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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Hartmann über das Leben

seitdem man weiß, daß neue Arten nicht durch allmähliche Häufung unmerk¬
licher Änderungen sondern sprungweise entsteh". Und der Sprung vom Affen
oder einem affenähnlichen Säugetiere zum Menschen ist der größte gewesen.
.Äußerlich kann der erste Mensch seinen tierischen Eltern sehr ähnlich, fast
gleich gewesen sein; denn er hatte nachher noch Zeit genug, durch Anpassung
seinen Bau allmählich abzuändern. Aber in einem Punkte muß er stark von
ihnen abgewichen sein, nämlich in der Gehirngröße, die eme vergrößerte
Schädelkapazitüt erzwang... - Wäre dieses größere Gehirn ein bloßes Produkt
des Gebrauchs, so wäre nicht abzusehen, warum die jetzt lebenden Affen, die
dieses Organ doch schon ebensolange gebrauchen und unter wesentlich gleichen
äußern Umständen wie viele Naturvölker gebraucht haben, es nicht auch zu so
großen Gehirnen gebracht haben sollten, daß sie ihre gleichen Hände und
Sprachwerkzeuge zu den gleichen Leistungen wie der Mensch verwerten köiinen
und das Bedürfnis nach Sprache und Kultursteigeruug empfinden. . .. Das
Vorauseilen der Gehirnvergrößerung im menschlichen Zweige des Tierreichs
kann also nur aus innern Gründen entsprungen sein, gleichviel ob man es
sich als Häufung kleinster Schritte durch viele Generationen oder als Sprung¬
hafte Abänderung denkt. Für die letztere Auffassung sprechen nicht bloß die
Analogien der Typenumwandluug überhaupt, sondern vor allem auch psycho¬
logische Erwägungen." Das an die Gehirntätigkeit gebundne menschliche
Seelenleben sei freilich bloß dem Grade nach vom tierischen verschieden aber
^e Stufe, ans der die Seele des Menschen stehe, sei durch eme so tiefe Kluft
der höchsten tierischen Stufe geschieden, daß sie nicht überschritten sondern
nur übersprungen werden konnte. Es liege hier einer der Fälle vor. wo ver
^uantitätsunterschied in Qualität umschlägt.

Die letzten Kapitel: das Lebensprinzip; Energetik. Mechanik und Leben;
die Finalitüt im Verhältnis zur Kausalität; die psychologische Kausalität -- ve-
wegen sich in der luftigen oder vielmehr luftleeren Region der Metaphysik
Es wird darin nnter anderm dargelegt, daß die Naturwissensckmften ebenso
^ die Metaphysik nnr Wahrscheinlichkeit, nicht °dö°wee Gewißheit erg . .
ob daß die Lehre vom Leben nur eine aus Naturphilosophie u d N
Wissenschaft gemischte Wissenschaft sein kann. Wenn die Biologie letzt wieder
^im Klaus^ el. so habe sie sich nicht im Kreise sondern in
'""r fortschreitenden Spirale bewegt, ^gesehen vom inhaltlichen ^"be sie den methodischen Fortschritt gemacht, daß sie M streng in " ^s°hre. Niemand denk! heute mehr daran, wie Schelling die Niedern Org "s n n
°us dem Begriff des Allorganismus abzuleiten die Natur. ^ S uft' . llM
^setze apriorisch zu konstruieren. Als eine nützliche Leiswng e
Energetik wird anerkannt daß sie die Vernichtung des wissenschaftlichen
Mawia^ bzu leich ^ ihre UnHaltbarkeit nachgeb en
weil ohne die Hypothese der Atommechanik in PMk ^sei- Darin liege jedoch keine Rückkehr zum Materialismus, weil auch die


Hartmann über das Leben

seitdem man weiß, daß neue Arten nicht durch allmähliche Häufung unmerk¬
licher Änderungen sondern sprungweise entsteh». Und der Sprung vom Affen
oder einem affenähnlichen Säugetiere zum Menschen ist der größte gewesen.
.Äußerlich kann der erste Mensch seinen tierischen Eltern sehr ähnlich, fast
gleich gewesen sein; denn er hatte nachher noch Zeit genug, durch Anpassung
seinen Bau allmählich abzuändern. Aber in einem Punkte muß er stark von
ihnen abgewichen sein, nämlich in der Gehirngröße, die eme vergrößerte
Schädelkapazitüt erzwang... - Wäre dieses größere Gehirn ein bloßes Produkt
des Gebrauchs, so wäre nicht abzusehen, warum die jetzt lebenden Affen, die
dieses Organ doch schon ebensolange gebrauchen und unter wesentlich gleichen
äußern Umständen wie viele Naturvölker gebraucht haben, es nicht auch zu so
großen Gehirnen gebracht haben sollten, daß sie ihre gleichen Hände und
Sprachwerkzeuge zu den gleichen Leistungen wie der Mensch verwerten köiinen
und das Bedürfnis nach Sprache und Kultursteigeruug empfinden. . .. Das
Vorauseilen der Gehirnvergrößerung im menschlichen Zweige des Tierreichs
kann also nur aus innern Gründen entsprungen sein, gleichviel ob man es
sich als Häufung kleinster Schritte durch viele Generationen oder als Sprung¬
hafte Abänderung denkt. Für die letztere Auffassung sprechen nicht bloß die
Analogien der Typenumwandluug überhaupt, sondern vor allem auch psycho¬
logische Erwägungen." Das an die Gehirntätigkeit gebundne menschliche
Seelenleben sei freilich bloß dem Grade nach vom tierischen verschieden aber
^e Stufe, ans der die Seele des Menschen stehe, sei durch eme so tiefe Kluft
der höchsten tierischen Stufe geschieden, daß sie nicht überschritten sondern
nur übersprungen werden konnte. Es liege hier einer der Fälle vor. wo ver
^uantitätsunterschied in Qualität umschlägt.

