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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Wäre das Verhältnis der Verträge von 1866 noch bei weitem vorzuziehn. Den
König Wilhelm selbst fand der Großherzog begreiflicherweise mit der politischen
Lage wenig zufrieden. Der König machte kein Hehl daraus, daß die Ansprüche
Bayerns mit dessen wirklichen militärischen Leistungen nicht im Einklang stünden.
Der König sprach sich bei dieser Gelegenheit für die Herstellung eines einheit¬
lichen Heeres aus und antwortete ans die Frage des Großherzogs, ob er ge¬
neigt sei, Konventionen auf dieser Grundlage abzuschließen: "Das hängt nur
von Euch übrigen ab, ob Ihr so weit gehn wollt." Es folgte dann am 12. No¬
vember der württembergische Zwischenfall. Die württembergischen Minister
erklärten, anstatt, wie erwartet wurde, die getroffnen Abmachungen zu unter-
zeichnen, daß ihr König ihnen plötzlich die Unterzeichnung verboten und eine
neue mündliche Berichterstattung gefordert habe. Da man schon seit sechs
Tagen bis auf die Militärkonvcntion einig war, erregte diese Haltung Württem¬
bergs in Versailles großes Erstaunen, und der König, dem Bismarck am Mittag
des 12. November Vortrag hielt, machte aus seinem Mißfallen kein Hehl.
Es schien vieles wieder ins Schwanken zu kommen. Am 15. November aber
erfolgte der Abschluß mit Baden und Hessen. Abends waren die Bevoll¬
mächtigten zur königlichen Tafel geladen, Frcydorf sprach dem Könige seine
Freude aus, ihn nun als Bundesoberhaupt begrüßen zu dürfen. Als er sich
am 18. November von Bismarck verabschiedete, um zum Reichstage nach
Berlin zu reisen, konnte der Bundeskanzler ihm mitteilen, daß der Zutritt
Württembergs wieder wahrscheinlich geworden sei, und daß sich auch die Ver¬
handlungen mit Bayern dem Ende zuneigten. In Württemberg sowohl wie in
Bayern hatten die Verzögerungen einen starken Druck der öffentlichen Meinung
hervorgerufen. Württemberg unterzeichnete als letzter der deutschen Staaten
am 25. November den Anschluß in Berlin. Minister von Frehdorf hat in
einem Bericht vom 27. November aus Berlin an das badische Staatsministerium
festgestellt, daß die Verzögerung Württembergs durch einen von dem bayrischen
Gesandten in Stuttgart, Herrn von Gaffer, übergebnen Brief des Königs von
Bayern an den König von Württemberg veranlaßt worden sei, worin König
Ludwig den König Karl beschwor, doch ja nicht ohne Bayern abzuschließen.
Vergeblich machten die württembergischen Bevollmächtigten geltend, daß Bayern
damit nur seinen partikularistischen Vorteil anstrebe, um sich eine besonders
privilegierte Stellung zu sichern. Es blieb den beiden Ministern schließlich nichts
übrig, als nach Hause zu reisen. Sie wurden dann mit gebundnen Händen
nach Berlin entsandt und konnten am 24. ihrem Souverän melden, daß Bayern
ohne Württemberg unterzeichnet habe. Daraufhin erfolgte umgehend die Weisung,
nun auch für Württemberg abzuschließen.

Für den Abschluß mit Bayern hatte Bismarck den Beistand des Großherzogs
von Baden angerufen, um sich die Zustimmung König Wilhelms für die weit¬
gehenden bayrischen Ansprüche, namentlich in militärischer Beziehung, zu sichern.
Er suchte den Großherzog am Abend des 19. November auf mit der Einführung,


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Wäre das Verhältnis der Verträge von 1866 noch bei weitem vorzuziehn. Den
König Wilhelm selbst fand der Großherzog begreiflicherweise mit der politischen
Lage wenig zufrieden. Der König machte kein Hehl daraus, daß die Ansprüche
Bayerns mit dessen wirklichen militärischen Leistungen nicht im Einklang stünden.
Der König sprach sich bei dieser Gelegenheit für die Herstellung eines einheit¬
lichen Heeres aus und antwortete ans die Frage des Großherzogs, ob er ge¬
neigt sei, Konventionen auf dieser Grundlage abzuschließen: „Das hängt nur
von Euch übrigen ab, ob Ihr so weit gehn wollt." Es folgte dann am 12. No¬
vember der württembergische Zwischenfall. Die württembergischen Minister
erklärten, anstatt, wie erwartet wurde, die getroffnen Abmachungen zu unter-
zeichnen, daß ihr König ihnen plötzlich die Unterzeichnung verboten und eine
neue mündliche Berichterstattung gefordert habe. Da man schon seit sechs
Tagen bis auf die Militärkonvcntion einig war, erregte diese Haltung Württem¬
bergs in Versailles großes Erstaunen, und der König, dem Bismarck am Mittag
des 12. November Vortrag hielt, machte aus seinem Mißfallen kein Hehl.
Es schien vieles wieder ins Schwanken zu kommen. Am 15. November aber
erfolgte der Abschluß mit Baden und Hessen. Abends waren die Bevoll¬
mächtigten zur königlichen Tafel geladen, Frcydorf sprach dem Könige seine
Freude aus, ihn nun als Bundesoberhaupt begrüßen zu dürfen. Als er sich
am 18. November von Bismarck verabschiedete, um zum Reichstage nach
Berlin zu reisen, konnte der Bundeskanzler ihm mitteilen, daß der Zutritt
Württembergs wieder wahrscheinlich geworden sei, und daß sich auch die Ver¬
handlungen mit Bayern dem Ende zuneigten. In Württemberg sowohl wie in
Bayern hatten die Verzögerungen einen starken Druck der öffentlichen Meinung
hervorgerufen. Württemberg unterzeichnete als letzter der deutschen Staaten
am 25. November den Anschluß in Berlin. Minister von Frehdorf hat in
einem Bericht vom 27. November aus Berlin an das badische Staatsministerium
festgestellt, daß die Verzögerung Württembergs durch einen von dem bayrischen
Gesandten in Stuttgart, Herrn von Gaffer, übergebnen Brief des Königs von
Bayern an den König von Württemberg veranlaßt worden sei, worin König
Ludwig den König Karl beschwor, doch ja nicht ohne Bayern abzuschließen.
Vergeblich machten die württembergischen Bevollmächtigten geltend, daß Bayern
damit nur seinen partikularistischen Vorteil anstrebe, um sich eine besonders
privilegierte Stellung zu sichern. Es blieb den beiden Ministern schließlich nichts
übrig, als nach Hause zu reisen. Sie wurden dann mit gebundnen Händen
nach Berlin entsandt und konnten am 24. ihrem Souverän melden, daß Bayern
ohne Württemberg unterzeichnet habe. Daraufhin erfolgte umgehend die Weisung,
nun auch für Württemberg abzuschließen.

Für den Abschluß mit Bayern hatte Bismarck den Beistand des Großherzogs
von Baden angerufen, um sich die Zustimmung König Wilhelms für die weit¬
gehenden bayrischen Ansprüche, namentlich in militärischer Beziehung, zu sichern.
Er suchte den Großherzog am Abend des 19. November auf mit der Einführung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/30>, abgerufen am 23.07.2024.