Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Besiedlung der Gstmarken durch deutsche Bauern

Grund nicht vorzuliegen, wahrscheinlich sind der Ansiedluugskommijsion leine an¬
nehmbaren Verkaufsofferten von Gütern dieses Kreises gemacht worden. Anders
im Norden der Provinz Westpreußen. In den Kreisen Stuhm und Putzig,
die sich auch eines dankbaren Bodens erfreuen, ist jeder Ankauf von Grund
und Boden, wie man wohl mit Sicherheit annehmen kann, bisher nur deshalb
unterblieben, weil die Kontrolle der lokalen Verwaltung bei der weiten Ent¬
fernung dieser Kreise von dem Sitz der Ansiedlungskommission zu schwierig er¬
schien. Was zunächst den Kreis Putzig betrifft, so handelt es sich hier um
eine Landschaft mit einer Bevölkerung überwiegend slawischer Zunge, wenn auch
nicht slawischer Abstammung. Deutsche findet man fast in jedem Dorf des
Kreises, aber sie bilden der Regel nach nur eine kleine Minderheit. In kom¬
pakter Masse sind die Deutschen nur in einer etwa zwei Quadratmeilen großen
deutschen Sprachinsel zu finden, die durch eine holländische Kolonie aus dem
sechzehnten Jahrhundert und durch die zwölf Dörfer und Güter gebildet wird,
deren Bewohner zur Zeit der Gegenreformation durch ihren Grundherrn aus
dem heute noch hier blühenden Geschlechte der Grafen von Krockow dem evan¬
gelischen Glauben und damit dem Deutschtum erhalten blieben. Leider wurde
die sich vor einigen Jahren darbietende Gelegenheit, die deutsche Exklave mit
dem nur sieben Kilometer entfernten geschlossenen deutscheu Sprachgebiet durch
eine breite Brücke zu verbinden, versäumt.

Es gelang nicht, die Ansiedlungskommission dazu zu bestimmen, das große
Gut Zarnewitz, das die Krockower Sprachinsel von Pommern trennt, anzu¬
kaufen, obgleich sich hochgestellte Persönlichkeiten, besonders auch der damalige
Oberpräsident vou Goßler für die Sache interessierten, und obgleich der Kauf¬
preis für das sehr reich mit Wiesen ausgestattete Gut müßig war. Häufig er¬
tönt in der letzten Zeit ein Klageruf aus dem Kreise Putzig über den Rück¬
gang des Deutschtums. Aus einer Anzahl überwiegend polnischer Dörfer sind
in den letzten Jahren die deutschen Bauern fast ganz verdrängt worden, und
andrerseits haben sich die Polen in allen früher rein deutschen Dörfern einzu-
nisten verstanden. Daß sich die Polen die augenblickliche Situation zunutze
machen, ist ihnen wahrhaftig nicht zu verdenken.

Eine deutsche Konkurrenz ist nicht vorhanden, und deshalb kaufen sie hier
den Grund und Boden noch zu verhältnismäßig niedrigen Preisen. Auch ideale
Beweggründe mögen die Polen bestimmen, diesen ihren äußersten Vorposten im
Norden mit aller Energie ihrem Volkstum zu sichern. Hier allein bespült das
offne Meer eine von Menschen polnischer Nationalität bewohnte Küste. Auch
polnischer Kriegsruhm knüpft sich an diesen Boden, denn hier im sogenannten
"Putziger Winkel" haben die Polen in der letzten Feldschlacht des dreizehn¬
jährigen Krieges im Jahre 1462 den Frieden von Thorn erkämpft, der sie auf
drei Jahrhunderte zu Beherrschern preußischer Lande machte.

