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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Karl Schurz

der hier das Land im eigentlichen Sinne, den Wald rettete. Nicht Raubbau
und AbHolzung durch den unverantwortlichen, schrankenlosen Einzelnen -- der
Staat soll eingreifen. Wie ist das Leben immer stärker als alle Theorien!
Und wie klingt in dieses Feld der Tätigkeit des ersten Deutschamerikaners das
Rauschen des deutschen Waldes herein, grüßt das Bild des heimischen Försters
mit all seiner Poesie!

[Beginn Spaltensatz] . , , Wie verstummend im Gebet
schwieg der Mann, der tiefergraute,
Klaren Auges, ein Prophet,
Welcher rückwärts, vorwärts schaute. [Spaltenumbruch] Segnend auf die Stämmlein rings
Sah ich dann die Hund' ihn breiten;
Aber in den Wipfeln gings
Wie ein Gruß aus alten Zeiten. [Ende Spaltensatz]

Geibel, Aus dem Wnlde

Am 6. Oktober 1904 sprach Karl Schurz auf dem Deutschen Tag in
Se. Louis, auf der Weltausstellung, zusammen mit seinem Freunde Dr. Pretorius:
Gesinnungsgenossen aus der Mitte des vergangnen Jahrhunderts, ergraute
Vertreter desselben Typus des Deutschamerikaners. Neben ihnen der Bot¬
schafter des Deutschen Reichs und der Reichskommissar der Weltausstellung.
Vor ihnen dehnte sich eine unabsehbare Menge, begierig zu hören. Hinter
ihnen erhob sich das Sinnbild des Reichs, das auf der Ausstellung die Palme
des Sieges davongetragen hatte, das deutsche Haus. Aber kalt, verständnislos,
allzu ehrlich und darum ungerecht standen die beiden Redner dem Reich und
seiner Schöpfung gegenüber. Karl Schurz hat hier das lösende, versöhnende
Wort nicht gesprochen, das Wort, um dessentwillen allein er an dieser Stelle
zu stehn berechtigt war: von der -- meinetwegen auch nur teilweisen -- Er¬
füllung der Hoffnungen einer -- meinetwegen -- vielverkannten Zeit im neuen
Reiche. Und or. Pretorius quittierte später für das mangelnde Verständnis,
das die andre Seite seiner Stellung entgegenbrachte, mit der öffentlichen Zurück¬
weisung einer Ordensauszeichnung. So rächte sich der Fehler, daß das Deutsche
Reich den Deutschen Tag der Deutschamerikaner hat mitfeiern wollen.

Traurig verließen wir die Feier: wenn das die Großen sind, wie will mans
den Kleinen verargen? Aber die Wundertöne des heimatlichen Geläutes, das
so wohlig und mächtig gerufen hatte, und die mannhaft selbstbewußten Worte
des Neichskommissars gewannen doch die Oberhand. Es wird ein neues
Geschlecht uuter den Deutschen Amerikas erstehn, das den Mut, das Ver¬
ständnis, die Gerechtigkeit, in allem die Freiheit hat, dem Reiche zu geben,
was des Reiches ist, und sich darin und dadurch eins weiß mit den Besten
des amerikanischen Volkes und geachtet von ihnen. Denn schon wissen wirs:
was sich am Deutschtum Amerikas noch entwickelt, das entwickelt sich im
kräftigen, engen Zusammenhang mit dem Vaterlande. Daß dort "die starken
Wurzeln seiner Kraft" sind, das ist mehr als ein schönes Bild.


I- Hofmann


Grenzboten III 190689
Karl Schurz

der hier das Land im eigentlichen Sinne, den Wald rettete. Nicht Raubbau
und AbHolzung durch den unverantwortlichen, schrankenlosen Einzelnen — der
Staat soll eingreifen. Wie ist das Leben immer stärker als alle Theorien!
Und wie klingt in dieses Feld der Tätigkeit des ersten Deutschamerikaners das
Rauschen des deutschen Waldes herein, grüßt das Bild des heimischen Försters
mit all seiner Poesie!

[Beginn Spaltensatz] . , , Wie verstummend im Gebet
schwieg der Mann, der tiefergraute,
Klaren Auges, ein Prophet,
Welcher rückwärts, vorwärts schaute. [Spaltenumbruch] Segnend auf die Stämmlein rings
Sah ich dann die Hund' ihn breiten;
Aber in den Wipfeln gings
Wie ein Gruß aus alten Zeiten. [Ende Spaltensatz]

