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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

nehmungen lahmt und sogar das Band mit den übrigen Bundesgenossen lockern
wird." Großherzog Friedrich erklärte in seiner Erwiderung, daß der Bundes¬
kanzler zwar wisse, wie sehr der Großherzog über die Wege zum Ziele, die sie
beide verfolgten, verschiedner Meinung gewesen sei, aber um so erfreulicher sei
ihm, daß er seine Vermittlung in Anspruch genommen habe. Er, der Großherzog,
vermöge zwar einer Ablehnung der bayrischen Wünsche nicht solche Bedeutung
beizumessen, sei vielmehr der Ansicht, daß sich Bayern vielmehr einem entschiednen
Willen Preußens, die nationale Einigung auf bundesstaatlicher Grundlage zu
schaffen, schließlich ganz ruhig hätte fügen müssen. Mit den gegebnen Tatsachen
rechnend, erkenne er an, daß nunmehr eine Lage geschaffen sei, bei der fast nur
die Wahl bleibe, mit Hilfe einer Konzession an Bayern das Reich mit dem
Kaiser zustande zu bringen. Das Zustandekommen von Kaiser und Reich, so
schloß nach der Mitteilung bei Lorenz der Großherzog, über und mit Bayern
erscheine ihm so wichtig, daß es für ihn entscheidend sei, wenn der Bundeskanzler
die feste Zuversicht habe, von Bayern erwarten zu können, daß es die Initiative
in der Kaiscrfrage ergreifen werde. Im Interesse der Sache sei er unter dieser
Voraussetzung bereit, zu helfen, wenn es nötig sein sollte, den König oder den
Kronprinzen von der Dringlichkeit der Beseitigung der obwaltenden Verlegen¬
heiten zu überzeugen. Er sei übrigens der Meinung, daß der Bundeskanzler
bei der gegebnen Lage keineswegs unüberwindliche Schwierigkeiten höhern Orts
finden werde, er versichere aber seine Mitwirkung, wenn er bestimmt annehmen
dürfe, daß die Kaiserfrage zur Lösung komme. Graf Bismarck erklärte, er habe
die bestimmte Zusage der bayrischen Bevollmächtigten, daß gegen die Erhaltung
einer selbständigen Armee Bayern die Kaiserfrage zum Beweise seiner Bundes-
treue beantragen wolle. Diese Versicherung, antwortete der Großherzog, beruhigt
mich vollkommen und wird mein Handeln bestimmen. Er hatte Recht in der
Annahme, daß der König weniger schwierig sein werde, als Bismarck befürchtete.
Auf Bismarcks Vortrag am Morgen des 23. November genehmigte der König
den Abschluß, wenn auch ungern, und teilte dies dem Großherzog, der ihn im
Lause des Tages aufsuchte, nicht ohne Humor mit. In der Eröffnungsrede für
den Norddeutschen Reichstag am folgenden Tage konnte Delbrück auch die Ver¬
ständigung mit Bayern ankündigen.

Diese bayrische Episode hatte nun noch einen für den Großherzog persön¬
lich interessanten Abschluß. Am 25. November erschien Graf Bray, der bayrische
Ministerpräsident, bei ihm, um sich zu verabschieden und seinen Dank auszu¬
sprechen für die Unterstützung, die er in betreff der Annahme der bayrischen
Anschlußbedingungen bei Baden gefunden hätte. Im Laufe des Gesprächs
suchte dann Graf Bray unter Hinweis auf den Gedanken, Elsaß und Baden
zu einem Königreich zu verbinden, der vielfach und mit Wärme aufgenommen
worden sei, Auskunft darüber zu erlangen, ob der Großherzog zu einer Gebiets¬
abtretung an Bayern seine Zustimmung geben werde. Er, Graf Bray, denke
an eine Verbindung der beiden getrennten bayrischen Gebiete durch einen


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

nehmungen lahmt und sogar das Band mit den übrigen Bundesgenossen lockern
wird." Großherzog Friedrich erklärte in seiner Erwiderung, daß der Bundes¬
kanzler zwar wisse, wie sehr der Großherzog über die Wege zum Ziele, die sie
beide verfolgten, verschiedner Meinung gewesen sei, aber um so erfreulicher sei
ihm, daß er seine Vermittlung in Anspruch genommen habe. Er, der Großherzog,
vermöge zwar einer Ablehnung der bayrischen Wünsche nicht solche Bedeutung
beizumessen, sei vielmehr der Ansicht, daß sich Bayern vielmehr einem entschiednen
Willen Preußens, die nationale Einigung auf bundesstaatlicher Grundlage zu
schaffen, schließlich ganz ruhig hätte fügen müssen. Mit den gegebnen Tatsachen
rechnend, erkenne er an, daß nunmehr eine Lage geschaffen sei, bei der fast nur
die Wahl bleibe, mit Hilfe einer Konzession an Bayern das Reich mit dem
Kaiser zustande zu bringen. Das Zustandekommen von Kaiser und Reich, so
schloß nach der Mitteilung bei Lorenz der Großherzog, über und mit Bayern
erscheine ihm so wichtig, daß es für ihn entscheidend sei, wenn der Bundeskanzler
die feste Zuversicht habe, von Bayern erwarten zu können, daß es die Initiative
in der Kaiscrfrage ergreifen werde. Im Interesse der Sache sei er unter dieser
Voraussetzung bereit, zu helfen, wenn es nötig sein sollte, den König oder den
Kronprinzen von der Dringlichkeit der Beseitigung der obwaltenden Verlegen¬
heiten zu überzeugen. Er sei übrigens der Meinung, daß der Bundeskanzler
bei der gegebnen Lage keineswegs unüberwindliche Schwierigkeiten höhern Orts
finden werde, er versichere aber seine Mitwirkung, wenn er bestimmt annehmen
dürfe, daß die Kaiserfrage zur Lösung komme. Graf Bismarck erklärte, er habe
die bestimmte Zusage der bayrischen Bevollmächtigten, daß gegen die Erhaltung
einer selbständigen Armee Bayern die Kaiserfrage zum Beweise seiner Bundes-
treue beantragen wolle. Diese Versicherung, antwortete der Großherzog, beruhigt
mich vollkommen und wird mein Handeln bestimmen. Er hatte Recht in der
Annahme, daß der König weniger schwierig sein werde, als Bismarck befürchtete.
Auf Bismarcks Vortrag am Morgen des 23. November genehmigte der König
den Abschluß, wenn auch ungern, und teilte dies dem Großherzog, der ihn im
Lause des Tages aufsuchte, nicht ohne Humor mit. In der Eröffnungsrede für
den Norddeutschen Reichstag am folgenden Tage konnte Delbrück auch die Ver¬
ständigung mit Bayern ankündigen.

