Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Koloniale Lisenbahnpolitik

einzelnen Projekte gewonnen werden konnte. Es würde zu weit führen, hier
auf die Einzelheiten (Baukosten, Spurweite usw.) näher einzugehn. Es mag
deshalb auf das bekannte Buch von Hans Meyer*) verwiesen werden, worin
das gewonnene Material in übersichtlicher und zuverlässiger Weise ver¬
arbeitet ist.

Ein Punkt muß hier erwähnt werden, der in den deutschen Kolonien eine
große Rolle spielt: die Länge der Kolonialbahnen, deren Rentabilitätsgrenze.
Die Wirklichkeit zeigt, daß bei 75 vom Hundert aller Kolonialbahnen die
Länge weniger als 400 Kilometer betrügt, bei 25 vom Hundert 400 bis
700 Kilometer, nur bei zwei Bahnen mehr als 900 Kilometer. Diese letzten
zwei sind aus vorwiegend politischen Motiven gebaut worden: die Uganda¬
bahn und die ägyptische Sudanbahn. Dies ist nicht etwa Zufall, sondern
in zwingenden wirtschaftlichen Tatsachen begründet. Hans Meyer gibt dazu
in seinem Buche ein lehrreiches Rechenexempel. Wenn man die für Afrika
vorwiegend als Massenansfuhrprodukte in Betracht kommenden Ölfrüchte (Erd¬
nüsse, Palmkerne usw.) als Transportgegenstünde und Hamburg als Einfuhr¬
platz annimmt, so ergibt sich bei 500Wilometern Bahnlänge folgende Rech¬
nung: Einkaufspreis beim eingebornen Händler 150 Mark, dazu Bahnfracht
für 500 Kilometer zu 10 Pfennig für die Tonne (durchschnittlicher Minimal¬
satz der afrikanischen Bahnen), also 50Mark, ferner 30 bis 40 Mark Schiffs¬
fracht, endlich Spesen für Umladung ^' Lagerung, Versicherung usw. Selbst¬
kostenpreis für den Importeur also rund 280 Mark. Der Marktwert beträgt
für die Tonne in Hamburg aber durchschnittlich nur 260 Mark.

Aus dem Vorhandensein solcher billigen Massenprodukte allein läßt sich
eine Kolonialbahn also höchstens für eine Länge von 300 bis 400 Kilometern
rechtfertigen. Die Rentabilitütsgrenze erweitert sich natürlich bei reichlichem
Vorhandensein hochwertiger Produkte wie Kautschuk, Mineralien, Elfenbein
und dergleichen. Immerhin bedarf es aber der peinlichsten und vorsichtigsten
Kalkulation, ehe man über die genannte Grenze hinausgeht. Große Über¬
landbahnen können aber überhaupt nur in Frage kommen, wenn sie auf ihrer
ganzen Länge entwicklungsfähige Gebiete durchziehen und an ihrem Endpunkt
hochwertige Produkte in reichlicher Menge vorfinden -- es sei denn, daß man
(wie England) für politische Zwecke baut und in der Lage ist, alljährlich eine
gewisse Summe a könnts xgrcw abzuschreiben.

Für den Bau der Eisenbahnen in unsern deutschen Schutzgebieten waren
und sind nur rein wirtschaftliche Gründe maßgebend, wir müssen uns also an
die schon skizzierten Grundsätze halten. Eine Ausnahme läßt sich in Süd¬
westafrika machen, wo eine Eisenbahn nach Windhuk existiert, die zunächst
rein strategischen Zwecken dienen sollte, und wo wir im Begriff sind, eine
zweite Bahn dieser Art zu bauen (Lüderitzbucht-Keetmanshoop). Für Süd-



*) Professor Dr. Hans Meyer, Die Eisenbahnen im tropischen Afrika, eine kolonialwirt¬
schaftliche Studie. Leipzig, Duncker K Humblot, 1902.
Koloniale Lisenbahnpolitik

einzelnen Projekte gewonnen werden konnte. Es würde zu weit führen, hier
auf die Einzelheiten (Baukosten, Spurweite usw.) näher einzugehn. Es mag
deshalb auf das bekannte Buch von Hans Meyer*) verwiesen werden, worin
das gewonnene Material in übersichtlicher und zuverlässiger Weise ver¬
arbeitet ist.

Ein Punkt muß hier erwähnt werden, der in den deutschen Kolonien eine
große Rolle spielt: die Länge der Kolonialbahnen, deren Rentabilitätsgrenze.
Die Wirklichkeit zeigt, daß bei 75 vom Hundert aller Kolonialbahnen die
Länge weniger als 400 Kilometer betrügt, bei 25 vom Hundert 400 bis
700 Kilometer, nur bei zwei Bahnen mehr als 900 Kilometer. Diese letzten
zwei sind aus vorwiegend politischen Motiven gebaut worden: die Uganda¬
bahn und die ägyptische Sudanbahn. Dies ist nicht etwa Zufall, sondern
in zwingenden wirtschaftlichen Tatsachen begründet. Hans Meyer gibt dazu
in seinem Buche ein lehrreiches Rechenexempel. Wenn man die für Afrika
vorwiegend als Massenansfuhrprodukte in Betracht kommenden Ölfrüchte (Erd¬
nüsse, Palmkerne usw.) als Transportgegenstünde und Hamburg als Einfuhr¬
platz annimmt, so ergibt sich bei 500Wilometern Bahnlänge folgende Rech¬
nung: Einkaufspreis beim eingebornen Händler 150 Mark, dazu Bahnfracht
für 500 Kilometer zu 10 Pfennig für die Tonne (durchschnittlicher Minimal¬
satz der afrikanischen Bahnen), also 50Mark, ferner 30 bis 40 Mark Schiffs¬
fracht, endlich Spesen für Umladung ^' Lagerung, Versicherung usw. Selbst¬
kostenpreis für den Importeur also rund 280 Mark. Der Marktwert beträgt
für die Tonne in Hamburg aber durchschnittlich nur 260 Mark.

Aus dem Vorhandensein solcher billigen Massenprodukte allein läßt sich
eine Kolonialbahn also höchstens für eine Länge von 300 bis 400 Kilometern
rechtfertigen. Die Rentabilitütsgrenze erweitert sich natürlich bei reichlichem
Vorhandensein hochwertiger Produkte wie Kautschuk, Mineralien, Elfenbein
und dergleichen. Immerhin bedarf es aber der peinlichsten und vorsichtigsten
Kalkulation, ehe man über die genannte Grenze hinausgeht. Große Über¬
landbahnen können aber überhaupt nur in Frage kommen, wenn sie auf ihrer
ganzen Länge entwicklungsfähige Gebiete durchziehen und an ihrem Endpunkt
hochwertige Produkte in reichlicher Menge vorfinden — es sei denn, daß man
(wie England) für politische Zwecke baut und in der Lage ist, alljährlich eine
gewisse Summe a könnts xgrcw abzuschreiben.

Für den Bau der Eisenbahnen in unsern deutschen Schutzgebieten waren
und sind nur rein wirtschaftliche Gründe maßgebend, wir müssen uns also an
die schon skizzierten Grundsätze halten. Eine Ausnahme läßt sich in Süd¬
westafrika machen, wo eine Eisenbahn nach Windhuk existiert, die zunächst
rein strategischen Zwecken dienen sollte, und wo wir im Begriff sind, eine
zweite Bahn dieser Art zu bauen (Lüderitzbucht-Keetmanshoop). Für Süd-



