Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Elisabeth Barrett-Browning kennen lernte, wird in Aurora. IiöiZQ, besonders soweit die schriftstellerische Der Wert von Aurora, liSiAk beruht nicht auf der Charakterzeichnung Unsre Geschichtsforscher pflegen mit Recht soviel Wert auf spontane Elisabeth Barrett-Browning kennen lernte, wird in Aurora. IiöiZQ, besonders soweit die schriftstellerische Der Wert von Aurora, liSiAk beruht nicht auf der Charakterzeichnung Unsre Geschichtsforscher pflegen mit Recht soviel Wert auf spontane <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0664" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299705"/> <fw type="header" place="top"> Elisabeth Barrett-Browning</fw><lb/> <p xml:id="ID_2874" prev="#ID_2873"> kennen lernte, wird in Aurora. IiöiZQ, besonders soweit die schriftstellerische<lb/> Tätigkeit der Heldin in Betracht kommt, nicht lebenswahr geschildert. Des¬<lb/> halb wird die im Schatten einer starken Eiche geschirmte Dichterin auch ihren<lb/> ringenden Mitschwestern naiv zurufen: „Bring deine Statue, hier ist Raum!<lb/> Gleicht sie auch nur im mindesten dem Gotte, der dem Fluge seines glänzenden<lb/> Wurfspeeres nachspäht durch den Lauf der Jahrhunderte, so wird die Mit¬<lb/> welt neidlos zeugen: Sie, die dieses Werk vollbracht, ward dazu geboren<lb/> und heischt die volle Freiheit ihrer Schaffenskraft!" So optimistisch konnte<lb/> freilich eine englische Dichterin urteilen, die bei der Ernennung eines neuen<lb/> xost ig.urss.es nach Wordsworths Tode ernstlich neben Tennyson in Frage kam.<lb/> Richtig aber beurteilt sie die Sachlage, wenn sie Klage führt, daß die Frauen<lb/> gar soviel schwatzen von der Frauen „Mission" und der Frauen „Funktion",<lb/> ehe sie hinreichend erwiesen haben, was sie bei völliger Ausbildung ihrer<lb/> Kräfte wirklich leisten können. Manche siegesgewisse Rednerin der Gegenwart<lb/> sollte sich von diesem vernünftigen Ausspruch getroffen fühlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2875"> Der Wert von Aurora, liSiAk beruht nicht auf der Charakterzeichnung<lb/> so wenig wie auf der Wahl des Stoffes, wohl aber auf der unablässigen<lb/> Bemühung, der weiblichen Psyche zu ihrem vollen Rechte zu verhelfen. Dieses<lb/> beachtenswerte Streben, individuelle Frauenanschauungen künstlerisch zu ver¬<lb/> werten, beweisen schon tastende Versuche ihrer Jngenddichtungen. Als sie 1844<lb/> ihr DiÄmg. ol Lxils veröffentlichte, war sie zwar anscheinend Miltons Spuren<lb/> im „Verlorenen Paradiese" nachgefolgt, aber die Teilnahme für Eva ließ sie<lb/> viel neues zwischen den Zeilen der Heiligen Schrift lesen. Denn man wird<lb/> zugeben müssen, daß unsrer Stammmutter Gedanken nach dem Sündenfalle<lb/> noch kein männliches Dichtergemüt ernstlich beschäftigt haben. E. Brownings<lb/> Eva erscheint in einem rührenden Lichte der Verklärung. Die Worte des<lb/> Fluches, der sie betroffen, sind aus der schroffen Härte des hebräische« Bibel¬<lb/> textes zu wahrhaft christlicher Wehmut geadelt: Korns xan^ xaiä äonn lor<lb/> S3.VQ usu QUinsn liks, Loius vsariness in ZuaräiiiA suoli g, ins, Loms oolänsss<lb/> trou tus Auar6s6, soiris irüstrust, ?roiu troff tuon Imst too >vsI1 ssrvsä,<lb/> trorn tlioss oslovsci, ?vo loz-ÄI^ soins tiSÄSvv; tssdlsnsss ^oleum et^ dsart,<lb/> g-na oruslt^ ^vitnout, — ^ut xrsssurss ok an aufn t^raro^, ^nu its ä^nasti«<lb/> rsasons ok larKSi tous8, ^mal strovAsr sins>of. Lud, M to! Nirgends hat<lb/> sich die sensitive Seele der Dichterin reiner gespiegelt als in dieser originellen<lb/> Bibelparaphrase.</p><lb/> <p xml:id="ID_2876" next="#ID_2877"> Unsre Geschichtsforscher pflegen mit Recht soviel Wert auf spontane<lb/> Äußerungen zu legen, auch der Literarhistoriker sollte diesen Standpunkt teilen<lb/> und schon aus diesem Grunde impulsive Frauenüußerungen höher bewerten.<lb/> Die beliebte Klage über die „weibliche Sphinx" würde dann mehr und mehr<lb/> verstummen. Jurors. lisi^n beweist, daß die Frauenfeder Aufschlüsse zu bieten<lb/> vermag, die der Beobachtung des Mannes entgehn. Niemand wird behaupten,<lb/> daß Männer nur Männer, Frauen nur Frauen lebenswahr zu schildern ver¬<lb/> mögen, aber Dichtungen wie Aurora. Iisi^n nötigen uns, aus dem Traume<lb/> zu erwachen, als ob die großen Frauenporträts der Weltliteratur schon alle<lb/> Züge der Frauenpsyche erschöpft Hütten. Im Leben wie in der Dichtung ist</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0664]
Elisabeth Barrett-Browning
kennen lernte, wird in Aurora. IiöiZQ, besonders soweit die schriftstellerische
Tätigkeit der Heldin in Betracht kommt, nicht lebenswahr geschildert. Des¬
halb wird die im Schatten einer starken Eiche geschirmte Dichterin auch ihren
ringenden Mitschwestern naiv zurufen: „Bring deine Statue, hier ist Raum!
