Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Der Bopparder Arieg Nicht alle, Domina. Die in der Burg sind nicht froh. Müssen wie die Und deshalb willst du nicht tanzen? Aus lauter christlichem Mitleiden nicht Sie mag nicht tanzen und nicht essen, ließ sich plötzlich der kleine Peter ver¬ Weiß auch, weshalb. Sags aber nicht. Sag mirs getrost, Peterlein, sagte die Matrone lächelnd, dann lauf ich dir Wirklich und wahrhaftig? fragte der Knabe, indem er die schon wieder zum Wirklich und wahrhaftig! Aber nun sags auch: was fehlt deiner Schwester? Puh --! Nichts andres als der Wygant. Peterlein sah bei diesen Worten Möchtst du nicht auch, daß der Junker herauskam auf den Anger? Der Knabe schüttelte energisch den Lockenkopf. Was hätt ich davon? meinte er. Der Wygant tat heut doch nicht mit mir Würde diess nicht freuen, deine Schwester froh zu sehen? Peter sah zu Regina empor und studierte ihren Gesichtsausdruck. Wenn die Gin brav war, könnt ich ihr den Wygant herschaffen. Das Mädchen mußte lachen. Was soll ich denn tun? fragte sie. Sollst mir ein Bannertuch nähen, aber ein kurtrierisches mit dem roten Kreuz. Wenn du weiter nichts forderst, Peterlein, das Bannertuch will ich dir machen, Wirsts schon sehen. Warth> nur ab! Und ohne sich zu besinnen, wandte er sich um und lief auf den Kurfürsten zu, Herr Kurfürst, begann er, mit Verlaub, warum laßt Ihr die Eurigen in der Johann schaute den Knaben erstaunt an, beugte sich zu ihm nieder und nahm Hast Recht, Büblein. Die Burgleute sollten anch mit feiern. Aber wie kommst Oho, Herr Kurfürst, erwiderte das Kind furchtlos, das stimmt nicht! Die Der alte Herr lachte und näherte sich, den Knaben noch immer auf dem Arme, Das Mägdlein ist unsers Küfermeisters Älteste, erklärte die Domina. Der Vater Dann muß man ihnen schon den Willen tun, meinte der Kurfürst, indem er Der Bopparder Arieg Nicht alle, Domina. Die in der Burg sind nicht froh. Müssen wie die Und deshalb willst du nicht tanzen? Aus lauter christlichem Mitleiden nicht Sie mag nicht tanzen und nicht essen, ließ sich plötzlich der kleine Peter ver¬ Weiß auch, weshalb. Sags aber nicht. Sag mirs getrost, Peterlein, sagte die Matrone lächelnd, dann lauf ich dir Wirklich und wahrhaftig? fragte der Knabe, indem er die schon wieder zum Wirklich und wahrhaftig! Aber nun sags auch: was fehlt deiner Schwester? Puh —! Nichts andres als der Wygant. Peterlein sah bei diesen Worten Möchtst du nicht auch, daß der Junker herauskam auf den Anger? Der Knabe schüttelte energisch den Lockenkopf. Was hätt ich davon? meinte er. Der Wygant tat heut doch nicht mit mir Würde diess nicht freuen, deine Schwester froh zu sehen? Peter sah zu Regina empor und studierte ihren Gesichtsausdruck. Wenn die Gin brav war, könnt ich ihr den Wygant herschaffen. Das Mädchen mußte lachen. Was soll ich denn tun? fragte sie. Sollst mir ein Bannertuch nähen, aber ein kurtrierisches mit dem roten Kreuz. Wenn du weiter nichts forderst, Peterlein, das Bannertuch will ich dir machen, Wirsts schon sehen. Warth> nur ab! Und ohne sich zu besinnen, wandte er sich um und lief auf den Kurfürsten zu, Herr Kurfürst, begann er, mit Verlaub, warum laßt Ihr die Eurigen in der Johann schaute den Knaben erstaunt an, beugte sich zu ihm nieder und nahm Hast Recht, Büblein. Die Burgleute sollten anch mit feiern. Aber wie kommst Oho, Herr Kurfürst, erwiderte das Kind furchtlos, das stimmt nicht! Die Der alte Herr lachte und näherte sich, den Knaben noch immer auf dem Arme, Das Mägdlein ist unsers Küfermeisters Älteste, erklärte die Domina. Der Vater Dann muß man ihnen schon den Willen tun, meinte der Kurfürst, indem er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0112" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299899"/> <fw type="header" place="top"> Der Bopparder Arieg</fw><lb/> <p xml:id="ID_348"> Nicht alle, Domina. Die in der Burg sind nicht froh. Müssen wie die<lb/> Käuzlein in ihrem Mauerloche sitzen, indes die andern hier im hellen Sonnenscheine<lb/> ihre Lust haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_349"> Und deshalb willst du nicht tanzen? Aus lauter christlichem Mitleiden nicht<lb/> tanzen?