Die letzten Kapitel: das Lebensprinzip; Energetik. Mechanik und Leben;
die Finalitüt im Verhältnis zur Kausalität; die psychologische Kausalität -- ve-
wegen sich in der luftigen oder vielmehr luftleeren Region der Metaphysik
Es wird darin nnter anderm dargelegt, daß die Naturwissensckmften ebenso
^ die Metaphysik nnr Wahrscheinlichkeit, nicht °dö°wee Gewißheit erg . .
ob daß die Lehre vom Leben nur eine aus Naturphilosophie u d N
Wissenschaft gemischte Wissenschaft sein kann. Wenn die Biologie letzt wieder
^im Klaus^ el. so habe sie sich nicht im Kreise sondern in
'""r fortschreitenden Spirale bewegt, ^gesehen vom inhaltlichen ^"be sie den methodischen Fortschritt gemacht, daß sie M streng in " ^s°hre. Niemand denk! heute mehr daran, wie Schelling die Niedern Org "s n n
°us dem Begriff des Allorganismus abzuleiten die Natur. ^ S uft' . llM
^setze apriorisch zu konstruieren. Als eine nützliche Leiswng e
Energetik wird anerkannt daß sie die Vernichtung des wissenschaftlichen
Mawia^ bzu leich ^ ihre UnHaltbarkeit nachgeb en
weil ohne die Hypothese der Atommechanik in PMk ^sei- Darin liege jedoch keine Rückkehr zum Materialismus, weil auch die


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[0415] Hartmann über das Leben seitdem man weiß, daß neue Arten nicht durch allmähliche Häufung unmerk¬ licher Änderungen sondern sprungweise entsteh». Und der Sprung vom Affen oder einem affenähnlichen Säugetiere zum Menschen ist der größte gewesen. .Äußerlich kann der erste Mensch seinen tierischen Eltern sehr ähnlich, fast gleich gewesen sein; denn er hatte nachher noch Zeit genug, durch Anpassung seinen Bau allmählich abzuändern. Aber in einem Punkte muß er stark von ihnen abgewichen sein, nämlich in der Gehirngröße, die eme vergrößerte Schädelkapazitüt erzwang... - Wäre dieses größere Gehirn ein bloßes Produkt des Gebrauchs, so wäre nicht abzusehen, warum die jetzt lebenden Affen, die dieses Organ doch schon ebensolange gebrauchen und unter wesentlich gleichen äußern Umständen wie viele Naturvölker gebraucht haben, es nicht auch zu so großen Gehirnen gebracht haben sollten, daß sie ihre gleichen Hände und Sprachwerkzeuge zu den gleichen Leistungen wie der Mensch verwerten köiinen und das Bedürfnis nach Sprache und Kultursteigeruug empfinden. . .. Das Vorauseilen der Gehirnvergrößerung im menschlichen Zweige des Tierreichs kann also nur aus innern Gründen entsprungen sein, gleichviel ob man es sich als Häufung kleinster Schritte durch viele Generationen oder als Sprung¬ hafte Abänderung denkt. Für die letztere Auffassung sprechen nicht bloß die Analogien der Typenumwandluug überhaupt, sondern vor allem auch psycho¬ logische Erwägungen." Das an die Gehirntätigkeit gebundne menschliche Seelenleben sei freilich bloß dem Grade nach vom tierischen verschieden aber ^e Stufe, ans der die Seele des Menschen stehe, sei durch eme so tiefe Kluft der höchsten tierischen Stufe geschieden, daß sie nicht überschritten sondern nur übersprungen werden konnte. Es liege hier einer der Fälle vor. wo ver ^uantitätsunterschied in Qualität umschlägt. Die letzten Kapitel: das Lebensprinzip; Energetik. Mechanik und Leben; die Finalitüt im Verhältnis zur Kausalität; die psychologische Kausalität -- ve- wegen sich in der luftigen oder vielmehr luftleeren Region der Metaphysik Es wird darin nnter anderm dargelegt, daß die Naturwissensckmften ebenso ^ die Metaphysik nnr Wahrscheinlichkeit, nicht °dö°wee Gewißheit erg . . ob daß die Lehre vom Leben nur eine aus Naturphilosophie u d N Wissenschaft gemischte Wissenschaft sein kann. Wenn die Biologie letzt wieder ^im Klaus^ el. so habe sie sich nicht im Kreise sondern in '""r fortschreitenden Spirale bewegt, ^gesehen vom inhaltlichen ^"be sie den methodischen Fortschritt gemacht, daß sie M streng in " ^s°hre. Niemand denk! heute mehr daran, wie Schelling die Niedern Org "s n n °us dem Begriff des Allorganismus abzuleiten die Natur. ^ S uft' . llM ^setze apriorisch zu konstruieren. Als eine nützliche Leiswng e Energetik wird anerkannt daß sie die Vernichtung des wissenschaftlichen Mawia^ bzu leich ^ ihre UnHaltbarkeit nachgeb en weil ohne die Hypothese der Atommechanik in PMk ^sei- Darin liege jedoch keine Rückkehr zum Materialismus, weil auch die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/415>, abgerufen am 23.07.2024.