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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebnches

einmal solche, die die Eigenschaften des Kaisers zum Ausdruck bringen, und dann solche,
die seine militärischen und politischen Anschauungen und seine Tätigkeit in diesen
Beziehungen in ihrer Entwicklung zeigen. Eigentlich amtliche Stücke sind aus¬
geschlossen, weil bei ihnen der persönliche Anteil des Monarchen selten zu erkennen
ist. Der erste Band umfaßt die Zeit bis zur Thronbesteigung (2. Januar 1861)
in drei Abschnitten: Prinz Wilhelm von Preußen, 1797 bis 1840; der Prinz von
Preußen, 1340 bis 1857; die Regentschaft. 1857 bis 1861; der zweite umfaßt
die Regierung des Königs und Kaisers: Wilhelm, König von Preußen, 1861 bis
1871; der Deutsche Kaiser. 1871 bis 1888. In jedem sind die Stücke einfach
chronologisch geordnet, und jedem hat der Herausgeber orientierende Einleitungen
beigegeben, die zuweilen auch eine kritische Polemik enthalten, wie die II, 145 ff.,
die Bismarcks Auffassung von der Haltung des Königs in Ems, Juli 1870, zu
widerlegen sucht. Im übrigen sind außerdem die Empfänger der Briefe und die
Quellen zusammengestellt. So führt uns die Sammlung eine ganze lange Periode
der deutschen und preußischen Geschichte, eine Zeit von achtzig Jahren (1809 bis
1888) in authentischen Äußerungen eines Mannes vor Augen, der sie nicht nur
scharf beobachtet und miterlebt, sondern dreißig Jahre lang an der höchsten leitenden
Stelle Deutschlands mit gemacht hat. Und dieser Mann zeigt das Merkmal echter
Größe: er gewinnt um so mehr, je näher man ihn kennen lernt; es ist immer der¬
selbe ehrliche, schlichte, bescheidne, feste, gütige Charakter, derselbe nüchterne, klare
Verstand, der aus diesen Äußerungen redet. Solche Reihen von Briefen und münd¬
lichen Erklärungen, wie sie die Krisis von 1866 begleiten, und noch mehr die
von 1870/71, sind historische Denkmale ersten Ranges, ein nationaler Schatz. Wie
ringt er 1866 mit sich selbst, bis er sich klar darüber wird, daß die Gegner sein
geliebtes Preußen demütigen und zerstören wollen (womit er vollkommen recht hatte),
und bis er sich schweren Herzens zum Krieg entschließt, wie schlicht und demütig
empfindet er über die Taten seines herrlichen Heeres, fast beklommen, ohne jede
Überhebung nimmt er seine eignen Siege hin, und die Freude über alle diese Er¬
folge wird immer wieder gedämpft durch die Trauer über die Gefallnen und durch
das Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen, die sich immer
schwerer auf seine Schultern legt. Ein besseres Mittel, seinen ersten Kaiser immer
besser kennen, und was dasselbe ist, verehren zu lernen, als diese Sammlung, konnte
dem deutschen Volke gar nicht geboten werden.

Im Anschluß daran bemerken wir noch, daß von der trefflichen Biographie
Heinrich Abekens, der in manchen entscheidenden Momenten dieser bewegten
Jahre seinem königlichen Herrn besonders nahe stand, eine dritte, vermehrte Auflage
erschienen ist (Berlin, 1904, E. S. Mittler). Die Vermehrung bezieht sich besonders
auf die spanische Thronkandidatur und die Vorgänge in Ems im Juli 1870; sie
besteht in Notizen aus dem Tagebuch Abekens und einigen zwischen ihm und Bis-
marck gewechselten charakteristischen Briefen. Neu beigegeben ist ein Faksimile des
Extrablatts der Kölnischen Zeitung vom 12. Juli 1870 mit der Nachricht von
dem Verzicht des Prinzen Leopold auf die spanische Thronkandidatur und einer
handschriftlichen Bemerkung Abekens, desselben Blattes, das am 13. Juli Morgens
König Wilhelm aus Abekens Hand erhielt und Benedetti mitteilte, worauf dann
di " eser das bekannte dreiste Verlangen stellte, das zum Kriege führte.




