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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Berthold Litzmann

hat dem ersten Bande seiner Biographie Clara Schu¬
manns unlängst den zweiten folgen lassen, (Leipzig, Breitkopf und Härtel.) Da er die
von 1840 bis 1856 reichenden Ehejahre der Künstlerin umfaßt, mußte er uoch mehr
als der vorangegangne zur Doppclbiographie werden, und es liegt in der Natur
der Verhältnisse, daß die Mitteilungen über Robert Schumann seinen wichtigsten
und fesselndsten Teil bilden. Sie überholen an Reichhaltigkeit und Genauig¬
keit alles, was die bisherigen Biographien des Komponisten über die zwischen der
Verheiratung und dem Tode liegenden Jahre berichtet haben. Dank den unüber¬
trefflichen Quellen, die dem Verfasser in den Briefen und in den Tagebüchern des
Ehepaars zur Verfügung standen. Man muß laut darauf aufmerksam machen, daß
das Buch nicht bloß kunstgeschichtliches Interesse hat, sondern von allen gelesen zu
werden verdient, die dem Eindruck eines außerordentlichen Schicksals zugänglich
sind. Es gibt in der Geschichte bedeutender Menschen wenig Fälle, die so schopen-
hanerisch stimmen können wie der Ausgang von Schumanns Lebenslauf. Härter
noch als den geistig umnachteten Leidensträger selbst mußte das Unglück seine Gattin
daniederschlageu. Durch Litzmann erfährt die größere Öffentlichkeit zum ersten¬
mal, wieviel der Beistand edler, junger Freunde dazu geholfen hat. daß Clara
Schumann die schrecklichen Jahre aufrecht überstehn konnte. Brahms, Joachim und
Dieterich waren ihre guten Geister, am intimsten die Beziehungen zu Brahms.
Was der Biograph über diesen letzten Punkt mitteilt, gibt leider den peinlichen
Andeutungen, die Max Kalbecks Brahmsbiographie gebracht hat, neue Nahrung.
Da möchten wir doch fragen: pill oono? Brahms selbst ist des Glaubens gestorben,
daß von den zwischen ihm und Clara Schumann getäuschten Briefen anch nicht eine
Zeile zum Vorschein kommen könne. Ein andrer Punkt in der Biographie, der zu be¬
sondern, Nachdenken veranlaßt, ist das Verhältnis von Clara Schumann zu Franz
Liszt. Daß die frühere Freundschaft zwischen dem Schumannschen Paar und Liszt
allmählich infolge verschiedner Meinungen über Meyerbeer und Mendelssohn, über
den musikalischen Charakter und Wert von Leipzig, im letzten Grnnde infolge ganz
entgegengesetzter Naturanlage und Weltanschauung ungefähr von der Zeit ab in die
Brüche ging, wo sich Liszt in Weimar niederließ, war längst bekannt. Aber erst
durch Litzmann kommt man den kleinen persönlichen Ursachen auf die Spur, die
dabei mitspielten, und erfährt mit Verwunderung, daß Clara Schumann Liszt für
eine nnliebenswü'rdige, unter Umständen brutale Natur ansah. Louise von Franc/.vis
war ähnlicher Ansicht. Aber da diese zwei Damen die ganze übrige, insbesondre
die weibliche Welt gegen sich haben, wäre es willkommen und sachlich wichtig, wenn
sich kompetente Männer wie Joachim, H. von Bronsart, Draeseke entschließen könnten,
über das Thema zu sprechen.

