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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Von Fachmännern wie Wallot und andern abgegebne Urteile behaupten, es stehe fest
die Fassade des Ott-Heinrichbaues sei so schlecht und krank, daß täglich und stündlich
ein Zusammenbruch befürchtet werden müsse. Trotz dieser fachmännischer Urteile,
trotz der schon vor Jahren von Oberbaurat Schäfer in Karlsruhe vertretnen gleichen
Ansicht hat die Kammer jetzt, nach Ablehnung der Regierungsforderung, einen An¬
trag angenommen, dahingehend, man solle an alle deutschen Architekten ein Preis¬
ausschreiben erlassen, um etwaige Mittel zur Erhaltung des Baues in seiner gegen¬
wärtigen Gestalt zu gewinnen. Der Minister hat mit Recht dem Landtage die
Verantwortung für alle Unglücksfälle auferlegt, die durch einen Zusammensturz der
Ruine entstehn können. Nach Zeitungsnachrichten sollen die Heidelberger Studenten
gedroht haben, die Universität für immer zu verlassen, wenn die Ruine aufgebaut
würde. Die guten Heidelberger haben dem gewiß schönen jetzigen Landschaftsbild
aber selbst ganz besonders dadurch geschadet, daß sie den Bau von Gasthöfen und
Villen in fast unmittelbarer Nähe des Schlosses zuließen. Diese Bauten stören den
Blick auf das Schloß und auf das ganze Landschaftsbild, und nur ein passender
Aufbau des Schlosses könnte da Abhilfe schaffen und den Schloßbau wieder unter
den umliegenden Gebäuden mehr hervortreten lassen. Darüber, daß man durch
das Unterlassen des Aufbaues das Zeichen der Schmach verewigt, mit der uns
Ludwig der Vierzehnte durch die von ihm ausdrücklich befohlene Zerstörung des
Heidelberger Schlosses bedeckt hat, habe ich mich schon in dem oben erwähnten Auf¬
satz ausgesprochen und deshalb den Wiederaufbau des Schlosses als eine patriotische
Pflicht ganz Deutschlands bezeichnet. Bauen wir das Schloß nicht wieder auf, so
müßten wir eigentlich dem "Sonnenkönig" Ludwig dem Vierzehnten als Dank für
"Deutschlands schönste und größte Ruine", wie das Heidelberger Schloß vou den
Schwärmern für die Ruine genannt wird, ein Denkmal in Heidelberg setzen und
auf diesem Denkmal, das das mehr als lebensgroße Standbild des französischen
Herrschers darzustellen hätte, auch ein Reliefbild des Pfalzverwüsters Melac an¬
b C. v. b. ringen.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Von Fachmännern wie Wallot und andern abgegebne Urteile behaupten, es stehe fest
die Fassade des Ott-Heinrichbaues sei so schlecht und krank, daß täglich und stündlich
ein Zusammenbruch befürchtet werden müsse. Trotz dieser fachmännischer Urteile,
trotz der schon vor Jahren von Oberbaurat Schäfer in Karlsruhe vertretnen gleichen
Ansicht hat die Kammer jetzt, nach Ablehnung der Regierungsforderung, einen An¬
trag angenommen, dahingehend, man solle an alle deutschen Architekten ein Preis¬
ausschreiben erlassen, um etwaige Mittel zur Erhaltung des Baues in seiner gegen¬
wärtigen Gestalt zu gewinnen. Der Minister hat mit Recht dem Landtage die
Verantwortung für alle Unglücksfälle auferlegt, die durch einen Zusammensturz der
Ruine entstehn können. Nach Zeitungsnachrichten sollen die Heidelberger Studenten
gedroht haben, die Universität für immer zu verlassen, wenn die Ruine aufgebaut
würde. Die guten Heidelberger haben dem gewiß schönen jetzigen Landschaftsbild
aber selbst ganz besonders dadurch geschadet, daß sie den Bau von Gasthöfen und
Villen in fast unmittelbarer Nähe des Schlosses zuließen. Diese Bauten stören den