</p><lb/> <p xml:id="ID_350"> Sie mag nicht tanzen und nicht essen, ließ sich plötzlich der kleine Peter ver¬<lb/> nehmen, der unbemerkt zu den beiden Frauen getreten war und mit vollen Backen<lb/> an einem Wecken kaute.</p><lb/> <p xml:id="ID_351"> Weiß auch, weshalb. Sags aber nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_352"> Sag mirs getrost, Peterlein, sagte die Matrone lächelnd, dann lauf ich dir<lb/> auch ein gebacken Fischlein.</p><lb/> <p xml:id="ID_353"> Wirklich und wahrhaftig? fragte der Knabe, indem er die schon wieder zum<lb/> Munde erhobne Hand mit dem Wecken langsam sinken ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_354"> Wirklich und wahrhaftig! Aber nun sags auch: was fehlt deiner Schwester?</p><lb/> <p xml:id="ID_355"> Puh —! Nichts andres als der Wygant. Peterlein sah bei diesen Worten<lb/> ziemlich geringschätzig aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_356"> Möchtst du nicht auch, daß der Junker herauskam auf den Anger?</p><lb/> <p xml:id="ID_357"> Der Knabe schüttelte energisch den Lockenkopf.</p><lb/> <p xml:id="ID_358"> Was hätt ich davon? meinte er. Der Wygant tat heut doch nicht mit mir<lb/> spielen. Tat doch bloß mit der Gin den Reigen treten.</p><lb/> <p xml:id="ID_359"> Würde diess nicht freuen, deine Schwester froh zu sehen?</p><lb/> <p xml:id="ID_360"> Peter sah zu Regina empor und studierte ihren Gesichtsausdruck.</p><lb/> <p xml:id="ID_361"> Wenn die Gin brav war, könnt ich ihr den Wygant herschaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_362"> Das Mädchen mußte lachen.</p><lb/> <p xml:id="ID_363"> Was soll ich denn tun? fragte sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_364"> Sollst mir ein Bannertuch nähen, aber ein kurtrierisches mit dem roten Kreuz.</p><lb/> <p xml:id="ID_365"> Wenn du weiter nichts forderst, Peterlein, das Bannertuch will ich dir machen,<lb/> sagte Regina, aber nun sag auch: wie denkst du den Junker herbeizuschaffen?</p><lb/> <p xml:id="ID_366"> Wirsts schon sehen. Warth> nur ab!</p><lb/> <p xml:id="ID_367"> Und ohne sich zu besinnen, wandte er sich um und lief auf den Kurfürsten zu,<lb/> der seine Tänzerin auf ihren Platz zurückgeführt hatte und sich nun wieder der Äbtissin<lb/> zu widmen gedachte. Der Knirps blieb vor dem Gewaltigen stehn und langte sich<lb/> dessen Hand.</p><lb/> <p xml:id="ID_368"> Herr Kurfürst, begann er, mit Verlaub, warum laßt Ihr die Eurigen in der<lb/> Burg, da doch die Stadt leer ist?</p><lb/> <p xml:id="ID_369"> Johann schaute den Knaben erstaunt an, beugte sich zu ihm nieder und nahm<lb/> ihn auf den Arm.</p><lb/> <p xml:id="ID_370"> Hast Recht, Büblein. Die Burgleute sollten anch mit feiern. Aber wie kommst<lb/> du darauf — gerade du, wo doch noch kein andrer dran gedacht hat?</p><lb/> <p xml:id="ID_371"> Oho, Herr Kurfürst, erwiderte das Kind furchtlos, das stimmt nicht! Die<lb/> Gin da, meine große Schwester, hat längst dran gedacht, schon den ganzen Morgen.<lb/> Wenn sie den Modersbacher herausbekommt, den Wygant, dann macht sie mir auch<lb/> ein kurtrierisches Banner. Tut mirs zulieb, Herr Kurfürst, und laßt ihm sagen,<lb/> er sollt herauskommen und mit der Gin tanzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_372"> Der alte Herr lachte und näherte sich, den Knaben noch immer auf dem Arme,<lb/> den Frauen. Regina glaubte in die Erde versinken zu müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_373"> Das Mägdlein ist unsers Küfermeisters Älteste, erklärte die Domina. Der Vater<lb/> sitzt zu Boppard im Rat, aber die Kinder sind gut kurtrierisch.</p><lb/> <p xml:id="ID_374"> Dann muß man ihnen schon den Willen tun, meinte der Kurfürst, indem er<lb/> den kleinen Peter wieder auf die Füße stellte, es ist immer gut, im feindlichen eastrum<lb/> Freunde zu haben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0112]
Der Bopparder Arieg
Nicht alle, Domina. Die in der Burg sind nicht froh. Müssen wie die
Käuzlein in ihrem Mauerloche sitzen, indes die andern hier im hellen Sonnenscheine
ihre Lust haben.
