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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit

die Strafe der Übeltat, die ihr Pasquillant dem Beleidigten zum Vorwurf
macht, unter Umständen also die Todesstrafe, während es die Tiroler Landes¬
ordnung bei Strafe an Leib, Ehre. Geld, nicht aber am Leben, beläßt. Die
Buchdrucker, die dergleichen Schriften drucken, werden auch mit Wegnahme der
Druckerei gestraft, während sie wegen bloßer Umgehung der Zensur, versäumter
Angabe des Verfassers der von ihnen ausgegebnen Bücher nur mit Keychen
bestraft werden. Die Strafen sind zu schärfen, wenn durch das Pasquill viel
Unheil oder Totschlag im Lande, Unfrieden zwischen großen Herren verur¬
sacht, wenn hohe Personen oder die Justitia lig.äuoirt (verhöhnt, beschimpft)
worden ist.

Den Schluß machen die "L-ö^l-I^urisn und Verwundtungen". Sie können
sehr vielfältig sein, denn "alles, was ohne Stimm oder Red dem Andern zu
Trutz, Schimpfs und Spott geschieht, kan pro Ir^'uris, reali" gehalten werden.
Soweit es sich um ihre strafrechtliche Verfolgung handelt, "ist forderist zu sehen,
weine selbe zu beschehen, dann auch ein Ohrfeigen, so ein geringer Kerl einer
ansehnlichen hohen Person zufügt, kan mit Ruthen-Außhauen, Abhauung der
Hand u. s. w. abgestrafft werden, wie nicht weniger an was vor einem Orth selbe
verübt worden, dann auch rg-lions looi, als bey Gericht, in der Kirchen, in
öffentlicher Zusammenknifft, wird die IiiM'ig, abscheulich und atrox, ingleichen
in weine die Real-Injuria bestanden, ob die Verwundung auß boßhafftem Ge¬
müth den Dritten auff die Haut zu legen hervor kommen, ob es ein atwstirw
Entleibung, ob solche lebensgefährlich oder ein Krümppe zuziehen" usw. Es
folgt eine umstündliche Aufzählung aller Arten von Wunden. Danach sind
unter andern "Kämpffer-Wunden" solche, die die Weite des längsten Gliedes
des mittlern Fingers und die Tiefe des Nagels dieses Fingers haben. "Beinich-
röttige" Wunden sind solche, die über den Kopf oder "andere Geheimer des
Leibes" nageltief zugefügt werden, "allwo die Eröffnung deß Bains oder Fleisch
der Natur widerstehet". Wunden, so man "Lämbde" nennt, sind die, wodurch
ein Glied schwach und "verkrümppt" wird, "also daß der Verwundete solches
Gut zu der gewöhnlichen Arbeit und Gebrauch" nicht mehr anwenden kann.
Endlich "Wunden, die scheint-Mahl nach sich lassen, das ist, wordurch einer
masig, blinde, und an der Nasen, Finger, Ohren oder sonsten gestimblet wird".
Gemeiniglich tödlich sind Wunden, die "das Hirn, die Gurgl, Jngewaid, Hertz,
Lungen und Leber verletzen", Wunden, die "nur an die Arad, Füß, Hund,
Finger, an das Angesicht versetzt werden", sind in der Regel nicht für tödlich
zu halten. Die Entscheidung liegt zwar in luäioio Ne.äiooruni. Aber dem
vovwri, der den Verwundeten in der Kur gehabt hat, soll nicht immer ge¬
glaubt werden, daß dieser an seinen Wunden gestorben sei, "dann dieses kann
er zur Beschönigung seiner Unwissenheit und üblen Kur einziehn". Im allge¬
meinen wird "zween Gelehrten" (Sachverständigen) "mehr geglaubt als zween
Umgekehrten, wiewohlen in Verwundungsfällen denen erfahrenen Barbiereren
mehreres als denen sxsoulirsnäön vovtorn und Asäiois zu glauben ist und
verdienen bessern Glauben die alten als die jungen vovtorss". "Es werden
aber jeweils die Nkälvorum etwas finster abgeben, daß sie ein tödt-
liche nur ein gefährliche Wunden nennen: Item pflegen die Inquisitsn in ihren
äeke-nÄcmalivus zierlich hervor zu streichen, der Verstorbene sehe nit wegen der
Wunden, sondern wegen übler Kur, schlechter Warth- oder auß erwachsenen
anderen Zuständen und L^mxtoniÄtön abgestorben, damit aber man auch diß-
falls ein liecht habe, was in Sachen zu thun, ist zu wissen, wann erstens die
Tödtlichkeit der Wunden klar hervorscheinet und die Qualität ohne Scrupel von


Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit

die Strafe der Übeltat, die ihr Pasquillant dem Beleidigten zum Vorwurf
macht, unter Umständen also die Todesstrafe, während es die Tiroler Landes¬
ordnung bei Strafe an Leib, Ehre. Geld, nicht aber am Leben, beläßt. Die
Buchdrucker, die dergleichen Schriften drucken, werden auch mit Wegnahme der
Druckerei gestraft, während sie wegen bloßer Umgehung der Zensur, versäumter
Angabe des Verfassers der von ihnen ausgegebnen Bücher nur mit Keychen
bestraft werden. Die Strafen sind zu schärfen, wenn durch das Pasquill viel
Unheil oder Totschlag im Lande, Unfrieden zwischen großen Herren verur¬
sacht, wenn hohe Personen oder die Justitia lig.äuoirt (verhöhnt, beschimpft)
worden ist.

Den Schluß machen die „L-ö^l-I^urisn und Verwundtungen". Sie können
sehr vielfältig sein, denn „alles, was ohne Stimm oder Red dem Andern zu
Trutz, Schimpfs und Spott geschieht, kan pro Ir^'uris, reali" gehalten werden.
Soweit es sich um ihre strafrechtliche Verfolgung handelt, „ist forderist zu sehen,
weine selbe zu beschehen, dann auch ein Ohrfeigen, so ein geringer Kerl einer
ansehnlichen hohen Person zufügt, kan mit Ruthen-Außhauen, Abhauung der
Hand u. s. w. abgestrafft werden, wie nicht weniger an was vor einem Orth selbe
verübt worden, dann auch rg-lions looi, als bey Gericht, in der Kirchen, in
öffentlicher Zusammenknifft, wird die IiiM'ig, abscheulich und atrox, ingleichen
in weine die Real-Injuria bestanden, ob die Verwundung auß boßhafftem Ge¬
müth den Dritten auff die Haut zu legen hervor kommen, ob es ein atwstirw
Entleibung, ob solche lebensgefährlich oder ein Krümppe zuziehen" usw. Es
folgt eine umstündliche Aufzählung aller Arten von Wunden. Danach sind
unter andern „Kämpffer-Wunden" solche, die die Weite des längsten Gliedes
des mittlern Fingers und die Tiefe des Nagels dieses Fingers haben. „Beinich-
röttige" Wunden sind solche, die über den Kopf oder „andere Geheimer des
Leibes" nageltief zugefügt werden, „allwo die Eröffnung deß Bains oder Fleisch
der Natur widerstehet". Wunden, so man „Lämbde" nennt, sind die, wodurch
ein Glied schwach und „verkrümppt" wird, „also daß der Verwundete solches
Gut zu der gewöhnlichen Arbeit und Gebrauch" nicht mehr anwenden kann.
Endlich „Wunden, die scheint-Mahl nach sich lassen, das ist, wordurch einer
masig, blinde, und an der Nasen, Finger, Ohren oder sonsten gestimblet wird".
Gemeiniglich tödlich sind Wunden, die „das Hirn, die Gurgl, Jngewaid, Hertz,
Lungen und Leber verletzen", Wunden, die „nur an die Arad, Füß, Hund,
Finger, an das Angesicht versetzt werden", sind in der Regel nicht für tödlich
zu halten. Die Entscheidung liegt zwar in luäioio Ne.äiooruni. Aber dem
vovwri, der den Verwundeten in der Kur gehabt hat, soll nicht immer ge¬
glaubt werden, daß dieser an seinen Wunden gestorben sei, „dann dieses kann
er zur Beschönigung seiner Unwissenheit und üblen Kur einziehn". Im allge¬
meinen wird „zween Gelehrten" (Sachverständigen) „mehr geglaubt als zween
Umgekehrten, wiewohlen in Verwundungsfällen denen erfahrenen Barbiereren
mehreres als denen sxsoulirsnäön vovtorn und Asäiois zu glauben ist und
verdienen bessern Glauben die alten als die jungen vovtorss". „Es werden
aber jeweils die Nkälvorum etwas finster abgeben, daß sie ein tödt-
liche nur ein gefährliche Wunden nennen: Item pflegen die Inquisitsn in ihren
äeke-nÄcmalivus zierlich hervor zu streichen, der Verstorbene sehe nit wegen der
Wunden, sondern wegen übler Kur, schlechter Warth- oder auß erwachsenen
anderen Zuständen und L^mxtoniÄtön abgestorben, damit aber man auch diß-
falls ein liecht habe, was in Sachen zu thun, ist zu wissen, wann erstens die
Tödtlichkeit der Wunden klar hervorscheinet und die Qualität ohne Scrupel von


