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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unniaßgebliches

befreiend, daß im Reichstage der Eindruck der Tat, nicht die Redegeschicklichkeit
allein gesiegt hatte. Und unter solchem Eindruck wurde zu einem Akt vertrauen¬
erweckender Klugheit, was sonst wohl Unbehagen erregt hätte, daß nämlich Herr
Dernburg kein eignes Programm aufstellte.

Freilich hatte er Denkschriften vorgelegt, die als Programm aufgefaßt wurden,
worüber die Kritik leidenschaftlich genug herfiel. Man kann darüber streiten, ob es
richtig war, diese Denkschriften vorzulegen, ehe der Reichstag eine bestimmtere Vor¬
stellung von Persönlichkeit und Absichten des neuen Kolonialdirektors gewonnen
hatte. Sie mögen auch in Einzelheiten anfechtbar sein. Aber der Grundgedanke,
eine "Inventur" aufzustellen, war doch zu billigen. Richtig war auch der Gedanke,
die wirtschaftlichen Werte einmal losgelöst von den Aufwendungen zu betrachten,
die in den Schutzgebieten einstweilen noch zur Sicherung von Leben und Eigentum
gemacht werden müssen. Denn entscheidend für wirtschaftliche Unternehmungen in
den Kolonien und für die Beurteilung der Bedeutung unsrer Schutzgebiete sind doch
nur die Fragen, die Dernburg seiner Inventur zugrunde gelegt hat, mag man ihre
Zahlen auch prüfen und ändern, soviel man will. Der Weg ist damit gezeigt, auf
dem unsre Kapitalisten zu andern Unterlagen für ihr Urteil gelangen können als
den bisherigen, die zwischen dilettantischen Schätzungen und den ewigen Unterbilanzen
unsrer Kolonialetats hin und her schwanken.

Einen weitern Vorteil verspricht uns der Verlauf der letzten Kolonialdebatten.
Wir werden nun hoffentlich aus der Ära der Enthüllungen und Skandale heraus¬
kommen. Wenn begangne Fehler ehrlich eingestanden, Verbrechen und Mißstände
gründlich untersucht werden, im übrigen aber ein klar vorgezeichueter Weg mit
Festigkeit innegehalten wird, so kann es sich nicht wiederholen, daß die Verfehlungen
einzelner Beamten in einer Weise, die gewissen Parteien und Persönlichkeiten zum
Nutzen dient, die gemeinsame Sache aber schwer schädigt, aufgebauscht und aus¬
gebeutet werdeu. Schon diesmal hatte das geschickte Auftrete" des Reichskanzlers
und des Kolonialdirektors dem Zentrum, das einen sehr ernsten Angriff gerüstet
hatte, die Waffen aus der Hand genommen. Das hatte die Wirkung, daß die
Taktik geändert wurde. Herr Erzberger beschränkte sich auf die Kritik einzelner
Fälle und bestimmter Ungehörigkeiten und reichte der neuen Verwaltung die Hand
zum Frieden. Vorher hatte schon Dr. Sabatier, der Bamberger Domherr, der die
bayrische Gruppe des Zentrums im Reichstag anführt, einen großen Abschnitt seiner
Rede dem Nachweis gewidmet, daß seine Partei nicht koloninlfeindlich sei. Die
Sozialdemokratie blieb freilich der alten Rolle getreu, verneinend und unfruchtbar
wie immer, kümmerlich in dem Komposthaufen alter, zum Teil verjährter Skandal¬
fälle und unkontrollierbarer Klatschgeschichten herumscharrend. Weder die geifernde,
tobende Beredsamkeit des alten Bebel noch das unerträgliche falsche Pathos des
Genossen Ledebour konnte auch nur den geringsten Erfolg ausweisen. Auch die
Freisinnigen spielten eine klägliche Rolle. Sie wußte" sich nicht, wie sogar Herr
Erzberger, der Lage anzupassen, Ihre Angriffe erinnerten darum an den sinn¬
reichen Edeln von La Mancha. In ihrer Presse hatten wir monatelang von dem
"Panama" unsrer Kolonialpolitik, von der gänzlichen Durchseuchung unsrer kolo¬
nialen Beamtenschaft, von der abgrundtiefen Korruption der Kolonialverwaltung ge¬
lesen. Als sich jetzt Fürst Bülow energisch gegen solche Verallgemeinerungen ver¬
wahrte, wußten sie nichts mehr davon; nie sei ihnen dergleichen eingefallen, sie
hätten immer mir einzelne gemeint. Dabei waren doch auch ihre letzten Reden ganz
auf den Ton der Verallgemeinerung abgestimmt und zudem reichlich mit recht leicht¬
fertig zusammengestellten Klatschgeschichten aufgeputzt. Sie konnten daher gegen die
ernsthaftem Eindrücke der Debatte nicht aufkommen.