*) Professor Dr. Hans Meyer, Die Eisenbahnen im tropischen Afrika, eine kolonialwirt¬
schaftliche Studie. Leipzig, Duncker K Humblot, 1902.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300027"/>
          <fw type="header" place="top"> Koloniale Lisenbahnpolitik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_864" prev="#ID_863"> einzelnen Projekte gewonnen werden konnte. Es würde zu weit führen, hier<lb/>
auf die Einzelheiten (Baukosten, Spurweite usw.) näher einzugehn. Es mag<lb/>
deshalb auf das bekannte Buch von Hans Meyer*) verwiesen werden, worin<lb/>
das gewonnene Material in übersichtlicher und zuverlässiger Weise ver¬<lb/>
arbeitet ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_865"> Ein Punkt muß hier erwähnt werden, der in den deutschen Kolonien eine<lb/>
große Rolle spielt: die Länge der Kolonialbahnen, deren Rentabilitätsgrenze.<lb/>
Die Wirklichkeit zeigt, daß bei 75 vom Hundert aller Kolonialbahnen die<lb/>
Länge weniger als 400 Kilometer betrügt, bei 25 vom Hundert 400 bis<lb/>
700 Kilometer, nur bei zwei Bahnen mehr als 900 Kilometer. Diese letzten<lb/>
zwei sind aus vorwiegend politischen Motiven gebaut worden: die Uganda¬<lb/>
bahn und die ägyptische Sudanbahn. Dies ist nicht etwa Zufall, sondern<lb/>
in zwingenden wirtschaftlichen Tatsachen begründet. Hans Meyer gibt dazu<lb/>
in seinem Buche ein lehrreiches Rechenexempel. Wenn man die für Afrika<lb/>
vorwiegend als Massenansfuhrprodukte in Betracht kommenden Ölfrüchte (Erd¬<lb/>
nüsse, Palmkerne usw.) als Transportgegenstünde und Hamburg als Einfuhr¬<lb/>
platz annimmt, so ergibt sich bei 500Wilometern Bahnlänge folgende Rech¬<lb/>
nung: Einkaufspreis beim eingebornen Händler 150 Mark, dazu Bahnfracht<lb/>
für 500 Kilometer zu 10 Pfennig für die Tonne (durchschnittlicher Minimal¬<lb/>
satz der afrikanischen Bahnen), also 50Mark, ferner 30 bis 40 Mark Schiffs¬<lb/>
fracht, endlich Spesen für Umladung ^' Lagerung, Versicherung usw. Selbst¬<lb/>
kostenpreis für den Importeur also rund 280 Mark. Der Marktwert beträgt<lb/>
für die Tonne in Hamburg aber durchschnittlich nur 260 Mark.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_866"> Aus dem Vorhandensein solcher billigen Massenprodukte allein läßt sich<lb/>
eine Kolonialbahn also höchstens für eine Länge von 300 bis 400 Kilometern<lb/>
rechtfertigen. Die Rentabilitütsgrenze erweitert sich natürlich bei reichlichem<lb/>
Vorhandensein hochwertiger Produkte wie Kautschuk, Mineralien, Elfenbein<lb/>
und dergleichen. Immerhin bedarf es aber der peinlichsten und vorsichtigsten<lb/>
Kalkulation, ehe man über die genannte Grenze hinausgeht. Große Über¬<lb/>
landbahnen können aber überhaupt nur in Frage kommen, wenn sie auf ihrer<lb/>
ganzen Länge entwicklungsfähige Gebiete durchziehen und an ihrem Endpunkt<lb/>
hochwertige Produkte in reichlicher Menge vorfinden &#x2014; es sei denn, daß man<lb/>
(wie England) für politische Zwecke baut und in der Lage ist, alljährlich eine<lb/>
gewisse Summe a könnts xgrcw abzuschreiben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_867" next="#ID_868"> Für den Bau der Eisenbahnen in unsern deutschen Schutzgebieten waren<lb/>
und sind nur rein wirtschaftliche Gründe maßgebend, wir müssen uns also an<lb/>
die schon skizzierten Grundsätze halten. Eine Ausnahme läßt sich in Süd¬<lb/>
westafrika machen, wo eine Eisenbahn nach Windhuk existiert, die zunächst<lb/>
rein strategischen Zwecken dienen sollte, und wo wir im Begriff sind, eine<lb/>