Der zweite weit nach Norden vorgeschobne Posten des Polentums ist der
Kreis Stuhm, wo jedoch wesentlich andre Verhältnisse obwalten als im Putziger


Die Besiedlung der Gstmarken durch deutsche Bauern

Grund nicht vorzuliegen, wahrscheinlich sind der Ansiedluugskommijsion leine an¬
nehmbaren Verkaufsofferten von Gütern dieses Kreises gemacht worden. Anders
im Norden der Provinz Westpreußen. In den Kreisen Stuhm und Putzig,
die sich auch eines dankbaren Bodens erfreuen, ist jeder Ankauf von Grund
und Boden, wie man wohl mit Sicherheit annehmen kann, bisher nur deshalb
unterblieben, weil die Kontrolle der lokalen Verwaltung bei der weiten Ent¬
fernung dieser Kreise von dem Sitz der Ansiedlungskommission zu schwierig er¬
schien. Was zunächst den Kreis Putzig betrifft, so handelt es sich hier um
eine Landschaft mit einer Bevölkerung überwiegend slawischer Zunge, wenn auch
nicht slawischer Abstammung. Deutsche findet man fast in jedem Dorf des
Kreises, aber sie bilden der Regel nach nur eine kleine Minderheit. In kom¬
pakter Masse sind die Deutschen nur in einer etwa zwei Quadratmeilen großen
deutschen Sprachinsel zu finden, die durch eine holländische Kolonie aus dem
sechzehnten Jahrhundert und durch die zwölf Dörfer und Güter gebildet wird,
deren Bewohner zur Zeit der Gegenreformation durch ihren Grundherrn aus
dem heute noch hier blühenden Geschlechte der Grafen von Krockow dem evan¬
gelischen Glauben und damit dem Deutschtum erhalten blieben. Leider wurde
die sich vor einigen Jahren darbietende Gelegenheit, die deutsche Exklave mit
dem nur sieben Kilometer entfernten geschlossenen deutscheu Sprachgebiet durch
eine breite Brücke zu verbinden, versäumt.

Es gelang nicht, die Ansiedlungskommission dazu zu bestimmen, das große
Gut Zarnewitz, das die Krockower Sprachinsel von Pommern trennt, anzu¬
kaufen, obgleich sich hochgestellte Persönlichkeiten, besonders auch der damalige
Oberpräsident vou Goßler für die Sache interessierten, und obgleich der Kauf¬
preis für das sehr reich mit Wiesen ausgestattete Gut müßig war. Häufig er¬
tönt in der letzten Zeit ein Klageruf aus dem Kreise Putzig über den Rück¬
gang des Deutschtums. Aus einer Anzahl überwiegend polnischer Dörfer sind
in den letzten Jahren die deutschen Bauern fast ganz verdrängt worden, und
andrerseits haben sich die Polen in allen früher rein deutschen Dörfern einzu-
nisten verstanden. Daß sich die Polen die augenblickliche Situation zunutze
machen, ist ihnen wahrhaftig nicht zu verdenken.

Eine deutsche Konkurrenz ist nicht vorhanden, und deshalb kaufen sie hier
den Grund und Boden noch zu verhältnismäßig niedrigen Preisen. Auch ideale
Beweggründe mögen die Polen bestimmen, diesen ihren äußersten Vorposten im
Norden mit aller Energie ihrem Volkstum zu sichern. Hier allein bespült das
offne Meer eine von Menschen polnischer Nationalität bewohnte Küste. Auch
polnischer Kriegsruhm knüpft sich an diesen Boden, denn hier im sogenannten
„Putziger Winkel" haben die Polen in der letzten Feldschlacht des dreizehn¬
jährigen Krieges im Jahre 1462 den Frieden von Thorn erkämpft, der sie auf
drei Jahrhunderte zu Beherrschern preußischer Lande machte.