Und deshalb willst du nicht tanzen? Aus lauter christlichem Mitleiden nicht
tanzen?
Sie mag nicht tanzen und nicht essen, ließ sich plötzlich der kleine Peter ver¬
nehmen, der unbemerkt zu den beiden Frauen getreten war und mit vollen Backen
an einem Wecken kaute.
Weiß auch, weshalb. Sags aber nicht.
Sag mirs getrost, Peterlein, sagte die Matrone lächelnd, dann lauf ich dir
auch ein gebacken Fischlein.
Wirklich und wahrhaftig? fragte der Knabe, indem er die schon wieder zum
Munde erhobne Hand mit dem Wecken langsam sinken ließ.
Wirklich und wahrhaftig! Aber nun sags auch: was fehlt deiner Schwester?
Puh —! Nichts andres als der Wygant. Peterlein sah bei diesen Worten
ziemlich geringschätzig aus.
Möchtst du nicht auch, daß der Junker herauskam auf den Anger?
Der Knabe schüttelte energisch den Lockenkopf.
Was hätt ich davon? meinte er. Der Wygant tat heut doch nicht mit mir
spielen. Tat doch bloß mit der Gin den Reigen treten.
Würde diess nicht freuen, deine Schwester froh zu sehen?
Peter sah zu Regina empor und studierte ihren Gesichtsausdruck.
Wenn die Gin brav war, könnt ich ihr den Wygant herschaffen.
Das Mädchen mußte lachen.
Was soll ich denn tun? fragte sie.
Sollst mir ein Bannertuch nähen, aber ein kurtrierisches mit dem roten Kreuz.
Wenn du weiter nichts forderst, Peterlein, das Bannertuch will ich dir machen,
sagte Regina, aber nun sag auch: wie denkst du den Junker herbeizuschaffen?
Wirsts schon sehen. Warth> nur ab!
Und ohne sich zu besinnen, wandte er sich um und lief auf den Kurfürsten zu,
der seine Tänzerin auf ihren Platz zurückgeführt hatte und sich nun wieder der Äbtissin
zu widmen gedachte. Der Knirps blieb vor dem Gewaltigen stehn und langte sich
dessen Hand.
Herr Kurfürst, begann er, mit Verlaub, warum laßt Ihr die Eurigen in der
Burg, da doch die Stadt leer ist?
Johann schaute den Knaben erstaunt an, beugte sich zu ihm nieder und nahm
ihn auf den Arm.
Hast Recht, Büblein. Die Burgleute sollten anch mit feiern. Aber wie kommst
du darauf — gerade du, wo doch noch kein andrer dran gedacht hat?
Oho, Herr Kurfürst, erwiderte das Kind furchtlos, das stimmt nicht! Die
Gin da, meine große Schwester, hat längst dran gedacht, schon den ganzen Morgen.
Wenn sie den Modersbacher herausbekommt, den Wygant, dann macht sie mir auch
ein kurtrierisches Banner. Tut mirs zulieb, Herr Kurfürst, und laßt ihm sagen,
er sollt herauskommen und mit der Gin tanzen.
Der alte Herr lachte und näherte sich, den Knaben noch immer auf dem Arme,
den Frauen. Regina glaubte in die Erde versinken zu müssen.
Das Mägdlein ist unsers Küfermeisters Älteste, erklärte die Domina. Der Vater
sitzt zu Boppard im Rat, aber die Kinder sind gut kurtrierisch.
Dann muß man ihnen schon den Willen tun, meinte der Kurfürst, indem er
den kleinen Peter wieder auf die Füße stellte, es ist immer gut, im feindlichen eastrum
Freunde zu haben.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |