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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

besonders gegen den Deutschen Kaiser angehäuft, diese Verstimmung hatte in der
Presse einen deutlichen Ausdruck gefunden, Kaiser Wilhelm hat persönlich in einer
Weise, für die die Ungarn volles Verständnis und volles Empfinden haben, die
Verstimmung nicht nur beseitigt, sondern in ihr Gegenteil gewandelt, und auch die
Österreicher aller Nationalitäten haben sich überzeugt, daß der Deutsche Kaiser
durchaus nicht nach Wien gekommen ist in der Absicht, die Politik der Habsburgischen
Monarchie an deu Wagen der deutschen zu ketten, oder hilfsbedürftig "den einzigen
Freund" aufzusuchen, um damit vor der Welt den Nachweis zu führen, daß Deutsch¬
land keineswegs isoliert sei. Dessen hat es wahrlich nicht bedurft.

Es ist ja leider nur allzu richtig und kaum befremdlich, daß das teils besorgte,
teils hämische Geschwätz deutscher Zeitungen von der "Isolierung Deutschlands" im
Auslande Glauben gefunden hat und in der auswärtigen Presse mit Behagen weiter
verbreitet worden ist. Hat doch noch in diese" jüngsten Tagen ein englisches Blatt
die Kaiserfahrt nach Wien in einer Weise behandelt, als ob dem Deutschen Kaiser
nichts weiter übrig geblieben sei, als im Büßergewande den Wiener Burghof auf¬
zusuchen. Nein, die amtlichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reiche und Öster¬
reich-Ungarn bedurften ebensowenig einer Klärung wie einer neuen Festigung,
die persönlichen Beziehungen zwischen deu beiden Herrschern schon ganz und gar
nicht. Auch die Kommentare, die in der Presse an das Goluchowski-Telegramm ge¬
knüpft worden waren, sind schon aus dem Grunde durchaus hinfällig, weil die An-
kündigung des Besuchs, zugleich mit dem Ausdruck des Dankes an deu Kaiser
Franz Joseph für die in Algeciras geleistete Unterstützung, dem Dankestelegramm
an deu Grafen Goluchowski selbstverständlich vorausgegangen war; dieses war ge¬
wissermaßen eine Folge des Depeschenwechsels zwischen beiden Monarchen. Gerade
die Intimität der beiden Höfe und Kabinette erklärt es, daß Kaiser Wilhelm für
seine Dankeskuudgebung nicht den amtlichen Umweg durch die Botschaft wählte,
sondern sich gleich selbst ans eineni Depescheuformular zu dem ihm seit langen Jahren
bekannten Minister aussprach, wie ihm ums Herz war.

Auch die Depesche an den König Viktor Emanuel ist von deutscher Seite aus¬
gegangen. Kaiser Franz Joseph macht von dem Telegraphen einen weit seltner"
Gebrauch; auch würde eine vou seiner Seite gegebne Anregung leicht den Eindruck
hervorgerufen haben, als wollte er die Bedeutung des deutschen Besuchs Italien und
dessen König gegenüber abschwächen. Einer Anregung von deutscher Seite konnte
er dagegen um so lieber Folge leiste", als dadurch in Italien die Befürchtung be¬
seitigt wurde, es könne in Wien irgendeine Verabredung zum Nachteile Italiens
getroffen werden. Die deutsche Anregung ist äußerlich auch dadurch gekennzeichnet,
daß Kaiser Franz Joseph, obwohl der ältere, seinem erlauchten Gaste den Vortritt
in der Unterzeichnung des Telegramms überließ. Wäre die Anregung von öster¬
reichischer Seite ansgegnngen, so würde Kaiser Franz Joseph auch zuerst unter¬
zeichnet haben. König Viktor Emanuel hat dagegen folgerichtig seine Antwort an
den Kaiser von Österreich als an den Wirt und den ältern Souverän adressiert.
Es mußte ihm von besonderen Werte sein, durch die Unterschrift des Kaisers
Franz Joseph die Beglaubigung zu erhalten, daß die Beziehungen zwischen Wien
und Rom ungetrübt die alten seien, deren Herstellung es einst Italien ermöglicht
hatte, den Anschluß um Deutschland in Wien zu suchen und bis jetzt aufrecht zu
erhalten. Eine Adressierung der Antwort an Kaiser Wilhelm würde darum mit
Recht in Wien einen ungünstigen Eindruck hervorgerufen haben. Ob der König dabei
les äsux ^M6s oder ass äsux ^.Ul6s telegraphiert hat, ist tatsächlich gleichgiltig. Er
könnte los nur im Sinne von nos geschrieben haben, das ergibt sich ans der ganzen
Fassung seiner Antwort, die übrigens wohl ebenso wie die Wiener Depesche Wort
für Wort sorgfältig abgewogen ist. Sie war darauf berechnet, in Wien zu be¬
friedigen und in Paris nicht zu verletzen. In Rom war man sich wohl sofort
darüber klar, daß das Wiener Telegramm den Kurs der Freundschaft Italiens in
Paris bedeutend steigern mußte. Die beiden Kaiser haben damit Italien einen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

