Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches nicht geärgert hätte -- es wirkt wie ein Schlag ins Gesicht: für bescheidne An¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches nicht geärgert hätte — es wirkt wie ein Schlag ins Gesicht: für bescheidne An¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0708" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300495"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2851" prev="#ID_2850"> nicht geärgert hätte — es wirkt wie ein Schlag ins Gesicht: für bescheidne An¬<lb/> sprüche! Als ob man hier an die Gletscher des Eiger und der Jungfrau zwei¬<lb/> tausend Meter und höher hinaufstiege, um sich die Eingeweide vollzustopfen mit<lb/> Forellen und Kapaunenbraten. Aber es ist leider zu wahr, auf den wie ein<lb/> Koffer von Hotel zu Hotel geschleppten modernen Vergnügungsreisenden paßt das<lb/> Schillersche Wort: „Das muß immer saufen und fressen." Da sitzt denn da oben<lb/> die Gesellschaft zwischen dem Firnschnee und den Gletschern, die Herren in gelben<lb/> Schuhen und elegantem Gesellschaftsanzug, die Damen in den zartesten und kost¬<lb/> barsten Toiletten mit allem Schmuck beladen, schleppen hier in die weltentlegne,<lb/> urwüchsige Gebirgsszenerie den ganzen Kulturschwindel, die ganze Misere der<lb/> Gesellschaftslüge und verfälschen die ganze Natur — für ein echtes Touristenherz<lb/> ein Anblick nicht zum Jodeln. Es geht uns Touristen wie den Gemsen; wir<lb/> werden leider immer mehr in die entlegensten Täter und auf die unzugänglichsten<lb/> H<note type="byline"> E. G.</note> öhen gedrängt, wohin der Salonpöbel nicht folgen kann. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0708]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
nicht geärgert hätte — es wirkt wie ein Schlag ins Gesicht: für bescheidne An¬
sprüche! Als ob man hier an die Gletscher des Eiger und der Jungfrau zwei¬
tausend Meter und höher hinaufstiege, um sich die Eingeweide vollzustopfen mit
Forellen und Kapaunenbraten. Aber es ist leider zu wahr, auf den wie ein
Koffer von Hotel zu Hotel geschleppten modernen Vergnügungsreisenden paßt das
Schillersche Wort: „Das muß immer saufen und fressen." Da sitzt denn da oben
die Gesellschaft zwischen dem Firnschnee und den Gletschern, die Herren in gelben
Schuhen und elegantem Gesellschaftsanzug, die Damen in den zartesten und kost¬
barsten Toiletten mit allem Schmuck beladen, schleppen hier in die weltentlegne,
urwüchsige Gebirgsszenerie den ganzen Kulturschwindel, die ganze Misere der
Gesellschaftslüge und verfälschen die ganze Natur — für ein echtes Touristenherz
ein Anblick nicht zum Jodeln. Es geht uns Touristen wie den Gemsen; wir
werden leider immer mehr in die entlegensten Täter und auf die unzugänglichsten
H E. G. öhen gedrängt, wohin der Salonpöbel nicht folgen kann.
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