Der zweite weit nach Norden vorgeschobne Posten des Polentums ist der
Kreis Stuhm, wo jedoch wesentlich andre Verhältnisse obwalten als im Putziger


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0520" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301019"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Besiedlung der Gstmarken durch deutsche Bauern</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2139" prev="#ID_2138"> Grund nicht vorzuliegen, wahrscheinlich sind der Ansiedluugskommijsion leine an¬<lb/>
nehmbaren Verkaufsofferten von Gütern dieses Kreises gemacht worden. Anders<lb/>
im Norden der Provinz Westpreußen. In den Kreisen Stuhm und Putzig,<lb/>
die sich auch eines dankbaren Bodens erfreuen, ist jeder Ankauf von Grund<lb/>
und Boden, wie man wohl mit Sicherheit annehmen kann, bisher nur deshalb<lb/>
unterblieben, weil die Kontrolle der lokalen Verwaltung bei der weiten Ent¬<lb/>
fernung dieser Kreise von dem Sitz der Ansiedlungskommission zu schwierig er¬<lb/>
schien. Was zunächst den Kreis Putzig betrifft, so handelt es sich hier um<lb/>
eine Landschaft mit einer Bevölkerung überwiegend slawischer Zunge, wenn auch<lb/>
nicht slawischer Abstammung. Deutsche findet man fast in jedem Dorf des<lb/>
Kreises, aber sie bilden der Regel nach nur eine kleine Minderheit. In kom¬<lb/>
pakter Masse sind die Deutschen nur in einer etwa zwei Quadratmeilen großen<lb/>
deutschen Sprachinsel zu finden, die durch eine holländische Kolonie aus dem<lb/>
sechzehnten Jahrhundert und durch die zwölf Dörfer und Güter gebildet wird,<lb/>
deren Bewohner zur Zeit der Gegenreformation durch ihren Grundherrn aus<lb/>
dem heute noch hier blühenden Geschlechte der Grafen von Krockow dem evan¬<lb/>
gelischen Glauben und damit dem Deutschtum erhalten blieben. Leider wurde<lb/>
die sich vor einigen Jahren darbietende Gelegenheit, die deutsche Exklave mit<lb/>
dem nur sieben Kilometer entfernten geschlossenen deutscheu Sprachgebiet durch<lb/>
eine breite Brücke zu verbinden, versäumt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2140"> Es gelang nicht, die Ansiedlungskommission dazu zu bestimmen, das große<lb/>
Gut Zarnewitz, das die Krockower Sprachinsel von Pommern trennt, anzu¬<lb/>
kaufen, obgleich sich hochgestellte Persönlichkeiten, besonders auch der damalige<lb/>
Oberpräsident vou Goßler für die Sache interessierten, und obgleich der Kauf¬<lb/>
preis für das sehr reich mit Wiesen ausgestattete Gut müßig war. Häufig er¬<lb/>
tönt in der letzten Zeit ein Klageruf aus dem Kreise Putzig über den Rück¬<lb/>
gang des Deutschtums. Aus einer Anzahl überwiegend polnischer Dörfer sind<lb/>
in den letzten Jahren die deutschen Bauern fast ganz verdrängt worden, und<lb/>
andrerseits haben sich die Polen in allen früher rein deutschen Dörfern einzu-<lb/>
nisten verstanden. Daß sich die Polen die augenblickliche Situation zunutze<lb/>
machen, ist ihnen wahrhaftig nicht zu verdenken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2141"> Eine deutsche Konkurrenz ist nicht vorhanden, und deshalb kaufen sie hier<lb/>
den Grund und Boden noch zu verhältnismäßig niedrigen Preisen. Auch ideale<lb/>
Beweggründe mögen die Polen bestimmen, diesen ihren äußersten Vorposten im<lb/>
Norden mit aller Energie ihrem Volkstum zu sichern. Hier allein bespült das<lb/>
offne Meer eine von Menschen polnischer Nationalität bewohnte Küste. Auch<lb/>
polnischer Kriegsruhm knüpft sich an diesen Boden, denn hier im sogenannten<lb/>
&#x201E;Putziger Winkel" haben die Polen in der letzten Feldschlacht des dreizehn¬<lb/>
jährigen Krieges im Jahre 1462 den Frieden von Thorn erkämpft, der sie auf<lb/>