zweite Bahn dieser Art zu bauen (Lüderitzbucht-Keetmanshoop).  Für Süd-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_36" place="foot"> *) Professor Dr. Hans Meyer, Die Eisenbahnen im tropischen Afrika, eine kolonialwirt¬<lb/>
schaftliche Studie. Leipzig, Duncker K Humblot, 1902.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0240] Koloniale Lisenbahnpolitik einzelnen Projekte gewonnen werden konnte. Es würde zu weit führen, hier auf die Einzelheiten (Baukosten, Spurweite usw.) näher einzugehn. Es mag deshalb auf das bekannte Buch von Hans Meyer*) verwiesen werden, worin das gewonnene Material in übersichtlicher und zuverlässiger Weise ver¬ arbeitet ist. Ein Punkt muß hier erwähnt werden, der in den deutschen Kolonien eine große Rolle spielt: die Länge der Kolonialbahnen, deren Rentabilitätsgrenze. Die Wirklichkeit zeigt, daß bei 75 vom Hundert aller Kolonialbahnen die Länge weniger als 400 Kilometer betrügt, bei 25 vom Hundert 400 bis 700 Kilometer, nur bei zwei Bahnen mehr als 900 Kilometer. Diese letzten zwei sind aus vorwiegend politischen Motiven gebaut worden: die Uganda¬ bahn und die ägyptische Sudanbahn. Dies ist nicht etwa Zufall, sondern in zwingenden wirtschaftlichen Tatsachen begründet. Hans Meyer gibt dazu in seinem Buche ein lehrreiches Rechenexempel. Wenn man die für Afrika vorwiegend als Massenansfuhrprodukte in Betracht kommenden Ölfrüchte (Erd¬ nüsse, Palmkerne usw.) als Transportgegenstünde und Hamburg als Einfuhr¬ platz annimmt, so ergibt sich bei 500Wilometern Bahnlänge folgende Rech¬ nung: Einkaufspreis beim eingebornen Händler 150 Mark, dazu Bahnfracht für 500 Kilometer zu 10 Pfennig für die Tonne (durchschnittlicher Minimal¬ satz der afrikanischen Bahnen), also 50Mark, ferner 30 bis 40 Mark Schiffs¬ fracht, endlich Spesen für Umladung ^' Lagerung, Versicherung usw. Selbst¬ kostenpreis für den Importeur also rund 280 Mark. Der Marktwert beträgt für die Tonne in Hamburg aber durchschnittlich nur 260 Mark. Aus dem Vorhandensein solcher billigen Massenprodukte allein läßt sich eine Kolonialbahn also höchstens für eine Länge von 300 bis 400 Kilometern rechtfertigen. Die Rentabilitütsgrenze erweitert sich natürlich bei reichlichem Vorhandensein hochwertiger Produkte wie Kautschuk, Mineralien, Elfenbein und dergleichen. Immerhin bedarf es aber der peinlichsten und vorsichtigsten Kalkulation, ehe man über die genannte Grenze hinausgeht. Große Über¬ landbahnen können aber überhaupt nur in Frage kommen, wenn sie auf ihrer ganzen Länge entwicklungsfähige Gebiete durchziehen und an ihrem Endpunkt hochwertige Produkte in reichlicher Menge vorfinden — es sei denn, daß man (wie England) für politische Zwecke baut und in der Lage ist, alljährlich eine gewisse Summe a könnts xgrcw abzuschreiben. Für den Bau der Eisenbahnen in unsern deutschen Schutzgebieten waren und sind nur rein wirtschaftliche Gründe maßgebend, wir müssen uns also an die schon skizzierten Grundsätze halten. Eine Ausnahme läßt sich in Süd¬ westafrika machen, wo eine Eisenbahn nach Windhuk existiert, die zunächst rein strategischen Zwecken dienen sollte, und wo wir im Begriff sind, eine zweite Bahn dieser Art zu bauen (Lüderitzbucht-Keetmanshoop). Für Süd- *) Professor Dr. Hans Meyer, Die Eisenbahnen im tropischen Afrika, eine kolonialwirt¬ schaftliche Studie. Leipzig, Duncker K Humblot, 1902.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/240
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/240>, abgerufen am 25.08.2024.