Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Llizabeth Percy sie wollte nicht, daß weil sie sich mit Sir Thomas Thynne verheiratete, Harry Das war die Hauptsumme von dem, was die Welt Elizabeth Percy gelehrt Deswegen ritt sie nun so unbekümmert und so neckisch an Harrys Seite über Ich hätte ein Mann sein sollen, Harry, sagte sie auf dem Wege zu ihm, denn Eine weniger treue hättet Ihr haben können, Lady Elizabeth, sagte Harry, Und eine weniger es,rcmebo, sagte sie listig mit einem langen und schelmischen Ich glaube nicht, daß Ihr Euch über meine eräsur beklagen würdet, sagte "Falls" . . . "falls", immer "falls"! Komm, laß uns dort über die Hecke setzen! Sie gab dem Pferde die Zügel, stürmte über Felder und Zäune dahin. Der Plötzlich hielt sie an -- atemlos, rot im Gesicht, das Haar um die Wangen Dies ist Leben! ... Sie schnappte nach Luft und preßte die Hand aufs Herz. "Und dann" . . . kaltes Wasser! sagte er lakonisch. Aber auch seine Augen Ich freue mich auf diese Reise, sagte Lady Elizabeth ruhiger mit einem glück¬ Llizabeth Percy sie wollte nicht, daß weil sie sich mit Sir Thomas Thynne verheiratete, Harry Das war die Hauptsumme von dem, was die Welt Elizabeth Percy gelehrt Deswegen ritt sie nun so unbekümmert und so neckisch an Harrys Seite über Ich hätte ein Mann sein sollen, Harry, sagte sie auf dem Wege zu ihm, denn Eine weniger treue hättet Ihr haben können, Lady Elizabeth, sagte Harry, Und eine weniger es,rcmebo, sagte sie listig mit einem langen und schelmischen Ich glaube nicht, daß Ihr Euch über meine eräsur beklagen würdet, sagte „Falls" . . . „falls", immer „falls"! Komm, laß uns dort über die Hecke setzen! Sie gab dem Pferde die Zügel, stürmte über Felder und Zäune dahin. Der Plötzlich hielt sie an — atemlos, rot im Gesicht, das Haar um die Wangen Dies ist Leben! ... Sie schnappte nach Luft und preßte die Hand aufs Herz. „Und dann" . . . kaltes Wasser! sagte er lakonisch. Aber auch seine Augen Ich freue mich auf diese Reise, sagte Lady Elizabeth ruhiger mit einem glück¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300121"/> <fw type="header" place="top"> Llizabeth Percy</fw><lb/> <p xml:id="ID_1203" prev="#ID_1202"> sie wollte nicht, daß weil sie sich mit Sir Thomas Thynne verheiratete, Harry<lb/> anders sein sollte, als er war, und aufhören, sie lieb zu haben. Disteln wachsen<lb/> immer genug auf unserm Wege, wie im Andachtsbuch steht, räsonierte sie, weshalb<lb/> soll man Angst davor haben, Rosen zu berühren, weil sie Dornen haben, und es<lb/> keine Rosen ohne Dornen gibt? Nein, man muß sie so nehmen, wie sie sind. . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_1204"> Das war die Hauptsumme von dem, was die Welt Elizabeth Percy gelehrt<lb/> hatte, das war ihre Philosophie, und an die hielt sie sich — bis auf weiteres.</p><lb/> <p xml:id="ID_1205"> Deswegen ritt sie nun so unbekümmert und so neckisch an Harrys Seite über<lb/> die Brücke, hinaus in die weite, weite Welt, und deshalb konnte sie dem festen<lb/> Schloß, das ihre Kindheitserinnerungen und ihre ersten Jugendtrcimne barg, so<lb/> vÄVsIiersment, Lebewohl zuwinken. Elizabeth Percy fürchtete sich nicht vor der<lb/> weiten, weiten Welt, Harry konnte ihretwegen sein, was er wollte — auch war<lb/> sie nicht bange, sich darin zu verlieren. Wenn sie wieder nach Hause kam, so<lb/> würde sie, davon war sie fest überzeugt, die Schürze voll von Disteln, Rosen und<lb/> Dornen haben. Sie freute sich ans die Ernte — das tat er aber nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1206"> Ich hätte ein Mann sein sollen, Harry, sagte sie auf dem Wege zu ihm, denn<lb/> an diesem Tage war sie in der Stimmung, daß sie alles sagte, was ihr einfiel.