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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Drei Tage in Traxezunt

Zypressenallee luden doch zu lungern Verweilen ein. Ein paar jüngere
Moscheendiener kostete der Gehorsam gegen den Koran harten Kampf, als sie
sich ihm folgend weigern mußten, vor unserm Kodak standzuhalten. Auch
die Knaben, die aus der Schule kommend, in langer Reihe paarweise gehend,
unsern Weg kreuzten, waren von dem Gebot unerschütterlicher Ruhe und Gelassen¬
heit gegenüber allem Fremden, Ungewöhnlichen nicht so durchdrungen, daß sie
die braunen zu Boden gerichteten Augen nicht einmal auf uns erhoben und
verstohlen gelächelt hätten.

Ganz stille winklige Straßen in unübersichtlicher Planlosigkeit führen
hinunter zum Fischerhafen. Alle haben sie mit den Basarstraßen die Eigentüm¬
lichkeit, daß in der Mitte schmale tiefe Rinnen dem Wasserabfluß dienen und
auf beiden Seiten deren verhältnismäßig gutes Pflaster als Trottoir und Räder¬
spur dient. Leichtsinnigerweise bewegt sich ab und zu ein Fahrzeug durch diese
hohlen Gassen auf gut Glück, daß ihm kein andres begegnet. Sonst füllt die
Anpassung des Lebens an das Tote, Alte hin und wieder auf. Nicht bloß
Haustiere finden in den Mauertrümmern ihren Stall, sondern auch Menschen
haben sich schlecht und recht darin einzurichten verstanden. Wo die hohe
Ufermaner, die sich an eine flache, mit tiefen Scharten versehene Bastion
anschließt, den einen zum Meere stürzenden Bach mit einem breiten Gewölbe
überspannt, sind alle alten Einrichtungen zur Bestreichung der Öffnung noch
vorhanden.

Der Strand zeigt einen eigentümlich leichten schwarzen Sand, der sich fast
wie Lavamasse anfühlt und verrät, daß sein Ursprung ganz andrer Arbeit zu
verdanken ist, als der unsrer nördlichen Küste. Lebhaftes Treiben herrscht an
diesem, vom Handelshafen durch eine steil zum Meer abstürzende Felsplatte
getrennten Fischerhafen. Fischerboote, die in ihrer Form, dem hohen Aufbau
des Bug und des Heat bei niedrigen Seitenwänden und in ihrer bunten Be¬
malung an die alte Galeere erinnern und an den Nudergriffeu keulenartige
Verstärkungen, wohl als Gegengewicht, haben, waren an Land gezogen. Dahinter
lagerten in Gruppen, ihr Essen zubereitend, bunt bekleidet aber doch meist mit
recht ärmlichen Fetzen behängt, die kräftigen Gestalten der Schiffer und Fischer,
die durchaus nicht alle einen vertrauenerweckenden.Eindruck machten. Hinter
ihnen führten die Verkaufsreihen von Obsthändlern allmählich zum Basar, durch
dessen schmale abschüssige Gassen wir unsern ersten Rundgang beendeten. Mit
den Goldschmieden handelseins zu werden, die ihre Ware, saubere Filigran¬
arbeiten, Ketten, Gefäße, Kästchen, Schnallen u. a., nach Gewicht verkaufen,
wollte nicht gelingen. Dafür bot sich mancherlei Gelegenheit, von der Straße
aus der Ausübung verschiedner handwerksmäßiger Tätigkeit in den engen
Räumen hinter dem Verkaufstische zuzuschauen, zum Beispiel den Wollzupfern,
die mit der Sehne eines Flitzbogens weiße Angoraschafwolle bearbeiteten, den
Kupferschmieden, die kupferne Trinkgefäße und Kochgeschirre cmsbeulten, den
Teppichknüpfern, Schustern, Kochen, Bäckern, die ihr Gewerbe gerade so wenig


Drei Tage in Traxezunt

Zypressenallee luden doch zu lungern Verweilen ein. Ein paar jüngere
Moscheendiener kostete der Gehorsam gegen den Koran harten Kampf, als sie
sich ihm folgend weigern mußten, vor unserm Kodak standzuhalten. Auch
die Knaben, die aus der Schule kommend, in langer Reihe paarweise gehend,
unsern Weg kreuzten, waren von dem Gebot unerschütterlicher Ruhe und Gelassen¬
heit gegenüber allem Fremden, Ungewöhnlichen nicht so durchdrungen, daß sie
die braunen zu Boden gerichteten Augen nicht einmal auf uns erhoben und
verstohlen gelächelt hätten.

Ganz stille winklige Straßen in unübersichtlicher Planlosigkeit führen
hinunter zum Fischerhafen. Alle haben sie mit den Basarstraßen die Eigentüm¬
lichkeit, daß in der Mitte schmale tiefe Rinnen dem Wasserabfluß dienen und
auf beiden Seiten deren verhältnismäßig gutes Pflaster als Trottoir und Räder¬
spur dient. Leichtsinnigerweise bewegt sich ab und zu ein Fahrzeug durch diese
hohlen Gassen auf gut Glück, daß ihm kein andres begegnet. Sonst füllt die
Anpassung des Lebens an das Tote, Alte hin und wieder auf. Nicht bloß
Haustiere finden in den Mauertrümmern ihren Stall, sondern auch Menschen
haben sich schlecht und recht darin einzurichten verstanden. Wo die hohe
Ufermaner, die sich an eine flache, mit tiefen Scharten versehene Bastion
anschließt, den einen zum Meere stürzenden Bach mit einem breiten Gewölbe
überspannt, sind alle alten Einrichtungen zur Bestreichung der Öffnung noch
vorhanden.