Wir haben also Anlaß, ans den Eintritt besserer Zeiten in der Kolonialpolitik
zu hoffen. Fürst Bülow hat in geschickter Rede den Zusammenhang dieser neuen Ära


Maßgebliches und Unniaßgebliches

befreiend, daß im Reichstage der Eindruck der Tat, nicht die Redegeschicklichkeit
allein gesiegt hatte. Und unter solchem Eindruck wurde zu einem Akt vertrauen¬
erweckender Klugheit, was sonst wohl Unbehagen erregt hätte, daß nämlich Herr
Dernburg kein eignes Programm aufstellte.

Freilich hatte er Denkschriften vorgelegt, die als Programm aufgefaßt wurden,
worüber die Kritik leidenschaftlich genug herfiel. Man kann darüber streiten, ob es
richtig war, diese Denkschriften vorzulegen, ehe der Reichstag eine bestimmtere Vor¬
stellung von Persönlichkeit und Absichten des neuen Kolonialdirektors gewonnen
hatte. Sie mögen auch in Einzelheiten anfechtbar sein. Aber der Grundgedanke,
eine „Inventur" aufzustellen, war doch zu billigen. Richtig war auch der Gedanke,
die wirtschaftlichen Werte einmal losgelöst von den Aufwendungen zu betrachten,
die in den Schutzgebieten einstweilen noch zur Sicherung von Leben und Eigentum
gemacht werden müssen. Denn entscheidend für wirtschaftliche Unternehmungen in
den Kolonien und für die Beurteilung der Bedeutung unsrer Schutzgebiete sind doch
nur die Fragen, die Dernburg seiner Inventur zugrunde gelegt hat, mag man ihre
Zahlen auch prüfen und ändern, soviel man will. Der Weg ist damit gezeigt, auf
dem unsre Kapitalisten zu andern Unterlagen für ihr Urteil gelangen können als
den bisherigen, die zwischen dilettantischen Schätzungen und den ewigen Unterbilanzen
unsrer Kolonialetats hin und her schwanken.

Einen weitern Vorteil verspricht uns der Verlauf der letzten Kolonialdebatten.
Wir werden nun hoffentlich aus der Ära der Enthüllungen und Skandale heraus¬
kommen. Wenn begangne Fehler ehrlich eingestanden, Verbrechen und Mißstände
gründlich untersucht werden, im übrigen aber ein klar vorgezeichueter Weg mit
Festigkeit innegehalten wird, so kann es sich nicht wiederholen, daß die Verfehlungen
einzelner Beamten in einer Weise, die gewissen Parteien und Persönlichkeiten zum
Nutzen dient, die gemeinsame Sache aber schwer schädigt, aufgebauscht und aus¬
gebeutet werdeu. Schon diesmal hatte das geschickte Auftrete» des Reichskanzlers
und des Kolonialdirektors dem Zentrum, das einen sehr ernsten Angriff gerüstet
hatte, die Waffen aus der Hand genommen. Das hatte die Wirkung, daß die
Taktik geändert wurde. Herr Erzberger beschränkte sich auf die Kritik einzelner
Fälle und bestimmter Ungehörigkeiten und reichte der neuen Verwaltung die Hand
zum Frieden. Vorher hatte schon Dr. Sabatier, der Bamberger Domherr, der die
bayrische Gruppe des Zentrums im Reichstag anführt, einen großen Abschnitt seiner
Rede dem Nachweis gewidmet, daß seine Partei nicht koloninlfeindlich sei. Die
Sozialdemokratie blieb freilich der alten Rolle getreu, verneinend und unfruchtbar
wie immer, kümmerlich in dem Komposthaufen alter, zum Teil verjährter Skandal¬
fälle und unkontrollierbarer Klatschgeschichten herumscharrend. Weder die geifernde,
tobende Beredsamkeit des alten Bebel noch das unerträgliche falsche Pathos des
Genossen Ledebour konnte auch nur den geringsten Erfolg ausweisen. Auch die
Freisinnigen spielten eine klägliche Rolle. Sie wußte» sich nicht, wie sogar Herr
Erzberger, der Lage anzupassen, Ihre Angriffe erinnerten darum an den sinn¬
reichen Edeln von La Mancha. In ihrer Presse hatten wir monatelang von dem
„Panama" unsrer Kolonialpolitik, von der gänzlichen Durchseuchung unsrer kolo¬
nialen Beamtenschaft, von der abgrundtiefen Korruption der Kolonialverwaltung ge¬
lesen. Als sich jetzt Fürst Bülow energisch gegen solche Verallgemeinerungen ver¬
wahrte, wußten sie nichts mehr davon; nie sei ihnen dergleichen eingefallen, sie
hätten immer mir einzelne gemeint. Dabei waren doch auch ihre letzten Reden ganz
auf den Ton der Verallgemeinerung abgestimmt und zudem reichlich mit recht leicht¬
fertig zusammengestellten Klatschgeschichten aufgeputzt. Sie konnten daher gegen die
ernsthaftem Eindrücke der Debatte nicht aufkommen.

Wir haben also Anlaß, ans den Eintritt besserer Zeiten in der Kolonialpolitik
zu hoffen. Fürst Bülow hat in geschickter Rede den Zusammenhang dieser neuen Ära


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[0568] Maßgebliches und Unniaßgebliches befreiend, daß im Reichstage der Eindruck der Tat, nicht die Redegeschicklichkeit allein gesiegt hatte. Und unter solchem Eindruck wurde zu einem Akt vertrauen¬ erweckender Klugheit, was sonst wohl Unbehagen erregt hätte, daß nämlich Herr Dernburg kein eignes Programm aufstellte. Freilich hatte er Denkschriften vorgelegt, die als Programm aufgefaßt wurden, worüber die Kritik leidenschaftlich genug herfiel. Man kann darüber streiten, ob es richtig war, diese Denkschriften vorzulegen, ehe der Reichstag eine bestimmtere Vor¬ stellung von Persönlichkeit und Absichten des neuen Kolonialdirektors gewonnen hatte. Sie mögen auch in Einzelheiten anfechtbar sein. Aber der Grundgedanke, eine „Inventur" aufzustellen, war doch zu billigen. Richtig war auch der Gedanke, die wirtschaftlichen Werte einmal losgelöst von den Aufwendungen zu betrachten, die in den Schutzgebieten einstweilen noch zur Sicherung von Leben und Eigentum gemacht werden müssen. Denn entscheidend für wirtschaftliche Unternehmungen in den Kolonien und für die Beurteilung der Bedeutung unsrer Schutzgebiete sind doch nur die Fragen, die Dernburg seiner Inventur zugrunde gelegt hat, mag man ihre Zahlen auch prüfen und ändern, soviel man will. Der Weg ist damit gezeigt, auf dem unsre Kapitalisten zu andern Unterlagen für ihr Urteil gelangen können als den bisherigen, die zwischen dilettantischen Schätzungen und den ewigen Unterbilanzen unsrer Kolonialetats hin und her schwanken. Einen weitern Vorteil verspricht uns der Verlauf der letzten Kolonialdebatten. Wir werden nun hoffentlich aus der Ära der Enthüllungen und Skandale heraus¬ kommen. Wenn begangne Fehler ehrlich eingestanden, Verbrechen und Mißstände gründlich untersucht werden, im übrigen aber ein klar vorgezeichueter Weg mit Festigkeit innegehalten wird, so kann es sich nicht wiederholen, daß die Verfehlungen einzelner Beamten in einer Weise, die gewissen Parteien und Persönlichkeiten zum Nutzen dient, die gemeinsame Sache aber schwer schädigt, aufgebauscht und aus¬ gebeutet werdeu. Schon diesmal hatte das geschickte Auftrete» des Reichskanzlers und des Kolonialdirektors dem Zentrum, das einen sehr ernsten Angriff gerüstet hatte, die Waffen aus der Hand genommen. Das hatte die Wirkung, daß die Taktik geändert wurde. Herr Erzberger beschränkte sich auf die Kritik einzelner Fälle und bestimmter Ungehörigkeiten und reichte der neuen Verwaltung die Hand zum Frieden. Vorher hatte schon Dr. Sabatier, der Bamberger Domherr, der die bayrische Gruppe des Zentrums im Reichstag anführt, einen großen Abschnitt seiner Rede dem Nachweis gewidmet, daß seine Partei nicht koloninlfeindlich sei. Die Sozialdemokratie blieb freilich der alten Rolle getreu, verneinend und unfruchtbar wie immer, kümmerlich in dem Komposthaufen alter, zum Teil verjährter Skandal¬ fälle und unkontrollierbarer Klatschgeschichten herumscharrend. Weder die geifernde, tobende Beredsamkeit des alten Bebel noch das unerträgliche falsche Pathos des Genossen Ledebour konnte auch nur den geringsten Erfolg ausweisen. Auch die Freisinnigen spielten eine klägliche Rolle. Sie wußte» sich nicht, wie sogar Herr Erzberger, der Lage anzupassen, Ihre Angriffe erinnerten darum an den sinn¬ reichen Edeln von La Mancha. In ihrer Presse hatten wir monatelang von dem „Panama" unsrer Kolonialpolitik, von der gänzlichen Durchseuchung unsrer kolo¬ nialen Beamtenschaft, von der abgrundtiefen Korruption der Kolonialverwaltung ge¬ lesen. Als sich jetzt Fürst Bülow energisch gegen solche Verallgemeinerungen ver¬ wahrte, wußten sie nichts mehr davon; nie sei ihnen dergleichen eingefallen, sie hätten immer mir einzelne gemeint. Dabei waren doch auch ihre letzten Reden ganz auf den Ton der Verallgemeinerung abgestimmt und zudem reichlich mit recht leicht¬ fertig zusammengestellten Klatschgeschichten aufgeputzt. Sie konnten daher gegen die ernsthaftem Eindrücke der Debatte nicht aufkommen. Wir haben also Anlaß, ans den Eintritt besserer Zeiten in der Kolonialpolitik zu hoffen. Fürst Bülow hat in geschickter Rede den Zusammenhang dieser neuen Ära

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/568>, abgerufen am 25.08.2024.