Diese bayrische Episode hatte nun noch einen für den Großherzog persön¬
lich interessanten Abschluß. Am 25. November erschien Graf Bray, der bayrische
Ministerpräsident, bei ihm, um sich zu verabschieden und seinen Dank auszu¬
sprechen für die Unterstützung, die er in betreff der Annahme der bayrischen
Anschlußbedingungen bei Baden gefunden hätte. Im Laufe des Gesprächs
suchte dann Graf Bray unter Hinweis auf den Gedanken, Elsaß und Baden
zu einem Königreich zu verbinden, der vielfach und mit Wärme aufgenommen
worden sei, Auskunft darüber zu erlangen, ob der Großherzog zu einer Gebiets¬
abtretung an Bayern seine Zustimmung geben werde. Er, Graf Bray, denke
an eine Verbindung der beiden getrennten bayrischen Gebiete durch einen


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[0032] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles nehmungen lahmt und sogar das Band mit den übrigen Bundesgenossen lockern wird." Großherzog Friedrich erklärte in seiner Erwiderung, daß der Bundes¬ kanzler zwar wisse, wie sehr der Großherzog über die Wege zum Ziele, die sie beide verfolgten, verschiedner Meinung gewesen sei, aber um so erfreulicher sei ihm, daß er seine Vermittlung in Anspruch genommen habe. Er, der Großherzog, vermöge zwar einer Ablehnung der bayrischen Wünsche nicht solche Bedeutung beizumessen, sei vielmehr der Ansicht, daß sich Bayern vielmehr einem entschiednen Willen Preußens, die nationale Einigung auf bundesstaatlicher Grundlage zu schaffen, schließlich ganz ruhig hätte fügen müssen. Mit den gegebnen Tatsachen rechnend, erkenne er an, daß nunmehr eine Lage geschaffen sei, bei der fast nur die Wahl bleibe, mit Hilfe einer Konzession an Bayern das Reich mit dem Kaiser zustande zu bringen. Das Zustandekommen von Kaiser und Reich, so schloß nach der Mitteilung bei Lorenz der Großherzog, über und mit Bayern erscheine ihm so wichtig, daß es für ihn entscheidend sei, wenn der Bundeskanzler die feste Zuversicht habe, von Bayern erwarten zu können, daß es die Initiative in der Kaiscrfrage ergreifen werde. Im Interesse der Sache sei er unter dieser Voraussetzung bereit, zu helfen, wenn es nötig sein sollte, den König oder den Kronprinzen von der Dringlichkeit der Beseitigung der obwaltenden Verlegen¬ heiten zu überzeugen. Er sei übrigens der Meinung, daß der Bundeskanzler bei der gegebnen Lage keineswegs unüberwindliche Schwierigkeiten höhern Orts finden werde, er versichere aber seine Mitwirkung, wenn er bestimmt annehmen dürfe, daß die Kaiserfrage zur Lösung komme. Graf Bismarck erklärte, er habe die bestimmte Zusage der bayrischen Bevollmächtigten, daß gegen die Erhaltung einer selbständigen Armee Bayern die Kaiserfrage zum Beweise seiner Bundes- treue beantragen wolle. Diese Versicherung, antwortete der Großherzog, beruhigt mich vollkommen und wird mein Handeln bestimmen. Er hatte Recht in der Annahme, daß der König weniger schwierig sein werde, als Bismarck befürchtete. Auf Bismarcks Vortrag am Morgen des 23. November genehmigte der König den Abschluß, wenn auch ungern, und teilte dies dem Großherzog, der ihn im Lause des Tages aufsuchte, nicht ohne Humor mit. In der Eröffnungsrede für den Norddeutschen Reichstag am folgenden Tage konnte Delbrück auch die Ver¬ ständigung mit Bayern ankündigen. Diese bayrische Episode hatte nun noch einen für den Großherzog persön¬ lich interessanten Abschluß. Am 25. November erschien Graf Bray, der bayrische Ministerpräsident, bei ihm, um sich zu verabschieden und seinen Dank auszu¬ sprechen für die Unterstützung, die er in betreff der Annahme der bayrischen Anschlußbedingungen bei Baden gefunden hätte. Im Laufe des Gesprächs suchte dann Graf Bray unter Hinweis auf den Gedanken, Elsaß und Baden zu einem Königreich zu verbinden, der vielfach und mit Wärme aufgenommen worden sei, Auskunft darüber zu erlangen, ob der Großherzog zu einer Gebiets¬ abtretung an Bayern seine Zustimmung geben werde. Er, Graf Bray, denke an eine Verbindung der beiden getrennten bayrischen Gebiete durch einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/32>, abgerufen am 25.08.2024.