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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

der Haltung seiner Truppen beurteilt hatte und sich jetzt unangenehm enttäuscht
sah. Baden hatte mit seiner Warnung Recht behalten. Herr von Roggenbach,
der sich ebenfalls in Versailles befand, vertrat mit großem Eifer den Stand¬
punkt, zumal bei dem Kronprinzen, mit Bayern auf einer Grundlage, wie
sie Graf Bray verlange, überhaupt nicht abzuschließen. Es entstand damals in
Versailles der Plan, an alle deutschen Fürsten Einladungen zu einem Kongreß
nach Versailles ergehen zu lassen. Die Ausführung scheiterte an der Abneigung
des Königs Ludwig. Bismarck sprach Herrn von Freydorf den Wunsch aus,
daß der Großherzog von Baden vierzehn Tage vor den Königen eintreffen möge,
was mit dem Abschluß der Militärkonvention hinreichend erklärt werden könne.
Es war jedoch schon eine Einladung vom Kronprinzen im Auftrage des Königs
an den Großherzog ergangen, der infolgedessen am 3. November von Karlsruhe
aufbrach und von Lagny aus zu Pferde am 6. in Versailles eintraf, wo der Kron¬
prinz persönlich für ihn eine Wohnung ausgesucht hatte. Die Situation, die der
Großherzog vorfand, war im allgemeinen folgende: Die Verhandlungen über den
Anschluß Badens waren dem Abschluß nahe, ebenso boten die mit Württemberg
und Hessen, bei Württemberg unter gewissen Vorbehaltungen, keine Schwierigkeiten
mehr. Dagegen waren solche hinsichtlich der Militärkonventionen noch vorhanden,
da Roon der Verschmelzung der süddeutschen Kontingente, auch sogar des
badischen, mit der preußischen Armee wenig geneigt war. Die Verhandlungen
mit Bayern waren dagegen anscheinend auf einen toten Punkt gekommen, Delbrück
hatte noch am 5. November dem Minister Jolly erklärt, man werde auf Bayern
verzichten müssen. Bismarck schwankte noch, ob er mit den andern süddeutschen
Staaten ohne Bayern abschließen oder die Verhandlungen hinziehen solle, bis
Bayern zum Abschluß bereit wäre. Es fand um jene Zeit ein Briefwechsel
zwischen Bismarck und dem bayrischen Minister statt, dadurch hervorgerufen,
daß Graf Bray am 2. November an Bismarck schrieb, in den Münchner
Besprechungen mit Delbrück sei die Bildung eiues weiteren Bundes in Aus¬
sicht genommen, uur zum Eintritt in einen solchen seien die bayrischen Minister
ermächtigt, und daraufhin hätten seine bisherigen Anträge gezielt. Bismarcks
gestrige Äußerungen schienen einen Eintritt in den bestehenden einheitlichen
Bund zu bezwecken, hierzu bedürften die bayrischen Minister erweiterter Voll¬
macht, die sie wohl am besten in München selbst einholen würden. Bismarcks
Antwort vom 4. besagte, daß so lebhaft er auch gewünscht haben würde,
daß ein gleichzeitiger Abschluß mit sämtlichen süddeutschen Staaten möglich
gewesen wäre, so könne er doch in Betracht der obwaltenden Sachlage und
der durch die Verhältnisse im Norddeutschen Bunde gebotnen Dringlichkeit
die Ansicht des Ministers nur teilen, die Verhandlungen mit Bayern nach
dem Abschluß mit den andern süddeutschen Staaten fortzusetzen. Als Basis
dieser Verhandlungen werde er die Herstellung eines engern Bundes jeder
andern vorziehn. Graf Bray hatte frühere Äußerungen Bismarcks mi߬
verstanden und diesen entnommen und auch so nach München berichtet, daß


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

der Haltung seiner Truppen beurteilt hatte und sich jetzt unangenehm enttäuscht
sah. Baden hatte mit seiner Warnung Recht behalten. Herr von Roggenbach,
der sich ebenfalls in Versailles befand, vertrat mit großem Eifer den Stand¬
punkt, zumal bei dem Kronprinzen, mit Bayern auf einer Grundlage, wie
sie Graf Bray verlange, überhaupt nicht abzuschließen. Es entstand damals in
Versailles der Plan, an alle deutschen Fürsten Einladungen zu einem Kongreß
nach Versailles ergehen zu lassen. Die Ausführung scheiterte an der Abneigung
des Königs Ludwig. Bismarck sprach Herrn von Freydorf den Wunsch aus,
daß der Großherzog von Baden vierzehn Tage vor den Königen eintreffen möge,
was mit dem Abschluß der Militärkonvention hinreichend erklärt werden könne.
Es war jedoch schon eine Einladung vom Kronprinzen im Auftrage des Königs
an den Großherzog ergangen, der infolgedessen am 3. November von Karlsruhe
aufbrach und von Lagny aus zu Pferde am 6. in Versailles eintraf, wo der Kron¬
prinz persönlich für ihn eine Wohnung ausgesucht hatte. Die Situation, die der
Großherzog vorfand, war im allgemeinen folgende: Die Verhandlungen über den
Anschluß Badens waren dem Abschluß nahe, ebenso boten die mit Württemberg
und Hessen, bei Württemberg unter gewissen Vorbehaltungen, keine Schwierigkeiten
mehr. Dagegen waren solche hinsichtlich der Militärkonventionen noch vorhanden,
da Roon der Verschmelzung der süddeutschen Kontingente, auch sogar des
badischen, mit der preußischen Armee wenig geneigt war. Die Verhandlungen
mit Bayern waren dagegen anscheinend auf einen toten Punkt gekommen, Delbrück
hatte noch am 5. November dem Minister Jolly erklärt, man werde auf Bayern
verzichten müssen. Bismarck schwankte noch, ob er mit den andern süddeutschen
Staaten ohne Bayern abschließen oder die Verhandlungen hinziehen solle, bis
Bayern zum Abschluß bereit wäre. Es fand um jene Zeit ein Briefwechsel
zwischen Bismarck und dem bayrischen Minister statt, dadurch hervorgerufen,
daß Graf Bray am 2. November an Bismarck schrieb, in den Münchner
Besprechungen mit Delbrück sei die Bildung eiues weiteren Bundes in Aus¬
sicht genommen, uur zum Eintritt in einen solchen seien die bayrischen Minister
ermächtigt, und daraufhin hätten seine bisherigen Anträge gezielt. Bismarcks
gestrige Äußerungen schienen einen Eintritt in den bestehenden einheitlichen
Bund zu bezwecken, hierzu bedürften die bayrischen Minister erweiterter Voll¬
macht, die sie wohl am besten in München selbst einholen würden. Bismarcks
Antwort vom 4. besagte, daß so lebhaft er auch gewünscht haben würde,
daß ein gleichzeitiger Abschluß mit sämtlichen süddeutschen Staaten möglich
gewesen wäre, so könne er doch in Betracht der obwaltenden Sachlage und
der durch die Verhältnisse im Norddeutschen Bunde gebotnen Dringlichkeit
die Ansicht des Ministers nur teilen, die Verhandlungen mit Bayern nach
dem Abschluß mit den andern süddeutschen Staaten fortzusetzen. Als Basis
dieser Verhandlungen werde er die Herstellung eines engern Bundes jeder
andern vorziehn. Graf Bray hatte frühere Äußerungen Bismarcks mi߬
verstanden und diesen entnommen und auch so nach München berichtet, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/28>, abgerufen am 25.08.2024.