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[0636] Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit die Strafe der Übeltat, die ihr Pasquillant dem Beleidigten zum Vorwurf macht, unter Umständen also die Todesstrafe, während es die Tiroler Landes¬ ordnung bei Strafe an Leib, Ehre. Geld, nicht aber am Leben, beläßt. Die Buchdrucker, die dergleichen Schriften drucken, werden auch mit Wegnahme der Druckerei gestraft, während sie wegen bloßer Umgehung der Zensur, versäumter Angabe des Verfassers der von ihnen ausgegebnen Bücher nur mit Keychen bestraft werden. Die Strafen sind zu schärfen, wenn durch das Pasquill viel Unheil oder Totschlag im Lande, Unfrieden zwischen großen Herren verur¬ sacht, wenn hohe Personen oder die Justitia lig.äuoirt (verhöhnt, beschimpft) worden ist. Den Schluß machen die „L-ö^l-I^urisn und Verwundtungen". Sie können sehr vielfältig sein, denn „alles, was ohne Stimm oder Red dem Andern zu Trutz, Schimpfs und Spott geschieht, kan pro Ir^'uris, reali" gehalten werden. Soweit es sich um ihre strafrechtliche Verfolgung handelt, „ist forderist zu sehen, weine selbe zu beschehen, dann auch ein Ohrfeigen, so ein geringer Kerl einer ansehnlichen hohen Person zufügt, kan mit Ruthen-Außhauen, Abhauung der Hand u. s. w. abgestrafft werden, wie nicht weniger an was vor einem Orth selbe verübt worden, dann auch rg-lions looi, als bey Gericht, in der Kirchen, in öffentlicher Zusammenknifft, wird die IiiM'ig, abscheulich und atrox, ingleichen in weine die Real-Injuria bestanden, ob die Verwundung auß boßhafftem Ge¬ müth den Dritten auff die Haut zu legen hervor kommen, ob es ein atwstirw Entleibung, ob solche lebensgefährlich oder ein Krümppe zuziehen" usw. Es folgt eine umstündliche Aufzählung aller Arten von Wunden. Danach sind unter andern „Kämpffer-Wunden" solche, die die Weite des längsten Gliedes des mittlern Fingers und die Tiefe des Nagels dieses Fingers haben. „Beinich- röttige" Wunden sind solche, die über den Kopf oder „andere Geheimer des Leibes" nageltief zugefügt werden, „allwo die Eröffnung deß Bains oder Fleisch der Natur widerstehet". Wunden, so man „Lämbde" nennt, sind die, wodurch ein Glied schwach und „verkrümppt" wird, „also daß der Verwundete solches Gut zu der gewöhnlichen Arbeit und Gebrauch" nicht mehr anwenden kann. Endlich „Wunden, die scheint-Mahl nach sich lassen, das ist, wordurch einer masig, blinde, und an der Nasen, Finger, Ohren oder sonsten gestimblet wird". Gemeiniglich tödlich sind Wunden, die „das Hirn, die Gurgl, Jngewaid, Hertz, Lungen und Leber verletzen", Wunden, die „nur an die Arad, Füß, Hund, Finger, an das Angesicht versetzt werden", sind in der Regel nicht für tödlich zu halten. Die Entscheidung liegt zwar in luäioio Ne.äiooruni. Aber dem vovwri, der den Verwundeten in der Kur gehabt hat, soll nicht immer ge¬ glaubt werden, daß dieser an seinen Wunden gestorben sei, „dann dieses kann er zur Beschönigung seiner Unwissenheit und üblen Kur einziehn". Im allge¬ meinen wird „zween Gelehrten" (Sachverständigen) „mehr geglaubt als zween Umgekehrten, wiewohlen in Verwundungsfällen denen erfahrenen Barbiereren mehreres als denen sxsoulirsnäön vovtorn und Asäiois zu glauben ist und verdienen bessern Glauben die alten als die jungen vovtorss". „Es werden aber jeweils die Nkälvorum etwas finster abgeben, daß sie ein tödt- liche nur ein gefährliche Wunden nennen: Item pflegen die Inquisitsn in ihren äeke-nÄcmalivus zierlich hervor zu streichen, der Verstorbene sehe nit wegen der Wunden, sondern wegen übler Kur, schlechter Warth- oder auß erwachsenen anderen Zuständen und L^mxtoniÄtön abgestorben, damit aber man auch diß- falls ein liecht habe, was in Sachen zu thun, ist zu wissen, wann erstens die Tödtlichkeit der Wunden klar hervorscheinet und die Qualität ohne Scrupel von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/636>, abgerufen am 27.12.2024.