<lb/> Ein Ritter mit Schwert und Sporen, ömpima-eus smrubkrms — sie stemmte barsch<lb/> die Hand in die Seite und zwinkerte mit den Augen, die der Morgensonne ent¬<lb/> gegenstrahlten. Und du armer Harry, der du so bange bist und Herzklopfen be¬<lb/> kommst, wenn wir die Zinnen von Alnwick und die Tulpen in Mistreß Annas<lb/> Zimmer nicht mehr sehen — du hättest meine Braut sein sollen, die mit Spindel<lb/> und Nadel auf mich wartete. . .</p><lb/> <p xml:id="ID_1207"> Eine weniger treue hättet Ihr haben können, Lady Elizabeth, sagte Harry,<lb/> aber sie sah, daß die Lippe unter dem dünnen, schwarzen Bart, auf den die Mode<lb/> jetzt den Schnurrbart eines Mannes reduziert hatte, anfing, sich zu einem Lächeln<lb/> zu kräuseln.</p><lb/> <p xml:id="ID_1208"> Und eine weniger es,rcmebo, sagte sie listig mit einem langen und schelmischen<lb/> Blick unter den Brauen, sodaß der arme Harry völlig den Kopf verlor.</p><lb/> <p xml:id="ID_1209"> Ich glaube nicht, daß Ihr Euch über meine eräsur beklagen würdet, sagte<lb/> er warm, falls . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_1210"> „Falls" . . . „falls", immer „falls"! Komm, laß uns dort über die Hecke setzen!<lb/> Mit jeder Hecke springen wir über ein „falls" . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_1211"> Sie gab dem Pferde die Zügel, stürmte über Felder und Zäune dahin. Der<lb/> Nebel war nun völlig einer strahlenden Sonne gewichen, und der Lenzwind fegte<lb/> den Himmel rein wie einen Spiegel. Nur im Schatten lag noch Reif am Boden.<lb/> Harry folgte ihr — alle die andern waren schon weit hinter ihnen zurückgeblieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1212"> Plötzlich hielt sie an — atemlos, rot im Gesicht, das Haar um die Wangen<lb/> hinabfallend, den grünen Hut tief über dem einen Ohr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1213"> Dies ist Leben! ... Sie schnappte nach Luft und preßte die Hand aufs Herz.<lb/> Du großer Gott — England ist viel zu klein für mich, Harry. Wenn wir in<lb/> diesem Tempo weiter reiten, sind wir bald in Dover — und dann ... Sie machte<lb/> eine Bewegung, als versuche sie, das Pferd zurückzuhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1214"> „Und dann" . . . kaltes Wasser! sagte er lakonisch. Aber auch seine Augen<lb/> strahlten, und einen Augenblick hatte er — wie er dort allein mit ihr auf der<lb/> Landstraße ritt — ein Gefühl, als sei es ihnen wirklich gelungen, gemeinsam über<lb/> alle die „falls" hinwegzusetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1215" next="#ID_1216"> Ich freue mich auf diese Reise, sagte Lady Elizabeth ruhiger mit einem glück¬<lb/> lichen Seufzer. Harry half ihr, den Hut zu befestigen, und war so davon in<lb/> Anspruch genommen, daß er wirklich anfänglich nicht recht hörte, was sie sagte.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0334]
Llizabeth Percy
sie wollte nicht, daß weil sie sich mit Sir Thomas Thynne verheiratete, Harry
anders sein sollte, als er war, und aufhören, sie lieb zu haben. Disteln wachsen
immer genug auf unserm Wege, wie im Andachtsbuch steht, räsonierte sie, weshalb
soll man Angst davor haben, Rosen zu berühren, weil sie Dornen haben, und es
keine Rosen ohne Dornen gibt? Nein, man muß sie so nehmen, wie sie sind. . . .
