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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Brüdern heimgefunden hat, von dem höchsten Werte. Daß politische Gegner, daß
überzeugte Anhänger verschiedner religiöser Bekenntnisse von dem Rahmen der
Flottenvereinsgruppen umfaßt werden, daß katholische Geistliche an den Jnstruktions-
fahrten nach Kiel teilnehmen, als Gruppenleiter tätig sind, durch schlichte, auch den
müden Handwerker und Landmann noch fesselnde Erzählungen von unsrer Handels¬
und Verkehrsflotte die Kenntnis der deutschen Seeinteressen in die kleinsten, fern
von der See heimlich in die Täter Mittel- und Oberdeutschlands gebetteten Dörfchen
tragen, das ist ein Erfolg, der nur der maßvollen, Andersdenkende nicht ver¬
letzenden, sondern zu gewinnen suchenden und gewinnenden Werbetätigkeit des
Bayrischen Landesverbandes zu danken ist.

Dennoch wird der Name Bayern in der Polemik gegen den bayrischen Zweig
des Flottenvereins mit einer ähnlichen Tonfarbe und mit einem ähnlichen Accent aus¬
gesprochen wie damals, als erst bei Heman, Brienne, Bar sur Aube und Urals für Aube,
noch nicht bei Weißenburg, Wörth, Beaumont, sedem, Paris und in den blutigen
Kämpfen an der Loire der bayrische Schild von den Flecken der Rheinbundzeit ge¬
reinigt worden war. Dieser Rheinbundaccent vergiftet die Polemik gegen den
Bayrischen Landesverband. Er verletzt die Männer aufs tiefste, die in Bayern lange
Zeit die Zielscheibe des Hohnes der extremen Partikularisten waren, die ihre Kraft
daran setzten, die Gegensätze zwischen dem Norden und dem Süden auszugleichen, die
mit einem ungewöhnlichen Maß von Idealismus ausgestattet trotz allen Enttäuschungen
nicht müde werden, dieses Ziel zu verfolgen, und die nun, durch die einigende Macht
des Flottengedankens unterstützt, daran sind, endlich an Interesse für das Gesamtvolk,
an Vertrauen zu den leitenden Neichsbehörden und an nationalem Opfermut einen
Kriegs- und Friedensschatz für die Zukunft Deutschlands zu sammeln. Sie werden
schnöde in ihrem Werke gestört. Ihr Werk aber ist von unschätzbarem Werte. Was
in ihren Pflanzstätten des Nationalgefühls aus ihrer Saat aufwächst, was von der
"lässigen, scheu nach der Fuchtel des Zentrums blickenden" Agitation des Bayrischen
Landesverbandes zum Gedeihen gebracht wird, ist mehr als ein Adresseusturm und
mehr sogar als eine flottenfreundliche Reichstagsmajorität -- es ist ein Teil der
Kraft, die in den Befreiungskriegen vor allem das preußische Volk, aber auch die
übrigen deutschen Stämme beseelt hat, die Ferdinande von Schmettau trieb, das
einzige Gold, das ihr eigen war, ihr schönes blondes Haar, für das Vaterland zu
opfern, die Schill und Hofer in den Kampf führte und die Elf von Wesel und
den Einen von Braunau, Palm, bis zum bittern Ende aufrecht erhielt.

Man sieht über diese nationale Arbeit geringschätzig hinweg und stört und
schmäht die treuen Arbeiter. Was die bayrischen Flottenvereinsorgane zur Über¬
brückung des für unsre nationale Existenz so gefährlichen konfessionellen Zwiespalts
getan haben, wird aufs schwerste gefährdet durch den frevelhaften Leichtsinn, womit
Gegner des Bayrischen Landesverbandes die Meinungsverschiedenheiten innerhalb
des Vereins, die nur methodische Fragen betreffen, auf das konfessionelle Gebiet
zu übertragen suchen. Im 5. Hefte des Jahrgangs 1905 der Grenzboten sagt
Georg Wislicenus: "Seit Jahrhunderten vergiften die endlosen und zwecklosen
kirchlichen Streitigkeiten im Reiche die Sinneseiuigkeit gerade des zuverlässigsten
Teils des deutschen Volkes.....soll das tiefinnerliche, echt religiöse deutsche Gemüt
immer aufs neue durch den unseligen kirchlichen Hader in den deutschen Landen
beunruhigt werden? Diese ungelöste Frage hat viel mehr mit der Flottenfrage zu
tun, als mancher ahnt. Denn wie soll das vaterländische Gewissen geweckt und
gestärkt werden, wenn das religiöse Gewissen der besten Deutschen aller Bekenntnisse
fortwährend durch Ärger und Unruhe geschädigt wird!" Als Wislicenus dieses
schrieb, gefährdete die Nachbarschaft des konfessionellen Kampfes den Flottenverein.
Heute ist man in der Verblendung so weit gekommen, daß man diesen Kampf in
den Flottenverein selbst zu tragen sucht. Man lähmt die einigende Wirkung des
Flottengedankens und macht das deutsche Volk an Seelenkraft ärmer. Vermag die
mächtigste, modernste Seerüstung diesen Schaden auszugleichen?