Geibel, Aus dem Wnlde

Am 6. Oktober 1904 sprach Karl Schurz auf dem Deutschen Tag in
Se. Louis, auf der Weltausstellung, zusammen mit seinem Freunde Dr. Pretorius:
Gesinnungsgenossen aus der Mitte des vergangnen Jahrhunderts, ergraute
Vertreter desselben Typus des Deutschamerikaners. Neben ihnen der Bot¬
schafter des Deutschen Reichs und der Reichskommissar der Weltausstellung.
Vor ihnen dehnte sich eine unabsehbare Menge, begierig zu hören. Hinter
ihnen erhob sich das Sinnbild des Reichs, das auf der Ausstellung die Palme
des Sieges davongetragen hatte, das deutsche Haus. Aber kalt, verständnislos,
allzu ehrlich und darum ungerecht standen die beiden Redner dem Reich und
seiner Schöpfung gegenüber. Karl Schurz hat hier das lösende, versöhnende
Wort nicht gesprochen, das Wort, um dessentwillen allein er an dieser Stelle
zu stehn berechtigt war: von der — meinetwegen auch nur teilweisen — Er¬
füllung der Hoffnungen einer — meinetwegen — vielverkannten Zeit im neuen
Reiche. Und or. Pretorius quittierte später für das mangelnde Verständnis,
das die andre Seite seiner Stellung entgegenbrachte, mit der öffentlichen Zurück¬
weisung einer Ordensauszeichnung. So rächte sich der Fehler, daß das Deutsche
Reich den Deutschen Tag der Deutschamerikaner hat mitfeiern wollen.

Traurig verließen wir die Feier: wenn das die Großen sind, wie will mans
den Kleinen verargen? Aber die Wundertöne des heimatlichen Geläutes, das
so wohlig und mächtig gerufen hatte, und die mannhaft selbstbewußten Worte
des Neichskommissars gewannen doch die Oberhand. Es wird ein neues
Geschlecht uuter den Deutschen Amerikas erstehn, das den Mut, das Ver¬
ständnis, die Gerechtigkeit, in allem die Freiheit hat, dem Reiche zu geben,
was des Reiches ist, und sich darin und dadurch eins weiß mit den Besten
des amerikanischen Volkes und geachtet von ihnen. Denn schon wissen wirs:
was sich am Deutschtum Amerikas noch entwickelt, das entwickelt sich im
kräftigen, engen Zusammenhang mit dem Vaterlande. Daß dort „die starken
Wurzeln seiner Kraft" sind, das ist mehr als ein schönes Bild.


I- Hofmann


Grenzboten III 190689
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[0677] Karl Schurz der hier das Land im eigentlichen Sinne, den Wald rettete. Nicht Raubbau und AbHolzung durch den unverantwortlichen, schrankenlosen Einzelnen — der Staat soll eingreifen. Wie ist das Leben immer stärker als alle Theorien! Und wie klingt in dieses Feld der Tätigkeit des ersten Deutschamerikaners das Rauschen des deutschen Waldes herein, grüßt das Bild des heimischen Försters mit all seiner Poesie! . , , Wie verstummend im Gebet schwieg der Mann, der tiefergraute, Klaren Auges, ein Prophet, Welcher rückwärts, vorwärts schaute. Segnend auf die Stämmlein rings Sah ich dann die Hund' ihn breiten; Aber in den Wipfeln gings Wie ein Gruß aus alten Zeiten. Geibel, Aus dem Wnlde Am 6. Oktober 1904 sprach Karl Schurz auf dem Deutschen Tag in Se. Louis, auf der Weltausstellung, zusammen mit seinem Freunde Dr. Pretorius: Gesinnungsgenossen aus der Mitte des vergangnen Jahrhunderts, ergraute Vertreter desselben Typus des Deutschamerikaners. Neben ihnen der Bot¬ schafter des Deutschen Reichs und der Reichskommissar der Weltausstellung. Vor ihnen dehnte sich eine unabsehbare Menge, begierig zu hören. Hinter ihnen erhob sich das Sinnbild des Reichs, das auf der Ausstellung die Palme des Sieges davongetragen hatte, das deutsche Haus. Aber kalt, verständnislos, allzu ehrlich und darum ungerecht standen die beiden Redner dem Reich und seiner Schöpfung gegenüber. Karl Schurz hat hier das lösende, versöhnende Wort nicht gesprochen, das Wort, um dessentwillen allein er an dieser Stelle zu stehn berechtigt war: von der — meinetwegen auch nur teilweisen — Er¬ füllung der Hoffnungen einer — meinetwegen — vielverkannten Zeit im neuen Reiche. Und or. Pretorius quittierte später für das mangelnde Verständnis, das die andre Seite seiner Stellung entgegenbrachte, mit der öffentlichen Zurück¬ weisung einer Ordensauszeichnung. So rächte sich der Fehler, daß das Deutsche Reich den Deutschen Tag der Deutschamerikaner hat mitfeiern wollen. Traurig verließen wir die Feier: wenn das die Großen sind, wie will mans den Kleinen verargen? Aber die Wundertöne des heimatlichen Geläutes, das so wohlig und mächtig gerufen hatte, und die mannhaft selbstbewußten Worte des Neichskommissars gewannen doch die Oberhand. Es wird ein neues Geschlecht uuter den Deutschen Amerikas erstehn, das den Mut, das Ver¬ ständnis, die Gerechtigkeit, in allem die Freiheit hat, dem Reiche zu geben, was des Reiches ist, und sich darin und dadurch eins weiß mit den Besten des amerikanischen Volkes und geachtet von ihnen. Denn schon wissen wirs: was sich am Deutschtum Amerikas noch entwickelt, das entwickelt sich im kräftigen, engen Zusammenhang mit dem Vaterlande. Daß dort „die starken Wurzeln seiner Kraft" sind, das ist mehr als ein schönes Bild. I- Hofmann Grenzboten III 190689

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/677>, abgerufen am 27.12.2024.