Das war die Hauptsumme von dem, was die Welt Elizabeth Percy gelehrt
hatte, das war ihre Philosophie, und an die hielt sie sich — bis auf weiteres.
Deswegen ritt sie nun so unbekümmert und so neckisch an Harrys Seite über
die Brücke, hinaus in die weite, weite Welt, und deshalb konnte sie dem festen
Schloß, das ihre Kindheitserinnerungen und ihre ersten Jugendtrcimne barg, so
vÄVsIiersment, Lebewohl zuwinken. Elizabeth Percy fürchtete sich nicht vor der
weiten, weiten Welt, Harry konnte ihretwegen sein, was er wollte — auch war
sie nicht bange, sich darin zu verlieren. Wenn sie wieder nach Hause kam, so
würde sie, davon war sie fest überzeugt, die Schürze voll von Disteln, Rosen und
Dornen haben. Sie freute sich ans die Ernte — das tat er aber nicht.
Ich hätte ein Mann sein sollen, Harry, sagte sie auf dem Wege zu ihm, denn
an diesem Tage war sie in der Stimmung, daß sie alles sagte, was ihr einfiel.
Ein Ritter mit Schwert und Sporen, ömpima-eus smrubkrms — sie stemmte barsch
die Hand in die Seite und zwinkerte mit den Augen, die der Morgensonne ent¬
gegenstrahlten. Und du armer Harry, der du so bange bist und Herzklopfen be¬
kommst, wenn wir die Zinnen von Alnwick und die Tulpen in Mistreß Annas
Zimmer nicht mehr sehen — du hättest meine Braut sein sollen, die mit Spindel
und Nadel auf mich wartete. . .
Eine weniger treue hättet Ihr haben können, Lady Elizabeth, sagte Harry,
aber sie sah, daß die Lippe unter dem dünnen, schwarzen Bart, auf den die Mode
jetzt den Schnurrbart eines Mannes reduziert hatte, anfing, sich zu einem Lächeln
zu kräuseln.
Und eine weniger es,rcmebo, sagte sie listig mit einem langen und schelmischen
Blick unter den Brauen, sodaß der arme Harry völlig den Kopf verlor.
Ich glaube nicht, daß Ihr Euch über meine eräsur beklagen würdet, sagte
er warm, falls . . .
„Falls" . . . „falls", immer „falls"! Komm, laß uns dort über die Hecke setzen!
Mit jeder Hecke springen wir über ein „falls" . . .
Sie gab dem Pferde die Zügel, stürmte über Felder und Zäune dahin. Der
Nebel war nun völlig einer strahlenden Sonne gewichen, und der Lenzwind fegte
den Himmel rein wie einen Spiegel. Nur im Schatten lag noch Reif am Boden.
Harry folgte ihr — alle die andern waren schon weit hinter ihnen zurückgeblieben.
Plötzlich hielt sie an — atemlos, rot im Gesicht, das Haar um die Wangen
hinabfallend, den grünen Hut tief über dem einen Ohr.
Dies ist Leben! ... Sie schnappte nach Luft und preßte die Hand aufs Herz.
Du großer Gott — England ist viel zu klein für mich, Harry. Wenn wir in
diesem Tempo weiter reiten, sind wir bald in Dover — und dann ... Sie machte
eine Bewegung, als versuche sie, das Pferd zurückzuhalten.
„Und dann" . . . kaltes Wasser! sagte er lakonisch. Aber auch seine Augen
strahlten, und einen Augenblick hatte er — wie er dort allein mit ihr auf der
Landstraße ritt — ein Gefühl, als sei es ihnen wirklich gelungen, gemeinsam über
alle die „falls" hinwegzusetzen.
Ich freue mich auf diese Reise, sagte Lady Elizabeth ruhiger mit einem glück¬
lichen Seufzer. Harry half ihr, den Hut zu befestigen, und war so davon in
Anspruch genommen, daß er wirklich anfänglich nicht recht hörte, was sie sagte.
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