An Liszts Entwicklung als Künstler hat der gesellschaftliche Boden, auf dem er
sich vom Tode seines Vaters ab bewegte, einen wesentlichen Anteil gehabt, keine
andre Wendung seines äußern Lebens ist aber so wichtig für ihn geworden wie
die Bekanntschaft mit der polnischen Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein. Die
wohlverdiente Schriftstellerin La Mara hat soeben einen neuen Beitrag zur Charakteristik
dieser ohne Zweifel bedeutenden und merkwürdigen Persönlichkeit erscheinen lassen,
der unter dem Titel: Aus der Glanzzeit der Weimarer Altenburg gegen
250 ein die Fürstin gerichtete Briefe vorlegt. (Leipzig. Breitkopf und Härtel.) Unter
den Korrespondenten sind nur wenig Namen, die für das internationale Kultur¬
leben der Bismarckschen Ära gleichgiltig erscheinen. Erlaubte es der Raum, so
würden wir gern ihre Liste und damit ein Bild von dem Verkehrskreis der Wemiarschen
Altenburg, von den Elementen, die ihn belebten, und von denen, die ihm fehlten,
geben. Bei weitem die Mehrzahl der Briefe fällt auf die Weimarische Zeit der
Fürstin, hat also, da wir darüber schon reichlich unterrichtet sind, nur Doubletten¬
bedeutung, doch gibts der interessanten Einzelheiten genug. Auch die Anreden
R- Wagners an die ..liebe Kapellmeisterin" und das von Alfred Meißner gezeichnete
Bild der intimen Abende auf der Altenburg gehören dahin. "Sie "o. die Fürstin)
sitzen -- heißt es in diesem Meißnerschen Briefe --, die Zigarre rauchend, vor


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Berthold Litzmann

hat dem ersten Bande seiner Biographie Clara Schu¬
manns unlängst den zweiten folgen lassen, (Leipzig, Breitkopf und Härtel.) Da er die
von 1840 bis 1856 reichenden Ehejahre der Künstlerin umfaßt, mußte er uoch mehr
als der vorangegangne zur Doppclbiographie werden, und es liegt in der Natur
der Verhältnisse, daß die Mitteilungen über Robert Schumann seinen wichtigsten
und fesselndsten Teil bilden. Sie überholen an Reichhaltigkeit und Genauig¬
keit alles, was die bisherigen Biographien des Komponisten über die zwischen der
Verheiratung und dem Tode liegenden Jahre berichtet haben. Dank den unüber¬
trefflichen Quellen, die dem Verfasser in den Briefen und in den Tagebüchern des
Ehepaars zur Verfügung standen. Man muß laut darauf aufmerksam machen, daß
das Buch nicht bloß kunstgeschichtliches Interesse hat, sondern von allen gelesen zu
werden verdient, die dem Eindruck eines außerordentlichen Schicksals zugänglich
sind. Es gibt in der Geschichte bedeutender Menschen wenig Fälle, die so schopen-
hanerisch stimmen können wie der Ausgang von Schumanns Lebenslauf. Härter
noch als den geistig umnachteten Leidensträger selbst mußte das Unglück seine Gattin
daniederschlageu. Durch Litzmann erfährt die größere Öffentlichkeit zum ersten¬
mal, wieviel der Beistand edler, junger Freunde dazu geholfen hat. daß Clara
Schumann die schrecklichen Jahre aufrecht überstehn konnte. Brahms, Joachim und
Dieterich waren ihre guten Geister, am intimsten die Beziehungen zu Brahms.
Was der Biograph über diesen letzten Punkt mitteilt, gibt leider den peinlichen
Andeutungen, die Max Kalbecks Brahmsbiographie gebracht hat, neue Nahrung.
