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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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die Ausfuhr (Opium, Mehl. Tabak. Früchte) annähernd zehneinhalb Millionen
Mark. Mit 10000 Einwohnern Hauptort des Sandschaks Dshcmik, ist es Sitz,
mehrerer Konsulate und auch äußerlich ein Platz, der einen gewissen Wohlstand
verrät und einen wohlgeordneten Eindruck macht. Die geraden Straßen sind
besser als die in Konstantinopel, die Häuser regelmäßiger, ordentlicher, fester;
im armenischen Stadtteil lösen tadellose Villen, die Wohnungen wohlhabender
Kaufleute und der zahlreichen Schiffsagenten und Konsularbeamten, einander
ab. Die Häuser klettern zu dem auf einer Anhöhe über der Stadt liegenden
geräumigen Spital empor und sind von Gurten umgeben. Unten an der Basar¬
straße war reges Leben, Verkaufsstand reihte sich an Verkaufsstand bis zu dem
großen Zollabfertigungsgebäude, von dem aus sich je ein Landungssteg für
Personen und Güter weit in das Wasser der Bai erstreckt.

Leider hatten uns recht üble Nachrichten vom Agenten, daß in Batna alles
drunter und drüber gehe, und daß die Behörden keinen Einfluß hätten, die
Schwingen etwas gelähmt und ließen uns einen Besuch des alten Kastells
neben dem Leuchtturm über der Besprechung neuer Pläne vergessen. Als wir
an Bord zurückgekehrt waren, fehlte fahrplanmäßig die Zeit, das Versäumte
nachzuholen. Unsre Pläne aber, uns nötigenfalls quer durch Kleinasien zu
schlagen, wurden bei dem Mangel geeigneter Karten etwas phantastisch. Doch
beschlossen wir, vorerst uns treu zu bleiben und bis Trapezunt zu fahren und
glaubten, die Angelegenheit um so eher "dilatorisch behandeln" zu können, als
wir in Trapezunt einen deutschen und einen russischen Konsul finden sollten.
Und so blieben wir an Deck und konnten während der Stunden, um die der
Kapitän der voraussichtlich glatten Fahrt wegen die Abfahrt hinausschob, mit
Behagen das Landschaftsbild und das Hafentreiben bei angenehmer Temperatur
vom Deck aus bewundern. Jetzt traten auch im Osten schneebedeckte Berge aus
dem leichten Nebelschleier heraus und glitzerten in der Sonne. Die länder¬
kundigen Reisegenossen meinten diesesmal an den Genfer See erinnert zu werden.
Als gar ein Dampfer der Hamburger Levantelinie, der große Skyros, einlief,
und dessen liebenswürdiger Kapitän uns verhieß, er würde auf alle Fälle Batna
anlaufen, sich auch erbot, uns mitzunehmen, blieb nur noch Genußstimmung
übrig und äußerte sich in harmlosen Spiel mit den Möwen, gesundem Appetit
und später in einer Mondscheinpromenade an Deck. Und der Tag schloß friedlich
mit dem unvermeidlichen Skat, dessen Gewinst, in einer Festkasse thesauriert,
zu einem Schlußfest in Moskau bestimmt worden war.

Auch vor Kerassund hielt der Unsitte einige Stunden. Wieder war es
ein taufrischer Morgen, als der Anker fiel, und der übliche Lärm sich über uns
erhob, fremdartig an die Ohren klang. Alle möglichen nicht zu erkennenden
Sprachen werden hier gesprochen, nur nicht Deutsch. Die Schiffsbesatzung be¬
steht aus Dalmatinern, Slowenen und Slowaken, Ungarn vielleicht und Italienern,
und ganz allein der Steward und der eine von den Offizieren konnte sich mit
uns verständigen, da unser gesamtes Italienisch bei der Zungengeläufigkeit dieser


die Ausfuhr (Opium, Mehl. Tabak. Früchte) annähernd zehneinhalb Millionen
Mark. Mit 10000 Einwohnern Hauptort des Sandschaks Dshcmik, ist es Sitz,
mehrerer Konsulate und auch äußerlich ein Platz, der einen gewissen Wohlstand
verrät und einen wohlgeordneten Eindruck macht. Die geraden Straßen sind
besser als die in Konstantinopel, die Häuser regelmäßiger, ordentlicher, fester;
im armenischen Stadtteil lösen tadellose Villen, die Wohnungen wohlhabender
Kaufleute und der zahlreichen Schiffsagenten und Konsularbeamten, einander
ab. Die Häuser klettern zu dem auf einer Anhöhe über der Stadt liegenden
geräumigen Spital empor und sind von Gurten umgeben. Unten an der Basar¬
straße war reges Leben, Verkaufsstand reihte sich an Verkaufsstand bis zu dem
großen Zollabfertigungsgebäude, von dem aus sich je ein Landungssteg für
Personen und Güter weit in das Wasser der Bai erstreckt.