Maßgebliches und Unmaßgebnches

einmal solche, die die Eigenschaften des Kaisers zum Ausdruck bringen, und dann solche,
die seine militärischen und politischen Anschauungen und seine Tätigkeit in diesen
Beziehungen in ihrer Entwicklung zeigen. Eigentlich amtliche Stücke sind aus¬
geschlossen, weil bei ihnen der persönliche Anteil des Monarchen selten zu erkennen
ist. Der erste Band umfaßt die Zeit bis zur Thronbesteigung (2. Januar 1861)
in drei Abschnitten: Prinz Wilhelm von Preußen, 1797 bis 1840; der Prinz von
Preußen, 1340 bis 1857; die Regentschaft. 1857 bis 1861; der zweite umfaßt
die Regierung des Königs und Kaisers: Wilhelm, König von Preußen, 1861 bis
1871; der Deutsche Kaiser. 1871 bis 1888. In jedem sind die Stücke einfach
chronologisch geordnet, und jedem hat der Herausgeber orientierende Einleitungen
beigegeben, die zuweilen auch eine kritische Polemik enthalten, wie die II, 145 ff.,
die Bismarcks Auffassung von der Haltung des Königs in Ems, Juli 1870, zu
widerlegen sucht. Im übrigen sind außerdem die Empfänger der Briefe und die
Quellen zusammengestellt. So führt uns die Sammlung eine ganze lange Periode
der deutschen und preußischen Geschichte, eine Zeit von achtzig Jahren (1809 bis
1888) in authentischen Äußerungen eines Mannes vor Augen, der sie nicht nur
scharf beobachtet und miterlebt, sondern dreißig Jahre lang an der höchsten leitenden
Stelle Deutschlands mit gemacht hat. Und dieser Mann zeigt das Merkmal echter
Größe: er gewinnt um so mehr, je näher man ihn kennen lernt; es ist immer der¬
selbe ehrliche, schlichte, bescheidne, feste, gütige Charakter, derselbe nüchterne, klare
Verstand, der aus diesen Äußerungen redet. Solche Reihen von Briefen und münd¬
lichen Erklärungen, wie sie die Krisis von 1866 begleiten, und noch mehr die
von 1870/71, sind historische Denkmale ersten Ranges, ein nationaler Schatz. Wie
ringt er 1866 mit sich selbst, bis er sich klar darüber wird, daß die Gegner sein
geliebtes Preußen demütigen und zerstören wollen (womit er vollkommen recht hatte),
und bis er sich schweren Herzens zum Krieg entschließt, wie schlicht und demütig
empfindet er über die Taten seines herrlichen Heeres, fast beklommen, ohne jede
Überhebung nimmt er seine eignen Siege hin, und die Freude über alle diese Er¬
folge wird immer wieder gedämpft durch die Trauer über die Gefallnen und durch
das Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen, die sich immer
schwerer auf seine Schultern legt. Ein besseres Mittel, seinen ersten Kaiser immer
besser kennen, und was dasselbe ist, verehren zu lernen, als diese Sammlung, konnte
dem deutschen Volke gar nicht geboten werden.

Im Anschluß daran bemerken wir noch, daß von der trefflichen Biographie
Heinrich Abekens, der in manchen entscheidenden Momenten dieser bewegten
Jahre seinem königlichen Herrn besonders nahe stand, eine dritte, vermehrte Auflage
erschienen ist (Berlin, 1904, E. S. Mittler). Die Vermehrung bezieht sich besonders
auf die spanische Thronkandidatur und die Vorgänge in Ems im Juli 1870; sie
besteht in Notizen aus dem Tagebuch Abekens und einigen zwischen ihm und Bis-
marck gewechselten charakteristischen Briefen. Neu beigegeben ist ein Faksimile des
Extrablatts der Kölnischen Zeitung vom 12. Juli 1870 mit der Nachricht von
dem Verzicht des Prinzen Leopold auf die spanische Thronkandidatur und einer
handschriftlichen Bemerkung Abekens, desselben Blattes, das am 13. Juli Morgens
König Wilhelm aus Abekens Hand erhielt und Benedetti mitteilte, worauf dann
di » eser das bekannte dreiste Verlangen stellte, das zum Kriege führte.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/340>, abgerufen am 27.12.2024.