Blick auf das Schloß und auf das ganze Landschaftsbild, und nur ein passender
Aufbau des Schlosses könnte da Abhilfe schaffen und den Schloßbau wieder unter
den umliegenden Gebäuden mehr hervortreten lassen. Darüber, daß man durch
das Unterlassen des Aufbaues das Zeichen der Schmach verewigt, mit der uns
Ludwig der Vierzehnte durch die von ihm ausdrücklich befohlene Zerstörung des
Heidelberger Schlosses bedeckt hat, habe ich mich schon in dem oben erwähnten Auf¬
satz ausgesprochen und deshalb den Wiederaufbau des Schlosses als eine patriotische
Pflicht ganz Deutschlands bezeichnet. Bauen wir das Schloß nicht wieder auf, so
müßten wir eigentlich dem „Sonnenkönig" Ludwig dem Vierzehnten als Dank für
„Deutschlands schönste und größte Ruine", wie das Heidelberger Schloß vou den
Schwärmern für die Ruine genannt wird, ein Denkmal in Heidelberg setzen und
auf diesem Denkmal, das das mehr als lebensgroße Standbild des französischen
Herrschers darzustellen hätte, auch ein Reliefbild des Pfalzverwüsters Melac an¬
b C. v. b. ringen.




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[0288] Maßgebliches und Unmaßgebliches Von Fachmännern wie Wallot und andern abgegebne Urteile behaupten, es stehe fest die Fassade des Ott-Heinrichbaues sei so schlecht und krank, daß täglich und stündlich ein Zusammenbruch befürchtet werden müsse. Trotz dieser fachmännischer Urteile, trotz der schon vor Jahren von Oberbaurat Schäfer in Karlsruhe vertretnen gleichen Ansicht hat die Kammer jetzt, nach Ablehnung der Regierungsforderung, einen An¬ trag angenommen, dahingehend, man solle an alle deutschen Architekten ein Preis¬ ausschreiben erlassen, um etwaige Mittel zur Erhaltung des Baues in seiner gegen¬ wärtigen Gestalt zu gewinnen. Der Minister hat mit Recht dem Landtage die Verantwortung für alle Unglücksfälle auferlegt, die durch einen Zusammensturz der Ruine entstehn können. Nach Zeitungsnachrichten sollen die Heidelberger Studenten gedroht haben, die Universität für immer zu verlassen, wenn die Ruine aufgebaut würde. Die guten Heidelberger haben dem gewiß schönen jetzigen Landschaftsbild aber selbst ganz besonders dadurch geschadet, daß sie den Bau von Gasthöfen und Villen in fast unmittelbarer Nähe des Schlosses zuließen. Diese Bauten stören den Blick auf das Schloß und auf das ganze Landschaftsbild, und nur ein passender Aufbau des Schlosses könnte da Abhilfe schaffen und den Schloßbau wieder unter den umliegenden Gebäuden mehr hervortreten lassen. Darüber, daß man durch das Unterlassen des Aufbaues das Zeichen der Schmach verewigt, mit der uns Ludwig der Vierzehnte durch die von ihm ausdrücklich befohlene Zerstörung des Heidelberger Schlosses bedeckt hat, habe ich mich schon in dem oben erwähnten Auf¬ satz ausgesprochen und deshalb den Wiederaufbau des Schlosses als eine patriotische Pflicht ganz Deutschlands bezeichnet. Bauen wir das Schloß nicht wieder auf, so müßten wir eigentlich dem „Sonnenkönig" Ludwig dem Vierzehnten als Dank für „Deutschlands schönste und größte Ruine", wie das Heidelberger Schloß vou den Schwärmern für die Ruine genannt wird, ein Denkmal in Heidelberg setzen und auf diesem Denkmal, das das mehr als lebensgroße Standbild des französischen Herrschers darzustellen hätte, auch ein Reliefbild des Pfalzverwüsters Melac an¬ b C. v. b. ringen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/288>, abgerufen am 23.07.2024.