Da möchten wir doch fragen: pill oono? Brahms selbst ist des Glaubens gestorben,
daß von den zwischen ihm und Clara Schumann getäuschten Briefen anch nicht eine
Zeile zum Vorschein kommen könne. Ein andrer Punkt in der Biographie, der zu be¬
sondern, Nachdenken veranlaßt, ist das Verhältnis von Clara Schumann zu Franz
Liszt. Daß die frühere Freundschaft zwischen dem Schumannschen Paar und Liszt
allmählich infolge verschiedner Meinungen über Meyerbeer und Mendelssohn, über
den musikalischen Charakter und Wert von Leipzig, im letzten Grnnde infolge ganz
entgegengesetzter Naturanlage und Weltanschauung ungefähr von der Zeit ab in die
Brüche ging, wo sich Liszt in Weimar niederließ, war längst bekannt. Aber erst
durch Litzmann kommt man den kleinen persönlichen Ursachen auf die Spur, die
dabei mitspielten, und erfährt mit Verwunderung, daß Clara Schumann Liszt für
eine nnliebenswü'rdige, unter Umständen brutale Natur ansah. Louise von Franc/.vis
war ähnlicher Ansicht. Aber da diese zwei Damen die ganze übrige, insbesondre
die weibliche Welt gegen sich haben, wäre es willkommen und sachlich wichtig, wenn
sich kompetente Männer wie Joachim, H. von Bronsart, Draeseke entschließen könnten,
über das Thema zu sprechen.

An Liszts Entwicklung als Künstler hat der gesellschaftliche Boden, auf dem er
sich vom Tode seines Vaters ab bewegte, einen wesentlichen Anteil gehabt, keine
andre Wendung seines äußern Lebens ist aber so wichtig für ihn geworden wie
die Bekanntschaft mit der polnischen Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein. Die
wohlverdiente Schriftstellerin La Mara hat soeben einen neuen Beitrag zur Charakteristik
dieser ohne Zweifel bedeutenden und merkwürdigen Persönlichkeit erscheinen lassen,
der unter dem Titel: Aus der Glanzzeit der Weimarer Altenburg gegen
250 ein die Fürstin gerichtete Briefe vorlegt. (Leipzig. Breitkopf und Härtel.) Unter
den Korrespondenten sind nur wenig Namen, die für das internationale Kultur¬
leben der Bismarckschen Ära gleichgiltig erscheinen. Erlaubte es der Raum, so
würden wir gern ihre Liste und damit ein Bild von dem Verkehrskreis der Wemiarschen
Altenburg, von den Elementen, die ihn belebten, und von denen, die ihm fehlten,
geben. Bei weitem die Mehrzahl der Briefe fällt auf die Weimarische Zeit der
Fürstin, hat also, da wir darüber schon reichlich unterrichtet sind, nur Doubletten¬
bedeutung, doch gibts der interessanten Einzelheiten genug. Auch die Anreden
R- Wagners an die ..liebe Kapellmeisterin" und das von Alfred Meißner gezeichnete
Bild der intimen Abende auf der Altenburg gehören dahin. „Sie »o. die Fürstin)
sitzen — heißt es in diesem Meißnerschen Briefe —, die Zigarre rauchend, vor


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[0571] Maßgebliches und Unmaßgebliches Berthold Litzmann hat dem ersten Bande seiner Biographie Clara Schu¬ manns unlängst den zweiten folgen lassen, (Leipzig, Breitkopf und Härtel.) Da er die von 1840 bis 1856 reichenden Ehejahre der Künstlerin umfaßt, mußte er uoch mehr als der vorangegangne zur Doppclbiographie werden, und es liegt in der Natur der Verhältnisse, daß die Mitteilungen über Robert Schumann seinen wichtigsten und fesselndsten Teil bilden. Sie überholen an Reichhaltigkeit und Genauig¬ keit alles, was die bisherigen Biographien des Komponisten über die zwischen der Verheiratung und dem Tode liegenden Jahre berichtet haben. Dank den unüber¬ trefflichen Quellen, die dem Verfasser in den Briefen und in den Tagebüchern des Ehepaars zur Verfügung standen. Man muß laut darauf aufmerksam machen, daß das Buch nicht bloß kunstgeschichtliches