besonders gegen den Deutschen Kaiser angehäuft, diese Verstimmung hatte in der
Presse einen deutlichen Ausdruck gefunden, Kaiser Wilhelm hat persönlich in einer
Weise, für die die Ungarn volles Verständnis und volles Empfinden haben, die
Verstimmung nicht nur beseitigt, sondern in ihr Gegenteil gewandelt, und auch die
Österreicher aller Nationalitäten haben sich überzeugt, daß der Deutsche Kaiser
durchaus nicht nach Wien gekommen ist in der Absicht, die Politik der Habsburgischen
Monarchie an deu Wagen der deutschen zu ketten, oder hilfsbedürftig „den einzigen
Freund" aufzusuchen, um damit vor der Welt den Nachweis zu führen, daß Deutsch¬
land keineswegs isoliert sei. Dessen hat es wahrlich nicht bedurft.

Es ist ja leider nur allzu richtig und kaum befremdlich, daß das teils besorgte,
teils hämische Geschwätz deutscher Zeitungen von der „Isolierung Deutschlands" im
Auslande Glauben gefunden hat und in der auswärtigen Presse mit Behagen weiter
verbreitet worden ist. Hat doch noch in diese» jüngsten Tagen ein englisches Blatt
die Kaiserfahrt nach Wien in einer Weise behandelt, als ob dem Deutschen Kaiser
nichts weiter übrig geblieben sei, als im Büßergewande den Wiener Burghof auf¬
zusuchen. Nein, die amtlichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reiche und Öster¬
reich-Ungarn bedurften ebensowenig einer Klärung wie einer neuen Festigung,
die persönlichen Beziehungen zwischen deu beiden Herrschern schon ganz und gar
nicht. Auch die Kommentare, die in der Presse an das Goluchowski-Telegramm ge¬
knüpft worden waren, sind schon aus dem Grunde durchaus hinfällig, weil die An-
kündigung des Besuchs, zugleich mit dem Ausdruck des Dankes an deu Kaiser
Franz Joseph für die in Algeciras geleistete Unterstützung, dem Dankestelegramm
an deu Grafen Goluchowski selbstverständlich vorausgegangen war; dieses war ge¬
wissermaßen eine Folge des Depeschenwechsels zwischen beiden Monarchen. Gerade
die Intimität der beiden Höfe und Kabinette erklärt es, daß Kaiser Wilhelm für
seine Dankeskuudgebung nicht den amtlichen Umweg durch die Botschaft wählte,
sondern sich gleich selbst ans eineni Depescheuformular zu dem ihm seit langen Jahren
bekannten Minister aussprach, wie ihm ums Herz war.

Auch die Depesche an den König Viktor Emanuel ist von deutscher Seite aus¬
gegangen. Kaiser Franz Joseph macht von dem Telegraphen einen weit seltner»
Gebrauch; auch würde eine vou seiner Seite gegebne Anregung leicht den Eindruck
hervorgerufen haben, als wollte er die Bedeutung des deutschen Besuchs Italien und
dessen König gegenüber abschwächen. Einer Anregung von deutscher Seite konnte
er dagegen um so lieber Folge leiste«, als dadurch in Italien die Befürchtung be¬
seitigt wurde, es könne in Wien irgendeine Verabredung zum Nachteile Italiens
getroffen werden. Die deutsche Anregung ist äußerlich auch dadurch gekennzeichnet,
daß Kaiser Franz Joseph, obwohl der ältere, seinem erlauchten Gaste den Vortritt
in der Unterzeichnung des Telegramms überließ. Wäre die Anregung von öster¬
reichischer Seite ansgegnngen, so würde Kaiser Franz Joseph auch zuerst unter¬
zeichnet haben. König Viktor Emanuel hat dagegen folgerichtig seine Antwort an
den Kaiser von Österreich als an den Wirt und den ältern Souverän adressiert.
Es mußte ihm von besonderen Werte sein, durch die Unterschrift des Kaisers
Franz Joseph die Beglaubigung zu erhalten, daß die Beziehungen zwischen Wien
und Rom ungetrübt die alten seien, deren Herstellung es einst Italien ermöglicht
hatte, den Anschluß um Deutschland in Wien zu suchen und bis jetzt aufrecht zu
erhalten. Eine Adressierung der Antwort an Kaiser Wilhelm würde darum mit
Recht in Wien einen ungünstigen Eindruck hervorgerufen haben. Ob der König dabei
les äsux ^M6s oder ass äsux ^.Ul6s telegraphiert hat, ist tatsächlich gleichgiltig. Er
könnte los nur im Sinne von nos geschrieben haben, das ergibt sich ans der ganzen
Fassung seiner Antwort, die übrigens wohl ebenso wie die Wiener Depesche Wort
für Wort sorgfältig abgewogen ist. Sie war darauf berechnet, in Wien zu be¬
friedigen und in Paris nicht zu verletzen. In Rom war man sich wohl sofort
darüber klar, daß das Wiener Telegramm den Kurs der Freundschaft Italiens in
Paris bedeutend steigern mußte. Die beiden Kaiser haben damit Italien einen


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[0616] Maßgebliches und Unmaßgebliches besonders gegen den Deutschen Kaiser angehäuft, diese Verstimmung hatte in der Presse einen deutlichen Ausdruck gefunden, Kaiser Wilhelm hat persönlich in einer Weise, für die die Ungarn volles Verständnis und volles Empfinden haben, die Verstimmung nicht nur beseitigt, sondern in ihr Gegenteil gewandelt, und auch die Österreicher aller Nationalitäten haben sich überzeugt, daß der Deutsche Kaiser durchaus nicht nach Wien gekommen ist in der Absicht, die Politik der Habsburgischen Monarchie an deu Wagen der deutschen zu ketten, oder hilfsbedürftig „den einzigen Freund" aufzusuchen, um damit vor der Welt den Nachweis zu führen, daß Deutsch¬ land keineswegs isoliert sei. Dessen hat es wahrlich nicht bedurft. Es ist ja leider nur allzu richtig und kaum befremdlich, daß das teils besorgte, teils hämische Geschwätz deutscher Zeitungen von der „Isolierung Deutschlands" im Auslande Glauben gefunden hat und in der auswärtigen Presse mit Behagen weiter verbreitet worden ist. Hat doch noch in diese» jüngsten Tagen ein englisches Blatt die Kaiserfahrt nach Wien in einer Weise behandelt, als ob dem Deutschen Kaiser nichts weiter übrig geblieben sei, als im Büßergewande den Wiener Burghof auf¬ zusuchen. Nein, die amtlichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reiche und Öster¬ reich-Ungarn bedurften ebensowenig einer Klärung wie einer neuen Festigung, die persönlichen Beziehungen zwischen deu beiden Herrschern schon ganz und gar nicht. Auch die Kommentare, die in der Presse an das Goluchowski-Telegramm ge¬ knüpft worden waren, sind schon aus dem Grunde durchaus hinfällig, weil die An- kündigung des Besuchs, zugleich mit dem Ausdruck des Dankes an deu Kaiser Franz Joseph für die in Algeciras geleistete Unterstützung, dem Dankestelegramm an deu Grafen Goluchowski selbstverständlich vorausgegangen war; dieses war ge¬ wissermaßen eine Folge des Depeschenwechsels zwischen beiden Monarchen. Gerade die Intimität der beiden Höfe und Kabinette erklärt es, daß Kaiser Wilhelm für seine Dankeskuudgebung nicht den amtlichen Umweg durch die Botschaft wählte, sondern sich gleich selbst ans eineni Depescheuformular zu dem ihm seit langen Jahren bekannten Minister aussprach, wie ihm ums Herz war. Auch die Depesche an den König Viktor Emanuel ist von deutscher Seite aus¬ gegangen. Kaiser Franz Joseph macht von dem Telegraphen einen weit seltner» Gebrauch; auch würde eine vou seiner Seite gegebne Anregung leicht den Eindruck hervorgerufen haben, als wollte er die Bedeutung des deutschen Besuchs Italien und dessen König gegenüber abschwächen. Einer Anregung von deutscher Seite konnte er dagegen um so lieber Folge leiste«, als dadurch in Italien die Befürchtung be¬ seitigt wurde, es könne in Wien irgendeine Verabredung zum Nachteile Italiens getroffen werden. Die deutsche Anregung ist äußerlich auch dadurch gekennzeichnet, daß Kaiser Franz Joseph, obwohl der ältere, seinem erlauchten Gaste den Vortritt in der Unterzeichnung des Telegramms überließ. Wäre die Anregung von öster¬ reichischer Seite ansgegnngen, so würde Kaiser Franz Joseph auch zuerst unter¬ zeichnet haben. König Viktor Emanuel hat dagegen folgerichtig seine Antwort an den Kaiser von Österreich als an den Wirt und den ältern Souverän adressiert. Es mußte ihm von besonderen Werte sein, durch die Unterschrift des Kaisers Franz Joseph die Beglaubigung zu erhalten, daß die Beziehungen zwischen Wien und Rom ungetrübt die alten seien, deren Herstellung es einst Italien ermöglicht hatte, den Anschluß um Deutschland in Wien zu suchen und bis jetzt aufrecht zu erhalten. Eine Adressierung der Antwort an Kaiser Wilhelm würde darum mit Recht in Wien einen ungünstigen Eindruck hervorgerufen haben. Ob der König dabei les äsux ^M6s oder ass äsux ^.Ul6s telegraphiert hat, ist tatsächlich gleichgiltig. Er könnte los nur im Sinne von nos geschrieben haben, das ergibt sich ans der ganzen Fassung seiner Antwort, die übrigens wohl ebenso wie die Wiener Depesche Wort für Wort sorgfältig abgewogen ist. Sie war darauf berechnet, in Wien zu be¬ friedigen und in Paris nicht zu verletzen. In Rom war man sich wohl sofort darüber klar, daß das Wiener Telegramm den Kurs der Freundschaft Italiens in Paris bedeutend steigern mußte. Die beiden Kaiser haben damit Italien einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/616>, abgerufen am 27.12.2024.