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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Tatsache, daß genaues Beobachten eine der schwierigsten Künste ist, in der es
kein Mensch zu absoluter Vollkommenheit bringt, und daß bei den meisten Menschen
die Ungenauigkeit durch jede Gemütsaufregung, namentlich durch Furcht, Hoffnung
und Erwartung (Hör ich das Pförtchen nicht gehn? Hat nicht der Riegel ge¬
klirrt?), sowie durch Dunkelheit, ungewöhnliche Lage und Umgebung ins unglaub¬
liche gesteigert wird. Auch bei völlig normaler Beschaffenheit aller Sinnesorgane
stellen sich dann Sinnestäuschungen aller Art ein, und in einer spiritistischen SLance
vereinigt sich der Gemütszustand der Teilnehmer mit der Beschaffenheit des Ortes,
der Person, die den Geist oder die Geister spielt, die Ausübung ihrer Kunst leicht
zu machen. Die versammelten Gläubigen sehen, hören, riechen, fühlen alles, was
sie zu sehen, zu hören oder sonst wahrzunehmen wünschen und erwarten, auch
wenn gar nichts Passiert, und ein Lichtschimmer, ein Schatten genügt, in ihrer Ein¬
bildung das Allergrößte Passieren zu lassen. Doch ist es nach Hennig nicht richtig,
mit Eduard von Hartmann alle in diesen Konventikeln vorkommenden Täuschungen
auf Halluzinationen zurückführen zu wollen. Ganze Klassen dieser Täuschungen,
so namentlich alle "Materialisationen", sind einfach Betrug. Und zwar sind es
Taschenspieler zweiter Güte, die sich aus den Spiritismus verlegen: Leute, deren
taschenspielerisches Geschick nicht ausreicht für Vorstellungen im hellen Lampenlicht
und vor einem Publikum, das aufpaßt, um den Trick herauszubekommen. Hinter
dem Spuk- und Poltergeist steckt gewöhnlich entweder ein sehr geschickter dummer
Junge oder ein solches Mädel. Papa Wrangel ist einmal durch einen kleinen
Schornsteinfeger, der Wider Willen und unbewußt im Berliner Schlosse die Weiße
Dame spielte, so erschreckt worden, daß er nach dem Pastor schickte. Einer wunder¬
baren, aus zarter und inniger Liebe zu dem verstorbnen Töchterchen entsprungnen
Halluzination ist der gar nicht abergläubische Feldmarschall Steinmetz erlegen;
selbstverständlich bei voller Einsicht in den halluzinatorischen Charakter der Er¬
scheinung. Der Trancezustand, der auf Autosuggestion beruht, hat Verwandtschaft
mit einer ganzen Reihe von mystischen Erscheinungen, die, wie Ekstase, Zungen¬
reden, Stigmatisation, Besessenheit ihrerseits wieder mit dem Wahnsinn zusammen¬
hängen. Besessenheit ist Wahnsinn, wenn nicht bloß gewisse Krankheitssymptome
von andern als Wirkungen eines innewohnenden Teufels gedeutet werden, sondern
der Kranke selbst sich einbildet, daß er einen Dämon beherberge. Eine ähnliche
Einbildung hat den Werwolf, d. i. Mannwolfglauben erzeugt. Wenn der Wahn¬
sinnige behauptet, daß er ein Hund oder Wolf sei, wenn er bellt und auf allen
Vieren läuft oder Menschen anfällt und beißt, so glaubt seine abergläubische Um¬
gebung, wirklich ein Tier zu sehen. Sehr interessant sind die Mitteilungen aus
dem Buche des Genfer Professors Flournoy: og" Inäss Is, Musis Nars. Htucls
sur un es,s av LonmÄlndulisnig g-ose- Alossolaiis, Flournoy berichtet darin über die
Kundgebungen des Mediums Helene Smith. Diese Person war in einem Handels¬
hause angestellt und tüchtig in ihrem Berufe, gab aber in ihren freien Stunden
-- nicht zum Zweck des Erwerbs, sondern gutgläubig -- mediumistische Vor¬
stellungen. Erlebnisse ihrer Jugend hatten in ihr den Glauben erzeugt, daß ein
Schutzgeist ihr nahe sei, der ihr mitunter körperlich erscheine. Eine Zeit lang galt
ihr Victor Hugo als Schutzgeist; an dessen Stelle trat später "Leopold", von dem
herauskam, daß er Cagliostro war. Sie selbst bildete sich ein, die reinkarnierte
Marie Antoinette zu sein; später war sie die Prinzessin Simandini, Tochter eines
Araberscheiks und Gemahlin des indischen Fürsten Sivruka Napata. Zuletzt hat
sie Ausflüge auf den Planeten Mars gemacht. Eines Tages schrieb sie im somnam¬
bulen Schlafe einen arabischen Spruch in arabischer Schrift ab, den ihr der
Araberscheik vor Augen hielt. Übersetzen konnte sie den Spruch nicht, im wachen
Zustande auch nicht lesen. Nach langem vergeblichem Forschen löste sich zuletzt das


Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Tatsache, daß genaues Beobachten eine der schwierigsten Künste ist, in der es
kein Mensch zu absoluter Vollkommenheit bringt, und daß bei den meisten Menschen
die Ungenauigkeit durch jede Gemütsaufregung, namentlich durch Furcht, Hoffnung
und Erwartung (Hör ich das Pförtchen nicht gehn? Hat nicht der Riegel ge¬
klirrt?), sowie durch Dunkelheit, ungewöhnliche Lage und Umgebung ins unglaub¬
liche gesteigert wird. Auch bei völlig normaler Beschaffenheit aller Sinnesorgane
stellen sich dann Sinnestäuschungen aller Art ein, und in einer spiritistischen SLance
vereinigt sich der Gemütszustand der Teilnehmer mit der Beschaffenheit des Ortes,
der Person, die den Geist oder die Geister spielt, die Ausübung ihrer Kunst leicht
zu machen. Die versammelten Gläubigen sehen, hören, riechen, fühlen alles, was
sie zu sehen, zu hören oder sonst wahrzunehmen wünschen und erwarten, auch
wenn gar nichts Passiert, und ein Lichtschimmer, ein Schatten genügt, in ihrer Ein¬
bildung das Allergrößte Passieren zu lassen. Doch ist es nach Hennig nicht richtig,
mit Eduard von Hartmann alle in diesen Konventikeln vorkommenden Täuschungen
auf Halluzinationen zurückführen zu wollen. Ganze Klassen dieser Täuschungen,
so namentlich alle „Materialisationen", sind einfach Betrug. Und zwar sind es
Taschenspieler zweiter Güte, die sich aus den Spiritismus verlegen: Leute, deren
taschenspielerisches Geschick nicht ausreicht für Vorstellungen im hellen Lampenlicht
und vor einem Publikum, das aufpaßt, um den Trick herauszubekommen. Hinter
dem Spuk- und Poltergeist steckt gewöhnlich entweder ein sehr geschickter dummer
Junge oder ein solches Mädel. Papa Wrangel ist einmal durch einen kleinen
Schornsteinfeger, der Wider Willen und unbewußt im Berliner Schlosse die Weiße
Dame spielte, so erschreckt worden, daß er nach dem Pastor schickte. Einer wunder¬
baren, aus zarter und inniger Liebe zu dem verstorbnen Töchterchen entsprungnen
Halluzination ist der gar nicht abergläubische Feldmarschall Steinmetz erlegen;
selbstverständlich bei voller Einsicht in den halluzinatorischen Charakter der Er¬
scheinung. Der Trancezustand, der auf Autosuggestion beruht, hat Verwandtschaft
mit einer ganzen Reihe von mystischen Erscheinungen, die, wie Ekstase, Zungen¬
reden, Stigmatisation, Besessenheit ihrerseits wieder mit dem Wahnsinn zusammen¬
hängen. Besessenheit ist Wahnsinn, wenn nicht bloß gewisse Krankheitssymptome
von andern als Wirkungen eines innewohnenden Teufels gedeutet werden, sondern
der Kranke selbst sich einbildet, daß er einen Dämon beherberge. Eine ähnliche
Einbildung hat den Werwolf, d. i. Mannwolfglauben erzeugt. Wenn der Wahn¬
sinnige behauptet, daß er ein Hund oder Wolf sei, wenn er bellt und auf allen
Vieren läuft oder Menschen anfällt und beißt, so glaubt seine abergläubische Um¬
gebung, wirklich ein Tier zu sehen. Sehr interessant sind die Mitteilungen aus
dem Buche des Genfer Professors Flournoy: og« Inäss Is, Musis Nars. Htucls
sur un es,s av LonmÄlndulisnig g-ose- Alossolaiis, Flournoy berichtet darin über die
Kundgebungen des Mediums Helene Smith. Diese Person war in einem Handels¬
hause angestellt und tüchtig in ihrem Berufe, gab aber in ihren freien Stunden
— nicht zum Zweck des Erwerbs, sondern gutgläubig — mediumistische Vor¬
stellungen. Erlebnisse ihrer Jugend hatten in ihr den Glauben erzeugt, daß ein
Schutzgeist ihr nahe sei, der ihr mitunter körperlich erscheine. Eine Zeit lang galt
ihr Victor Hugo als Schutzgeist; an dessen Stelle trat später „Leopold", von dem
herauskam, daß er Cagliostro war. Sie selbst bildete sich ein, die reinkarnierte
Marie Antoinette zu sein; später war sie die Prinzessin Simandini, Tochter eines
Araberscheiks und Gemahlin des indischen Fürsten Sivruka Napata. Zuletzt hat
sie Ausflüge auf den Planeten Mars gemacht. Eines Tages schrieb sie im somnam¬
bulen Schlafe einen arabischen Spruch in arabischer Schrift ab, den ihr der
Araberscheik vor Augen hielt. Übersetzen konnte sie den Spruch nicht, im wachen
Zustande auch nicht lesen. Nach langem vergeblichem Forschen löste sich zuletzt das