Gleicht sie auch nur im mindesten dem Gotte, der dem Fluge seines glänzenden
Wurfspeeres nachspäht durch den Lauf der Jahrhunderte, so wird die Mit¬
welt neidlos zeugen: Sie, die dieses Werk vollbracht, ward dazu geboren
und heischt die volle Freiheit ihrer Schaffenskraft!" So optimistisch konnte
freilich eine englische Dichterin urteilen, die bei der Ernennung eines neuen
xost ig.urss.es nach Wordsworths Tode ernstlich neben Tennyson in Frage kam.
Richtig aber beurteilt sie die Sachlage, wenn sie Klage führt, daß die Frauen
gar soviel schwatzen von der Frauen „Mission" und der Frauen „Funktion",
ehe sie hinreichend erwiesen haben, was sie bei völliger Ausbildung ihrer
Kräfte wirklich leisten können. Manche siegesgewisse Rednerin der Gegenwart
sollte sich von diesem vernünftigen Ausspruch getroffen fühlen.
Der Wert von Aurora, liSiAk beruht nicht auf der Charakterzeichnung
so wenig wie auf der Wahl des Stoffes, wohl aber auf der unablässigen
Bemühung, der weiblichen Psyche zu ihrem vollen Rechte zu verhelfen. Dieses
beachtenswerte Streben, individuelle Frauenanschauungen künstlerisch zu ver¬
werten, beweisen schon tastende Versuche ihrer Jngenddichtungen. Als sie 1844
ihr DiÄmg. ol Lxils veröffentlichte, war sie zwar anscheinend Miltons Spuren
im „Verlorenen Paradiese" nachgefolgt, aber die Teilnahme für Eva ließ sie
viel neues zwischen den Zeilen der Heiligen Schrift lesen. Denn man wird
zugeben müssen, daß unsrer Stammmutter Gedanken nach dem Sündenfalle
noch kein männliches Dichtergemüt ernstlich beschäftigt haben. E. Brownings
Eva erscheint in einem rührenden Lichte der Verklärung. Die Worte des
Fluches, der sie betroffen, sind aus der schroffen Härte des hebräische« Bibel¬
textes zu wahrhaft christlicher Wehmut geadelt: Korns xan^ xaiä äonn lor
S3.VQ usu QUinsn liks, Loius vsariness in ZuaräiiiA suoli g, ins, Loms oolänsss
trou tus Auar6s6, soiris irüstrust, ?roiu troff tuon Imst too >vsI1 ssrvsä,
trorn tlioss oslovsci, ?vo loz-ÄI^ soins tiSÄSvv; tssdlsnsss ^oleum et^ dsart,
g-na oruslt^ ^vitnout, — ^ut xrsssurss ok an aufn t^raro^, ^nu its ä^nasti«
rsasons ok larKSi tous8, ^mal strovAsr sins>of. Lud, M to! Nirgends hat
sich die sensitive Seele der Dichterin reiner gespiegelt als in dieser originellen
Bibelparaphrase.
Unsre Geschichtsforscher pflegen mit Recht soviel Wert auf spontane
Äußerungen zu legen, auch der Literarhistoriker sollte diesen Standpunkt teilen
und schon aus diesem Grunde impulsive Frauenüußerungen höher bewerten.
Die beliebte Klage über die „weibliche Sphinx" würde dann mehr und mehr
verstummen. Jurors. lisi^n beweist, daß die Frauenfeder Aufschlüsse zu bieten
vermag, die der Beobachtung des Mannes entgehn. Niemand wird behaupten,
daß Männer nur Männer, Frauen nur Frauen lebenswahr zu schildern ver¬
mögen, aber Dichtungen wie Aurora. Iisi^n nötigen uns, aus dem Traume
zu erwachen, als ob die großen Frauenporträts der Weltliteratur schon alle
Züge der Frauenpsyche erschöpft Hütten. Im Leben wie in der Dichtung ist
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |