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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Die Entwicklung der optischen Telegraphie

Eine Feuertelegraphie, wie sie hier geschildert wird, die freilich insofern
sehr unvollkommen ist, als sie nur eine bestimmte, vorher verabredete Nachricht
zu übermitteln erlaubt, finden wir im Altertum noch mannigfach erwähnt.
Thucydides und Polybius kennen solche Feuersignale, in Hannibals Feldzügen
spielen die Alarmfeuer eine nicht geringe Rolle, und auch von den alten
Schotten und Germanen sind Nachrichten überliefert, wonach sie Feuerzeichen
zur raschen Übermittlung wichtiger Botschaften benutzten. Der Gedanke ist ja
auch einfach genug, daß jedes halbwegs intelligente Volk unabhängig auf solche
Signalkundgebungen verfallen mußte, wie dies auch in unsern Tagen bei
wilden und halbwilden Völkerschaften noch beobachtet werden kann. In ebnem,
waldigen Terrain, wo Feuersignale keinen Wert haben, bedienen sich manche
Völker auch eines akustischen Telegraphen. In den Seitentälern des obern
Amazonenstroms z. B., wo der Verkehr zwischen den einzelnen Ansiedlungen durch
dichte Urwälder stark erschwert wird, bedienen sich die sonst noch recht wenig
kultivierten Indianer zur raschen Nachrichtenübermittlung gewaltiger Lärm-
instrumentc, einer Art von Gong größten Umfangs.

Eine systematische Ausbildung von Feuersignalen über mehrere Stationen
hinweg zu einer ganzen Telegraphenlinie, wie sie in der mitgeteilten Stelle
aus Äschylus geschildert ist, findet sich freilich im ganzen Altertum nicht wieder.
Daß das Altertum auch sonst die Lichtsignale vorteilhaft zu verwenden wußte,
beweist die Tatsache, daß der erste Leuchtturm, der Pharus von Alexandria,
schon um 300 v. Chr. Geburt errichtet wurde.*) Flaggensignale im Kampf
wurden schon von Alexander dem Großen verwandt; akustische Signale, wie
Horn- und Tubarufe, waren speziell zu militärischen Zwecken natürlich auch schon
seit alter Zeit im Gebrauch. Sogar unsre Semaphoren waren den Alten schon
bekannt, denn Vegetius berichtet, daß an den Warttürmen befestigter Plätze
gelegentlich Balken angebracht wurden, durch deren senkrechte oder wagerechte
Stellung man Nachrichten übertrug.

Aber noch weit moderner mutet die Idee eines vollständigen Tclegraphier-
systems an, das um die Mitte des fünften Jahrhunderts vor unsrer Zeitrechnung
von zwei Hellenen namens Kleoxenos und Demokleitos erdacht worden ist.
Nach dieser Idee wurden die Buchstaben des griechischen Alphabets auf fünf
Tafeln fest verteilt; durch Erheben von Fackeln zur Nachtzeit nach links oder
rechts sollte dann zunächst die Nummer der jeweilig gewünschten Tafel und
weiterhin die Nummer des jeweiligen Buchstabens auf dieser Tafel telegraphiert
werden. Mit Hilfe dieses Systems mußte es tatsächlich möglich sein, richtig
Zu telegraphieren und sich von den bloßen Signalzeichen für vorher verabredete



^) Nach Veitmeyer (Leuchtfeuer und Leuchtapparate, München und Leipzig, 1900)
dürfte der Pharos freilich nur als Tageszeichen für die Schiffahrt gedient haben, um den Ein¬
gang zum Hafen zu bezeichnen. Zum Leuchtturm scheint er erst im ersten Jahrhundert n. Chr.
Geburt durch die Römer umgewandelt worden zu sein, die auch anderweitig viele Leuchttürme
errichteten.
Die Entwicklung der optischen Telegraphie

Eine Feuertelegraphie, wie sie hier geschildert wird, die freilich insofern
sehr unvollkommen ist, als sie nur eine bestimmte, vorher verabredete Nachricht
zu übermitteln erlaubt, finden wir im Altertum noch mannigfach erwähnt.
Thucydides und Polybius kennen solche Feuersignale, in Hannibals Feldzügen
spielen die Alarmfeuer eine nicht geringe Rolle, und auch von den alten
Schotten und Germanen sind Nachrichten überliefert, wonach sie Feuerzeichen
zur raschen Übermittlung wichtiger Botschaften benutzten. Der Gedanke ist ja
auch einfach genug, daß jedes halbwegs intelligente Volk unabhängig auf solche
Signalkundgebungen verfallen mußte, wie dies auch in unsern Tagen bei
wilden und halbwilden Völkerschaften noch beobachtet werden kann. In ebnem,
waldigen Terrain, wo Feuersignale keinen Wert haben, bedienen sich manche
Völker auch eines akustischen Telegraphen. In den Seitentälern des obern
Amazonenstroms z. B., wo der Verkehr zwischen den einzelnen Ansiedlungen durch
dichte Urwälder stark erschwert wird, bedienen sich die sonst noch recht wenig
kultivierten Indianer zur raschen Nachrichtenübermittlung gewaltiger Lärm-
instrumentc, einer Art von Gong größten Umfangs.

Eine systematische Ausbildung von Feuersignalen über mehrere Stationen
hinweg zu einer ganzen Telegraphenlinie, wie sie in der mitgeteilten Stelle
aus Äschylus geschildert ist, findet sich freilich im ganzen Altertum nicht wieder.
Daß das Altertum auch sonst die Lichtsignale vorteilhaft zu verwenden wußte,
beweist die Tatsache, daß der erste Leuchtturm, der Pharus von Alexandria,
schon um 300 v. Chr. Geburt errichtet wurde.*) Flaggensignale im Kampf
wurden schon von Alexander dem Großen verwandt; akustische Signale, wie
Horn- und Tubarufe, waren speziell zu militärischen Zwecken natürlich auch schon
seit alter Zeit im Gebrauch. Sogar unsre Semaphoren waren den Alten schon
bekannt, denn Vegetius berichtet, daß an den Warttürmen befestigter Plätze
gelegentlich Balken angebracht wurden, durch deren senkrechte oder wagerechte
Stellung man Nachrichten übertrug.

Aber noch weit moderner mutet die Idee eines vollständigen Tclegraphier-
systems an, das um die Mitte des fünften Jahrhunderts vor unsrer Zeitrechnung
von zwei Hellenen namens Kleoxenos und Demokleitos erdacht worden ist.
Nach dieser Idee wurden die Buchstaben des griechischen Alphabets auf fünf
Tafeln fest verteilt; durch Erheben von Fackeln zur Nachtzeit nach links oder
rechts sollte dann zunächst die Nummer der jeweilig gewünschten Tafel und
weiterhin die Nummer des jeweiligen Buchstabens auf dieser Tafel telegraphiert
werden. Mit Hilfe dieses Systems mußte es tatsächlich möglich sein, richtig
Zu telegraphieren und sich von den bloßen Signalzeichen für vorher verabredete



^) Nach Veitmeyer (Leuchtfeuer und Leuchtapparate, München und Leipzig, 1900)
dürfte der Pharos freilich nur als Tageszeichen für die Schiffahrt gedient haben, um den Ein¬
gang zum Hafen zu bezeichnen. Zum Leuchtturm scheint er erst im ersten Jahrhundert n. Chr.
Geburt durch die Römer umgewandelt worden zu sein, die auch anderweitig viele Leuchttürme
errichteten.
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[0585] Die Entwicklung der optischen Telegraphie Eine Feuertelegraphie, wie sie hier geschildert wird, die freilich insofern sehr unvollkommen ist, als sie nur eine bestimmte, vorher verabredete Nachricht zu übermitteln erlaubt, finden wir im Altertum noch mannigfach erwähnt. Thucydides und Polybius kennen solche Feuersignale, in Hannibals Feldzügen spielen die Alarmfeuer eine nicht geringe Rolle, und auch von den alten Schotten und Germanen sind Nachrichten überliefert, wonach sie Feuerzeichen zur raschen Übermittlung wichtiger Botschaften benutzten. Der Gedanke ist ja auch einfach genug, daß jedes halbwegs intelligente Volk unabhängig auf solche Signalkundgebungen verfallen mußte, wie dies auch in unsern Tagen bei wilden und halbwilden Völkerschaften noch beobachtet werden kann. In ebnem, waldigen Terrain, wo Feuersignale keinen Wert haben, bedienen sich manche Völker auch eines akustischen Telegraphen. In den Seitentälern des obern Amazonenstroms z. B., wo der Verkehr zwischen den einzelnen Ansiedlungen durch dichte Urwälder stark erschwert wird, bedienen sich die sonst noch recht wenig kultivierten Indianer zur raschen Nachrichtenübermittlung gewaltiger Lärm- instrumentc, einer Art von Gong größten Umfangs. Eine systematische Ausbildung von Feuersignalen über mehrere Stationen hinweg zu einer ganzen Telegraphenlinie, wie sie in der mitgeteilten Stelle aus Äschylus geschildert ist, findet sich freilich im ganzen Altertum nicht wieder. Daß das Altertum auch sonst die Lichtsignale vorteilhaft zu verwenden wußte, beweist die Tatsache, daß der erste Leuchtturm, der Pharus von Alexandria, schon um 300 v. Chr. Geburt errichtet wurde.*) Flaggensignale im Kampf wurden schon von Alexander dem Großen verwandt; akustische Signale, wie Horn- und Tubarufe, waren speziell zu militärischen Zwecken natürlich auch schon seit alter Zeit im Gebrauch. Sogar unsre Semaphoren waren den Alten schon bekannt, denn Vegetius berichtet, daß an den Warttürmen befestigter Plätze gelegentlich Balken angebracht wurden, durch deren senkrechte oder wagerechte Stellung man Nachrichten übertrug. Aber noch weit moderner mutet die Idee eines vollständigen Tclegraphier- systems an, das um die Mitte des fünften Jahrhunderts vor unsrer Zeitrechnung von zwei Hellenen namens Kleoxenos und Demokleitos erdacht worden ist. Nach dieser Idee wurden die Buchstaben des griechischen Alphabets auf fünf Tafeln fest verteilt; durch Erheben von Fackeln zur Nachtzeit nach links oder rechts sollte dann zunächst die Nummer der jeweilig gewünschten Tafel und weiterhin die Nummer des jeweiligen Buchstabens auf dieser Tafel telegraphiert werden. Mit Hilfe dieses Systems mußte es tatsächlich möglich sein, richtig Zu telegraphieren und sich von den bloßen Signalzeichen für vorher verabredete ^) Nach Veitmeyer (Leuchtfeuer und Leuchtapparate, München und Leipzig, 1900) dürfte der Pharos freilich nur als Tageszeichen für die Schiffahrt gedient haben, um den Ein¬ gang zum Hafen zu bezeichnen. Zum Leuchtturm scheint er erst im ersten Jahrhundert n. Chr. Geburt durch die Römer umgewandelt worden zu sein, die auch anderweitig viele Leuchttürme errichteten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/585>, abgerufen am 23.07.2024.