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[0546] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Tatsache, daß genaues Beobachten eine der schwierigsten Künste ist, in der es kein Mensch zu absoluter Vollkommenheit bringt, und daß bei den meisten Menschen die Ungenauigkeit durch jede Gemütsaufregung, namentlich durch Furcht, Hoffnung und Erwartung (Hör ich das Pförtchen nicht gehn? Hat nicht der Riegel ge¬ klirrt?), sowie durch Dunkelheit, ungewöhnliche Lage und Umgebung ins unglaub¬ liche gesteigert wird. Auch bei völlig normaler Beschaffenheit aller Sinnesorgane stellen sich dann Sinnestäuschungen aller Art ein, und in einer spiritistischen SLance vereinigt sich der Gemütszustand der Teilnehmer mit der Beschaffenheit des Ortes, der Person, die den Geist oder die Geister spielt, die Ausübung ihrer Kunst leicht zu machen. Die versammelten Gläubigen sehen, hören, riechen, fühlen alles, was sie zu sehen, zu hören oder sonst wahrzunehmen wünschen und erwarten, auch wenn gar nichts Passiert, und ein Lichtschimmer, ein Schatten genügt, in ihrer Ein¬ bildung das Allergrößte Passieren zu lassen. Doch ist es nach Hennig nicht richtig, mit Eduard von Hartmann alle in diesen Konventikeln vorkommenden Täuschungen auf Halluzinationen zurückführen zu wollen. Ganze Klassen dieser Täuschungen, so namentlich alle „Materialisationen", sind einfach Betrug. Und zwar sind es Taschenspieler zweiter Güte, die sich aus den Spiritismus verlegen: Leute, deren taschenspielerisches Geschick nicht ausreicht für Vorstellungen im hellen Lampenlicht und vor einem Publikum, das aufpaßt, um den Trick herauszubekommen. Hinter dem Spuk- und Poltergeist steckt gewöhnlich entweder ein sehr geschickter dummer Junge oder ein solches Mädel. Papa Wrangel ist einmal durch einen kleinen Schornsteinfeger, der Wider Willen und unbewußt im Berliner Schlosse die Weiße Dame spielte, so erschreckt worden, daß er nach dem Pastor schickte. Einer wunder¬ baren, aus zarter und inniger Liebe zu dem verstorbnen Töchterchen entsprungnen Halluzination ist der gar nicht abergläubische Feldmarschall Steinmetz erlegen; selbstverständlich bei voller Einsicht in den halluzinatorischen Charakter der Er¬ scheinung. Der Trancezustand, der auf Autosuggestion beruht, hat Verwandtschaft mit einer ganzen Reihe von mystischen Erscheinungen, die, wie Ekstase, Zungen¬ reden, Stigmatisation, Besessenheit ihrerseits wieder mit dem Wahnsinn zusammen¬ hängen. Besessenheit ist Wahnsinn, wenn nicht bloß gewisse Krankheitssymptome von andern als Wirkungen eines innewohnenden Teufels gedeutet werden, sondern der Kranke selbst sich einbildet, daß er einen Dämon beherberge. Eine ähnliche Einbildung hat den Werwolf, d. i. Mannwolfglauben erzeugt. Wenn der Wahn¬ sinnige behauptet, daß er ein Hund oder Wolf sei, wenn er bellt und auf allen Vieren läuft oder Menschen anfällt und beißt, so glaubt seine abergläubische Um¬ gebung, wirklich ein Tier zu sehen. Sehr interessant sind die Mitteilungen aus dem Buche des Genfer Professors Flournoy: og« Inäss Is, Musis Nars. Htucls sur un es,s av LonmÄlndulisnig g-ose- Alossolaiis, Flournoy berichtet darin über die Kundgebungen des Mediums Helene Smith. Diese Person war in einem Handels¬ hause angestellt und tüchtig in ihrem Berufe, gab aber in ihren freien Stunden — nicht zum Zweck des Erwerbs, sondern gutgläubig — mediumistische Vor¬ stellungen. Erlebnisse ihrer Jugend hatten in ihr den Glauben erzeugt, daß ein Schutzgeist ihr nahe sei, der ihr mitunter körperlich erscheine. Eine Zeit lang galt ihr Victor Hugo als Schutzgeist; an dessen Stelle trat später „Leopold", von dem herauskam, daß er Cagliostro war. Sie selbst bildete sich ein, die reinkarnierte Marie Antoinette zu sein; später war sie die Prinzessin Simandini, Tochter eines Araberscheiks und Gemahlin des indischen Fürsten Sivruka Napata. Zuletzt hat sie Ausflüge auf den Planeten Mars gemacht. Eines Tages schrieb sie im somnam¬ bulen Schlafe einen arabischen Spruch in arabischer Schrift ab, den ihr der Araberscheik vor Augen hielt. Übersetzen konnte sie den Spruch nicht, im wachen Zustande auch nicht lesen. Nach langem vergeblichem Forschen löste sich zuletzt das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/546>, abgerufen am 25.08.2024.