Leider hatten uns recht üble Nachrichten vom Agenten, daß in Batna alles
drunter und drüber gehe, und daß die Behörden keinen Einfluß hätten, die
Schwingen etwas gelähmt und ließen uns einen Besuch des alten Kastells
neben dem Leuchtturm über der Besprechung neuer Pläne vergessen. Als wir
an Bord zurückgekehrt waren, fehlte fahrplanmäßig die Zeit, das Versäumte
nachzuholen. Unsre Pläne aber, uns nötigenfalls quer durch Kleinasien zu
schlagen, wurden bei dem Mangel geeigneter Karten etwas phantastisch. Doch
beschlossen wir, vorerst uns treu zu bleiben und bis Trapezunt zu fahren und
glaubten, die Angelegenheit um so eher „dilatorisch behandeln" zu können, als
wir in Trapezunt einen deutschen und einen russischen Konsul finden sollten.
Und so blieben wir an Deck und konnten während der Stunden, um die der
Kapitän der voraussichtlich glatten Fahrt wegen die Abfahrt hinausschob, mit
Behagen das Landschaftsbild und das Hafentreiben bei angenehmer Temperatur
vom Deck aus bewundern. Jetzt traten auch im Osten schneebedeckte Berge aus
dem leichten Nebelschleier heraus und glitzerten in der Sonne. Die länder¬
kundigen Reisegenossen meinten diesesmal an den Genfer See erinnert zu werden.
Als gar ein Dampfer der Hamburger Levantelinie, der große Skyros, einlief,
und dessen liebenswürdiger Kapitän uns verhieß, er würde auf alle Fälle Batna
anlaufen, sich auch erbot, uns mitzunehmen, blieb nur noch Genußstimmung
übrig und äußerte sich in harmlosen Spiel mit den Möwen, gesundem Appetit
und später in einer Mondscheinpromenade an Deck. Und der Tag schloß friedlich
mit dem unvermeidlichen Skat, dessen Gewinst, in einer Festkasse thesauriert,
zu einem Schlußfest in Moskau bestimmt worden war.

Auch vor Kerassund hielt der Unsitte einige Stunden. Wieder war es
ein taufrischer Morgen, als der Anker fiel, und der übliche Lärm sich über uns
erhob, fremdartig an die Ohren klang. Alle möglichen nicht zu erkennenden
Sprachen werden hier gesprochen, nur nicht Deutsch. Die Schiffsbesatzung be¬
steht aus Dalmatinern, Slowenen und Slowaken, Ungarn vielleicht und Italienern,
und ganz allein der Steward und der eine von den Offizieren konnte sich mit
uns verständigen, da unser gesamtes Italienisch bei der Zungengeläufigkeit dieser


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[0266] die Ausfuhr (Opium, Mehl. Tabak. Früchte) annähernd zehneinhalb Millionen Mark. Mit 10000 Einwohnern Hauptort des Sandschaks Dshcmik, ist es Sitz, mehrerer Konsulate und auch äußerlich ein Platz, der einen gewissen Wohlstand verrät und einen wohlgeordneten Eindruck macht. Die geraden Straßen sind besser als die in Konstantinopel, die Häuser regelmäßiger, ordentlicher, fester; im armenischen Stadtteil lösen tadellose Villen, die Wohnungen wohlhabender Kaufleute und der zahlreichen Schiffsagenten und Konsularbeamten, einander ab. Die Häuser klettern zu dem auf einer Anhöhe über der Stadt liegenden geräumigen Spital empor und sind von Gurten umgeben. Unten an der Basar¬ straße war reges Leben, Verkaufsstand reihte sich an Verkaufsstand bis zu dem großen Zollabfertigungsgebäude, von dem aus sich je ein Landungssteg für Personen und Güter weit in das Wasser der Bai erstreckt. Leider hatten uns recht üble Nachrichten vom Agenten, daß in Batna alles drunter und drüber gehe, und daß die Behörden keinen Einfluß hätten, die Schwingen etwas gelähmt und ließen uns einen Besuch des alten Kastells neben dem Leuchtturm über der Besprechung neuer Pläne vergessen. Als wir an Bord zurückgekehrt waren, fehlte fahrplanmäßig die Zeit, das Versäumte nachzuholen. Unsre Pläne aber, uns nötigenfalls quer durch Kleinasien zu schlagen, wurden bei dem Mangel geeigneter Karten etwas phantastisch. Doch beschlossen wir, vorerst uns treu zu bleiben und bis Trapezunt zu fahren und glaubten, die Angelegenheit um so eher „dilatorisch behandeln" zu können, als wir in Trapezunt einen deutschen und einen russischen Konsul finden sollten. Und so blieben wir an Deck und konnten während der Stunden, um die der Kapitän der voraussichtlich glatten Fahrt wegen die Abfahrt hinausschob, mit Behagen das Landschaftsbild und das Hafentreiben bei angenehmer Temperatur vom Deck aus bewundern. Jetzt traten auch im Osten schneebedeckte Berge aus dem leichten Nebelschleier heraus und glitzerten in der Sonne. Die länder¬ kundigen Reisegenossen meinten diesesmal an den Genfer See erinnert zu werden. Als gar ein Dampfer der Hamburger Levantelinie, der große Skyros, einlief, und dessen liebenswürdiger Kapitän uns verhieß, er würde auf alle Fälle Batna anlaufen, sich auch erbot, uns mitzunehmen, blieb nur noch Genußstimmung übrig und äußerte sich in harmlosen Spiel mit den Möwen, gesundem Appetit und später in einer Mondscheinpromenade an Deck. Und der Tag schloß friedlich mit dem unvermeidlichen Skat, dessen Gewinst, in einer Festkasse thesauriert, zu einem Schlußfest in Moskau bestimmt worden war. Auch vor Kerassund hielt der Unsitte einige Stunden. Wieder war es ein taufrischer Morgen, als der Anker fiel, und der übliche Lärm sich über uns erhob, fremdartig an die Ohren klang. Alle möglichen nicht zu erkennenden Sprachen werden hier gesprochen, nur nicht Deutsch. Die Schiffsbesatzung be¬ steht aus Dalmatinern, Slowenen und Slowaken, Ungarn vielleicht und Italienern, und ganz allein der Steward und der eine von den Offizieren konnte sich mit uns verständigen, da unser gesamtes Italienisch bei der Zungengeläufigkeit dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/266>, abgerufen am 28.12.2024.