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Brüdern heimgefunden hat, von dem höchsten Werte. Daß politische Gegner, daß
überzeugte Anhänger verschiedner religiöser Bekenntnisse von dem Rahmen der
Flottenvereinsgruppen umfaßt werden, daß katholische Geistliche an den Jnstruktions-
fahrten nach Kiel teilnehmen, als Gruppenleiter tätig sind, durch schlichte, auch den
müden Handwerker und Landmann noch fesselnde Erzählungen von unsrer Handels¬
und Verkehrsflotte die Kenntnis der deutschen Seeinteressen in die kleinsten, fern
von der See heimlich in die Täter Mittel- und Oberdeutschlands gebetteten Dörfchen
tragen, das ist ein Erfolg, der nur der maßvollen, Andersdenkende nicht ver¬
letzenden, sondern zu gewinnen suchenden und gewinnenden Werbetätigkeit des
Bayrischen Landesverbandes zu danken ist.

Dennoch wird der Name Bayern in der Polemik gegen den bayrischen Zweig
des Flottenvereins mit einer ähnlichen Tonfarbe und mit einem ähnlichen Accent aus¬
gesprochen wie damals, als erst bei Heman, Brienne, Bar sur Aube und Urals für Aube,
noch nicht bei Weißenburg, Wörth, Beaumont, sedem, Paris und in den blutigen
Kämpfen an der Loire der bayrische Schild von den Flecken der Rheinbundzeit ge¬
reinigt worden war. Dieser Rheinbundaccent vergiftet die Polemik gegen den
Bayrischen Landesverband. Er verletzt die Männer aufs tiefste, die in Bayern lange
Zeit die Zielscheibe des Hohnes der extremen Partikularisten waren, die ihre Kraft
daran setzten, die Gegensätze zwischen dem Norden und dem Süden auszugleichen, die
mit einem ungewöhnlichen Maß von Idealismus ausgestattet trotz allen Enttäuschungen
nicht müde werden, dieses Ziel zu verfolgen, und die nun, durch die einigende Macht
des Flottengedankens unterstützt, daran sind, endlich an Interesse für das Gesamtvolk,
an Vertrauen zu den leitenden Neichsbehörden und an nationalem Opfermut einen
Kriegs- und Friedensschatz für die Zukunft Deutschlands zu sammeln. Sie werden
schnöde in ihrem Werke gestört. Ihr Werk aber ist von unschätzbarem Werte. Was
in ihren Pflanzstätten des Nationalgefühls aus ihrer Saat aufwächst, was von der
„lässigen, scheu nach der Fuchtel des Zentrums blickenden" Agitation des Bayrischen
Landesverbandes zum Gedeihen gebracht wird, ist mehr als ein Adresseusturm und
mehr sogar als eine flottenfreundliche Reichstagsmajorität — es ist ein Teil der
Kraft, die in den Befreiungskriegen vor allem das preußische Volk, aber auch die
übrigen deutschen Stämme beseelt hat, die Ferdinande von Schmettau trieb, das
einzige Gold, das ihr eigen war, ihr schönes blondes Haar, für das Vaterland zu
opfern, die Schill und Hofer in den Kampf führte und die Elf von Wesel und
den Einen von Braunau, Palm, bis zum bittern Ende aufrecht erhielt.

Man sieht über diese nationale Arbeit geringschätzig hinweg und stört und
schmäht die treuen Arbeiter. Was die bayrischen Flottenvereinsorgane zur Über¬
brückung des für unsre nationale Existenz so gefährlichen konfessionellen Zwiespalts
getan haben, wird aufs schwerste gefährdet durch den frevelhaften Leichtsinn, womit
Gegner des Bayrischen Landesverbandes die Meinungsverschiedenheiten innerhalb
des Vereins, die nur methodische Fragen betreffen, auf das konfessionelle Gebiet
zu übertragen suchen. Im 5. Hefte des Jahrgangs 1905 der Grenzboten sagt
Georg Wislicenus: „Seit Jahrhunderten vergiften die endlosen und zwecklosen
kirchlichen Streitigkeiten im Reiche die Sinneseiuigkeit gerade des zuverlässigsten
Teils des deutschen Volkes.....soll das tiefinnerliche, echt religiöse deutsche Gemüt
immer aufs neue durch den unseligen kirchlichen Hader in den deutschen Landen
beunruhigt werden? Diese ungelöste Frage hat viel mehr mit der Flottenfrage zu
tun, als mancher ahnt. Denn wie soll das vaterländische Gewissen geweckt und
gestärkt werden, wenn das religiöse Gewissen der besten Deutschen aller Bekenntnisse
fortwährend durch Ärger und Unruhe geschädigt wird!" Als Wislicenus dieses
schrieb, gefährdete die Nachbarschaft des konfessionellen Kampfes den Flottenverein.
Heute ist man in der Verblendung so weit gekommen, daß man diesen Kampf in
den Flottenverein selbst zu tragen sucht. Man lähmt die einigende Wirkung des
Flottengedankens und macht das deutsche Volk an Seelenkraft ärmer. Vermag die
mächtigste, modernste Seerüstung diesen Schaden auszugleichen?