Interesse hat, sondern von allen gelesen zu werden verdient, die dem Eindruck eines außerordentlichen Schicksals zugänglich sind. Es gibt in der Geschichte bedeutender Menschen wenig Fälle, die so schopen- hanerisch stimmen können wie der Ausgang von Schumanns Lebenslauf. Härter noch als den geistig umnachteten Leidensträger selbst mußte das Unglück seine Gattin daniederschlageu. Durch Litzmann erfährt die größere Öffentlichkeit zum ersten¬ mal, wieviel der Beistand edler, junger Freunde dazu geholfen hat. daß Clara Schumann die schrecklichen Jahre aufrecht überstehn konnte. Brahms, Joachim und Dieterich waren ihre guten Geister, am intimsten die Beziehungen zu Brahms. Was der Biograph über diesen letzten Punkt mitteilt, gibt leider den peinlichen Andeutungen, die Max Kalbecks Brahmsbiographie gebracht hat, neue Nahrung. Da möchten wir doch fragen: pill oono? Brahms selbst ist des Glaubens gestorben, daß von den zwischen ihm und Clara Schumann getäuschten Briefen anch nicht eine Zeile zum Vorschein kommen könne. Ein andrer Punkt in der Biographie, der zu be¬ sondern, Nachdenken veranlaßt, ist das Verhältnis von Clara Schumann zu Franz Liszt. Daß die frühere Freundschaft zwischen dem Schumannschen Paar und Liszt allmählich infolge verschiedner Meinungen über Meyerbeer und Mendelssohn, über den musikalischen Charakter und Wert von Leipzig, im letzten Grnnde infolge ganz entgegengesetzter Naturanlage und Weltanschauung ungefähr von der Zeit ab in die Brüche ging, wo sich Liszt in Weimar niederließ, war längst bekannt. Aber erst durch Litzmann kommt man den kleinen persönlichen Ursachen auf die Spur, die dabei mitspielten, und erfährt mit Verwunderung, daß Clara Schumann Liszt für eine nnliebenswü'rdige, unter Umständen brutale Natur ansah. Louise von Franc/.vis war ähnlicher Ansicht. Aber da diese zwei Damen die ganze übrige, insbesondre die weibliche Welt gegen sich haben, wäre es willkommen und sachlich wichtig, wenn sich kompetente Männer wie Joachim, H. von Bronsart, Draeseke entschließen könnten, über das Thema zu sprechen. An Liszts Entwicklung als Künstler hat der gesellschaftliche Boden, auf dem er sich vom Tode seines Vaters ab bewegte, einen wesentlichen Anteil gehabt, keine andre Wendung seines äußern Lebens ist aber so wichtig für ihn geworden wie die Bekanntschaft mit der polnischen Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein. Die wohlverdiente Schriftstellerin La Mara hat soeben einen neuen Beitrag zur Charakteristik dieser ohne Zweifel bedeutenden und merkwürdigen Persönlichkeit erscheinen lassen, der unter dem Titel: Aus der Glanzzeit der Weimarer Altenburg gegen 250 ein die Fürstin gerichtete Briefe vorlegt. (Leipzig. Breitkopf und Härtel.) Unter den Korrespondenten sind nur wenig Namen, die für das internationale Kultur¬ leben der Bismarckschen Ära gleichgiltig erscheinen. Erlaubte es der Raum, so würden wir gern ihre Liste und damit ein Bild von dem Verkehrskreis der Wemiarschen Altenburg, von den Elementen, die ihn belebten, und von denen, die ihm fehlten, geben. Bei weitem die Mehrzahl der Briefe fällt auf die Weimarische Zeit der Fürstin, hat also, da wir darüber schon reichlich unterrichtet sind, nur Doubletten¬ bedeutung, doch gibts der interessanten Einzelheiten genug. Auch die Anreden R- Wagners an die ..liebe Kapellmeisterin" und das von Alfred Meißner gezeichnete Bild der intimen Abende auf der Altenburg gehören dahin. „Sie »o. die Fürstin) sitzen — heißt es in diesem Meißnerschen Briefe —, die Zigarre rauchend, vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/571>, abgerufen am 27.12.2024.