphisch gestellt werden. Nur sei wünschenswert, daß
es recht bald geschehe, damit die Sache noch diesem Reichstage vorgelegt werden
könne. Der weitere Verlauf ist bekannt. Nach einer Aufzeichnung der Frau von
Kobell äußerte Graf Holnstein zum Kanzler: "Wissens was, Exzellenz, Schreibens
gleich selbst einen Brief auf, so wie er sein soll, sonst gibts Hintennach doch
wieder Anstand." Bismarck entwarf das Konzept zu dem historisch denkwürdigen
Briefe des Königs Ludwig an König Wilhelm und fügte außerdem noch ein
persönliches Schreiben") an den König hinzu. Mit beiden reiste Graf Holnstein
in größter Eile noch am Abend desselben Tages (27. November) nach Hohen-
schwangau ab, der König empfing ihn nach seinem Eintreffen am 30. November
sofort, schrieb den Brief ab, und am 2. Dezember war Graf Holnstein wieder
in Versailles. Prinz Luitpold konnte am folgenden Tage dem König Wilhelm
das Schreiben überreichen. Der König las den Brief und bemerkte darauf zum
Prinzen Luitpold, der Antrag überrasche ihn sehr, vom König von Bayern
habe er ihn am wenigsten erwartet, da ja die Verhandlungen erwiesen hätten,
wie schwer der König und seine Regierung sich entschlössen, in den neuen
deutschen Bund einzutreten. Er wolle den Brief demnächst beantworten und
den Antrag des Königs annehmen, sobald er von allen deutschen Fürsten ge¬
meinschaftlich gestellt sein werde. Er hoffe, daß daraus ein festes Band der
deutschen Einigung erwachse, dies sei um so nötiger, als man ja wisse, daß
doch nur Baden mit vollem Entgegenkommen das Einigungswerk ermöglichen
wolle. Mit freundlichen und anerkennenden Worten für die Person des Königs
schloß die Audienz.

Es war der Geburtstag der Großherzogin. Am Abend nach der königlichen
Tafel verabredete Bismarck mit dem Großherzog, daß dieser nun sogleich die
Zustimmung der Bundesfürsten einholen möge. König Ludwig hatte jedoch zu¬
gleich an sämtliche deutsche Fürsten ein längeres Zirkularschreiben richten lassen,
das sich durch einen warmen und schwungvollen Ton auszeichnet, während das
von Bismarck entworfne Schreiben an König Wilhelm nicht anders als knapp
und geschäftsmäßig sein konnte. Dieses Zirkularschreiben beantworteten die in



Ist im Jahre 1898 veröffentlicht worden.
Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Am Sonntag, dem 27. November Mittags kam Bismarck zum Großherzog,
um sich mit ihm über die Mission Holnstein zu besprechen. Lorenz berichtet a. a. O.
S. 420: „Bei einer Zigarre war der Kanzler gesprächiger und aufgeräumter
als seit lange." Der Großherzog referierte über sein Schreiben an den König
und über Gelzers Berichte, Bismarck äußerte sich sehr befriedigt über das, was
geschehen war. Da Graf Holnstein eine Vorlage wünsche, wie der König zu
schreiben habe, sei es am besten, ihm ein Formular als Anhaltpunkt für den
König mitzugeben, damit dieser seinen Antrag danach gestalte. Das werde am
besten durch einen Brief des Königs Ludwig an Seine Majestät den König
Wilhelm geschehen. Er habe dem Grafen Holnstein schon gesagt, der Antrag
könne brieflich, ja sogar telegraphisch gestellt werden. Nur sei wünschenswert, daß
es recht bald geschehe, damit die Sache noch diesem Reichstage vorgelegt werden
könne. Der weitere Verlauf ist bekannt. Nach einer Aufzeichnung der Frau von
Kobell äußerte Graf Holnstein zum Kanzler: „Wissens was, Exzellenz, Schreibens
gleich selbst einen Brief auf, so wie er sein soll, sonst gibts Hintennach doch
wieder Anstand." Bismarck entwarf das Konzept zu dem historisch denkwürdigen
Briefe des Königs Ludwig an König Wilhelm und fügte außerdem noch ein
persönliches Schreiben") an den König hinzu. Mit beiden reiste Graf Holnstein
in größter Eile noch am Abend desselben Tages (27. November) nach Hohen-
schwangau ab, der König empfing ihn nach seinem Eintreffen am 30. November
sofort, schrieb den Brief ab, und am 2. Dezember war Graf Holnstein wieder
in Versailles. Prinz Luitpold konnte am folgenden Tage dem König Wilhelm
das Schreiben überreichen. Der König las den Brief und bemerkte darauf zum
Prinzen Luitpold, der Antrag überrasche ihn sehr, vom König von Bayern
habe er ihn am wenigsten erwartet, da ja die Verhandlungen erwiesen hätten,
wie schwer der König und seine Regierung sich entschlössen, in den neuen
deutschen Bund einzutreten. Er wolle den Brief demnächst beantworten und
den Antrag des Königs annehmen, sobald er von allen deutschen Fürsten ge¬
meinschaftlich gestellt sein werde. Er hoffe, daß daraus ein festes Band der
deutschen Einigung erwachse, dies sei um so nötiger, als man ja wisse, daß
doch nur Baden mit vollem Entgegenkommen das Einigungswerk ermöglichen
wolle. Mit freundlichen und anerkennenden Worten für die Person des Königs
schloß die Audienz.

Es war der Geburtstag der Großherzogin. Am Abend nach der königlichen
Tafel verabredete Bismarck mit dem Großherzog, daß dieser nun sogleich die
Zustimmung der Bundesfürsten einholen möge. König Ludwig hatte jedoch zu¬
gleich an sämtliche deutsche Fürsten ein längeres Zirkularschreiben richten lassen,
das sich durch einen warmen und schwungvollen Ton auszeichnet, während das
von Bismarck entworfne Schreiben an König Wilhelm nicht anders als knapp
und geschäftsmäßig sein konnte. Dieses Zirkularschreiben beantworteten die in



Ist im Jahre 1898 veröffentlicht worden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/88>, abgerufen am 25.08.2024.