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[0566] Maßgebliches und Unmaßgebliches Brüdern heimgefunden hat, von dem höchsten Werte. Daß politische Gegner, daß überzeugte Anhänger verschiedner religiöser Bekenntnisse von dem Rahmen der Flottenvereinsgruppen umfaßt werden, daß katholische Geistliche an den Jnstruktions- fahrten nach Kiel teilnehmen, als Gruppenleiter tätig sind, durch schlichte, auch den müden Handwerker und Landmann noch fesselnde Erzählungen von unsrer Handels¬ und Verkehrsflotte die Kenntnis der deutschen Seeinteressen in die kleinsten, fern von der See heimlich in die Täter Mittel- und Oberdeutschlands gebetteten Dörfchen tragen, das ist ein Erfolg, der nur der maßvollen, Andersdenkende nicht ver¬ letzenden, sondern zu gewinnen suchenden und gewinnenden Werbetätigkeit des Bayrischen Landesverbandes zu danken ist. Dennoch wird der Name Bayern in der Polemik gegen den bayrischen Zweig des Flottenvereins mit einer ähnlichen Tonfarbe und mit einem ähnlichen Accent aus¬ gesprochen wie damals, als erst bei Heman, Brienne, Bar sur Aube und Urals für Aube, noch nicht bei Weißenburg, Wörth, Beaumont, sedem, Paris und in den blutigen Kämpfen an der Loire der bayrische Schild von den Flecken der Rheinbundzeit ge¬ reinigt worden war. Dieser Rheinbundaccent vergiftet die Polemik gegen den Bayrischen Landesverband. Er verletzt die Männer aufs tiefste, die in Bayern lange Zeit die Zielscheibe des Hohnes der extremen Partikularisten waren, die ihre Kraft daran setzten, die Gegensätze zwischen dem Norden und dem Süden auszugleichen, die mit einem ungewöhnlichen Maß von Idealismus ausgestattet trotz allen Enttäuschungen nicht müde werden, dieses Ziel zu verfolgen, und die nun, durch die einigende Macht des Flottengedankens unterstützt, daran sind, endlich an Interesse für das Gesamtvolk, an Vertrauen zu den leitenden Neichsbehörden und an nationalem Opfermut einen Kriegs- und Friedensschatz für die Zukunft Deutschlands zu sammeln. Sie werden schnöde in ihrem Werke gestört. Ihr Werk aber ist von unschätzbarem Werte. Was in ihren Pflanzstätten des Nationalgefühls aus ihrer Saat aufwächst, was von der „lässigen, scheu nach der Fuchtel des Zentrums blickenden" Agitation des Bayrischen Landesverbandes zum Gedeihen gebracht wird, ist mehr als ein Adresseusturm und mehr sogar als eine flottenfreundliche Reichstagsmajorität — es ist ein Teil der Kraft, die in den Befreiungskriegen vor allem das preußische Volk, aber auch die übrigen deutschen Stämme beseelt hat, die Ferdinande von Schmettau trieb, das einzige Gold, das ihr eigen war, ihr schönes blondes Haar, für das Vaterland zu opfern, die Schill und Hofer in den Kampf führte und die Elf von Wesel und den Einen von Braunau, Palm, bis zum bittern Ende aufrecht erhielt. Man sieht über diese nationale Arbeit geringschätzig hinweg und stört und schmäht die treuen Arbeiter. Was die bayrischen Flottenvereinsorgane zur Über¬ brückung des für unsre nationale Existenz so gefährlichen konfessionellen Zwiespalts getan haben, wird aufs schwerste gefährdet durch den frevelhaften Leichtsinn, womit Gegner des Bayrischen Landesverbandes die Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Vereins, die nur methodische Fragen betreffen, auf das konfessionelle Gebiet zu übertragen suchen. Im 5. Hefte des Jahrgangs 1905 der Grenzboten sagt Georg Wislicenus: „Seit Jahrhunderten vergiften die endlosen und zwecklosen kirchlichen Streitigkeiten im Reiche die Sinneseiuigkeit gerade des zuverlässigsten Teils des deutschen Volkes.....soll das tiefinnerliche, echt religiöse deutsche Gemüt immer aufs neue durch den unseligen kirchlichen Hader in den deutschen Landen beunruhigt werden? Diese ungelöste Frage hat viel mehr mit der Flottenfrage zu tun, als mancher ahnt. Denn wie soll das vaterländische Gewissen geweckt und gestärkt werden, wenn das religiöse Gewissen der besten Deutschen aller Bekenntnisse fortwährend durch Ärger und Unruhe geschädigt wird!" Als Wislicenus dieses schrieb, gefährdete die Nachbarschaft des konfessionellen Kampfes den Flottenverein. Heute ist man in der Verblendung so weit gekommen, daß man diesen Kampf in den Flottenverein selbst zu tragen sucht. Man lähmt die einigende Wirkung des Flottengedankens und macht das deutsche Volk an Seelenkraft ärmer. Vermag die mächtigste, modernste Seerüstung diesen Schaden auszugleichen?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/566>, abgerufen am 04.07.2024.