drei Jahrhunderte zu Beherrschern preußischer Lande machte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2142" next="#ID_2143"> Der zweite weit nach Norden vorgeschobne Posten des Polentums ist der<lb/>
Kreis Stuhm, wo jedoch wesentlich andre Verhältnisse obwalten als im Putziger</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0520] Die Besiedlung der Gstmarken durch deutsche Bauern Grund nicht vorzuliegen, wahrscheinlich sind der Ansiedluugskommijsion leine an¬ nehmbaren Verkaufsofferten von Gütern dieses Kreises gemacht worden. Anders im Norden der Provinz Westpreußen. In den Kreisen Stuhm und Putzig, die sich auch eines dankbaren Bodens erfreuen, ist jeder Ankauf von Grund und Boden, wie man wohl mit Sicherheit annehmen kann, bisher nur deshalb unterblieben, weil die Kontrolle der lokalen Verwaltung bei der weiten Ent¬ fernung dieser Kreise von dem Sitz der Ansiedlungskommission zu schwierig er¬ schien. Was zunächst den Kreis Putzig betrifft, so handelt es sich hier um eine Landschaft mit einer Bevölkerung überwiegend slawischer Zunge, wenn auch nicht slawischer Abstammung. Deutsche findet man fast in jedem Dorf des Kreises, aber sie bilden der Regel nach nur eine kleine Minderheit. In kom¬ pakter Masse sind die Deutschen nur in einer etwa zwei Quadratmeilen großen deutschen Sprachinsel zu finden, die durch eine holländische Kolonie aus dem sechzehnten Jahrhundert und durch die zwölf Dörfer und Güter gebildet wird, deren Bewohner zur Zeit der Gegenreformation durch ihren Grundherrn aus dem heute noch hier blühenden Geschlechte der Grafen von Krockow dem evan¬ gelischen Glauben und damit dem Deutschtum erhalten blieben. Leider wurde die sich vor einigen Jahren darbietende Gelegenheit, die deutsche Exklave mit dem nur sieben Kilometer entfernten geschlossenen deutscheu Sprachgebiet durch eine breite Brücke zu verbinden, versäumt. Es gelang nicht, die Ansiedlungskommission dazu zu bestimmen, das große Gut Zarnewitz, das die Krockower Sprachinsel von Pommern trennt, anzu¬ kaufen, obgleich sich hochgestellte Persönlichkeiten, besonders auch der damalige Oberpräsident vou Goßler für die Sache interessierten, und obgleich der Kauf¬ preis für das sehr reich mit Wiesen ausgestattete Gut müßig war. Häufig er¬ tönt in der letzten Zeit ein Klageruf aus dem Kreise Putzig über den Rück¬ gang des Deutschtums. Aus einer Anzahl überwiegend polnischer Dörfer sind in den letzten Jahren die deutschen Bauern fast ganz verdrängt worden, und andrerseits haben sich die Polen in allen früher rein deutschen Dörfern einzu- nisten verstanden. Daß sich die Polen die augenblickliche Situation zunutze machen, ist ihnen wahrhaftig nicht zu verdenken. Eine deutsche Konkurrenz ist nicht vorhanden, und deshalb kaufen sie hier den Grund und Boden noch zu verhältnismäßig niedrigen Preisen. Auch ideale Beweggründe mögen die Polen bestimmen, diesen ihren äußersten Vorposten im Norden mit aller Energie ihrem Volkstum zu sichern. Hier allein bespült das offne Meer eine von Menschen polnischer Nationalität bewohnte Küste. Auch polnischer Kriegsruhm knüpft sich an diesen Boden, denn hier im sogenannten „Putziger Winkel" haben die Polen in der letzten Feldschlacht des dreizehn¬ jährigen Krieges im Jahre 1462 den Frieden von Thorn erkämpft, der sie auf drei Jahrhunderte zu Beherrschern preußischer Lande machte. Der zweite weit nach Norden vorgeschobne Posten des Polentums ist der Kreis Stuhm, wo jedoch wesentlich andre Verhältnisse obwalten als im Putziger

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/520
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/520>, abgerufen am 23.07.2024.