Der Strand zeigt einen eigentümlich leichten schwarzen Sand, der sich fast
wie Lavamasse anfühlt und verrät, daß sein Ursprung ganz andrer Arbeit zu
verdanken ist, als der unsrer nördlichen Küste. Lebhaftes Treiben herrscht an
diesem, vom Handelshafen durch eine steil zum Meer abstürzende Felsplatte
getrennten Fischerhafen. Fischerboote, die in ihrer Form, dem hohen Aufbau
des Bug und des Heat bei niedrigen Seitenwänden und in ihrer bunten Be¬
malung an die alte Galeere erinnern und an den Nudergriffeu keulenartige
Verstärkungen, wohl als Gegengewicht, haben, waren an Land gezogen. Dahinter
lagerten in Gruppen, ihr Essen zubereitend, bunt bekleidet aber doch meist mit
recht ärmlichen Fetzen behängt, die kräftigen Gestalten der Schiffer und Fischer,
die durchaus nicht alle einen vertrauenerweckenden.Eindruck machten. Hinter
ihnen führten die Verkaufsreihen von Obsthändlern allmählich zum Basar, durch
dessen schmale abschüssige Gassen wir unsern ersten Rundgang beendeten. Mit
den Goldschmieden handelseins zu werden, die ihre Ware, saubere Filigran¬
arbeiten, Ketten, Gefäße, Kästchen, Schnallen u. a., nach Gewicht verkaufen,
wollte nicht gelingen. Dafür bot sich mancherlei Gelegenheit, von der Straße
aus der Ausübung verschiedner handwerksmäßiger Tätigkeit in den engen
Räumen hinter dem Verkaufstische zuzuschauen, zum Beispiel den Wollzupfern,
die mit der Sehne eines Flitzbogens weiße Angoraschafwolle bearbeiteten, den
Kupferschmieden, die kupferne Trinkgefäße und Kochgeschirre cmsbeulten, den
Teppichknüpfern, Schustern, Kochen, Bäckern, die ihr Gewerbe gerade so wenig


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[0420] Drei Tage in Traxezunt Zypressenallee luden doch zu lungern Verweilen ein. Ein paar jüngere Moscheendiener kostete der Gehorsam gegen den Koran harten Kampf, als sie sich ihm folgend weigern mußten, vor unserm Kodak standzuhalten. Auch die Knaben, die aus der Schule kommend, in langer Reihe paarweise gehend, unsern Weg kreuzten, waren von dem Gebot unerschütterlicher Ruhe und Gelassen¬ heit gegenüber allem Fremden, Ungewöhnlichen nicht so durchdrungen, daß sie die braunen zu Boden gerichteten Augen nicht einmal auf uns erhoben und verstohlen gelächelt hätten. Ganz stille winklige Straßen in unübersichtlicher Planlosigkeit führen hinunter zum Fischerhafen. Alle haben sie mit den Basarstraßen die Eigentüm¬ lichkeit, daß in der Mitte schmale tiefe Rinnen dem Wasserabfluß dienen und auf beiden Seiten deren verhältnismäßig gutes Pflaster als Trottoir und Räder¬ spur dient. Leichtsinnigerweise bewegt sich ab und zu ein Fahrzeug durch diese hohlen Gassen auf gut Glück, daß ihm kein andres begegnet. Sonst füllt die Anpassung des Lebens an das Tote, Alte hin und wieder auf. Nicht bloß Haustiere finden in den Mauertrümmern ihren Stall, sondern auch Menschen haben sich schlecht und recht darin einzurichten verstanden. Wo die hohe Ufermaner, die sich an eine flache, mit tiefen Scharten versehene Bastion anschließt, den einen zum Meere stürzenden Bach mit einem breiten Gewölbe überspannt, sind alle alten Einrichtungen zur Bestreichung der Öffnung noch vorhanden. Der Strand zeigt einen eigentümlich leichten schwarzen Sand, der sich fast wie Lavamasse anfühlt und verrät, daß sein Ursprung ganz andrer Arbeit zu verdanken ist, als der unsrer nördlichen Küste. Lebhaftes Treiben herrscht an diesem, vom Handelshafen durch eine steil zum Meer abstürzende Felsplatte getrennten Fischerhafen. Fischerboote, die in ihrer Form, dem hohen Aufbau des Bug und des Heat bei niedrigen Seitenwänden und in ihrer bunten Be¬ malung an die alte Galeere erinnern und an den Nudergriffeu keulenartige Verstärkungen, wohl als Gegengewicht, haben, waren an Land gezogen. Dahinter lagerten in Gruppen, ihr Essen zubereitend, bunt bekleidet aber doch meist mit recht ärmlichen Fetzen behängt, die kräftigen Gestalten der Schiffer und Fischer, die durchaus nicht alle einen vertrauenerweckenden.Eindruck machten. Hinter ihnen führten die Verkaufsreihen von Obsthändlern allmählich zum Basar, durch dessen schmale abschüssige Gassen wir unsern ersten Rundgang beendeten. Mit den Goldschmieden handelseins zu werden, die ihre Ware, saubere Filigran¬ arbeiten, Ketten, Gefäße, Kästchen, Schnallen u. a., nach Gewicht verkaufen, wollte nicht gelingen. Dafür bot sich mancherlei Gelegenheit, von der Straße aus der Ausübung verschiedner handwerksmäßiger Tätigkeit in den engen Räumen hinter dem Verkaufstische zuzuschauen, zum Beispiel den Wollzupfern, die mit der Sehne eines Flitzbogens weiße Angoraschafwolle bearbeiteten, den Kupferschmieden, die kupferne Trinkgefäße und Kochgeschirre cmsbeulten, den Teppichknüpfern, Schustern, Kochen, Bäckern, die ihr Gewerbe gerade so wenig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/420>, abgerufen am 27.12.2024.