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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Sinaihalbinsel zu Ägypten gehört. Man ist über den Streit ganz auf englische
Quellen angewiesen, und diese stehn selbstverständlich aus ägyptischer Seite. Ihnen
zufolge hat der Sultan 1841 die Sinaihalbinsel an Ägypten überwiesen, damit
der Khedive die auf der von uns mehrfach erwähnten Straße ziehenden Pilger
gegen beduinische Angriffe von der Sinaihalbinsel besser schützen könne. Sogar
Akaba selbst habe der Khedive besetzen sollen. Seitdem haben die Pilger die Land¬
route verlassen, sie fahren zu Schiff durch den Suezkanal nach Dscheddah. Im
Jahre 1892 wollte die Pforte das Abkommen aufheben, weil Garnisonen in Akaba
nicht mehr nötig seien. Nach einigem Hin und Her erkannte Ägypten an, daß die
Türkei El Wijh und Akaba wieder mit dem Wilajet Hedschas vereinigt habe, jedoch
solle auf der Sinaihalbinsel der statuZ vno bleiben wie bisher. Diese solle wieder
von Ägypten verwaltet werden wie zu der Zeit Ismael Paschas und Mehemed
Tewfik Paschas. In einer türkischen Depesche an die englische Regierung wurde
der ägyptischen Regierung ausdrücklich das Land zugesprochen zwischen Akaba und
El Arisch. Dieses liegt südlich von der Südgrenze Palästinas; es ist auf unsern
Karten, zum Beispiel Stieler, Andree, als ägyptisch bezeichnet. Taha liege nach
dieser englischen Autorität (Aufs vom 17. April) westlich von der Linie, sei also
ägyptisch. Nun hätten, so heißt es dort weiter, vor einigen Jahren die Ägypter
angefangen, die bisher sehr vernachlässigten dortigen Grenzen besser zu markieren,
sie hätten beabsichtigt, eine kleine Garnison nach Taha zu legen. Da wird wohl
der Hund begraben liegen. Grenzen haben in der Tat in einem an Pflanzen¬
wuchs, Tierleben und Mineralschätzen so armen, obendrein vom Verkehr gemiednen
Lande keine große Bedeutung, zumal wenn auch keine strategischen Rücksichten in
Frage kommen. Weshalb schreitet Ägypten plötzlich zu der Sicherung dieser wert¬
losen Grenze? Man kann kaum einen andern Grund ersinnen als den, daß die
Annäherung der türkischen Eisenbahn bevorstand. Die Ägypter wollten auf dem
Platze sein, ehe sich hier eine Verbindung zwischen der Seeschiffahrt und der tür¬
kischen Eisenbahn entwickelte. Danach muß man annehmen, daß der Anspruch
Ägyptens auf Taha doch nicht so ganz klar sei, oder aber, daß man nicht eben
sehr von der Absicht erfüllt war, die Türken im unangefochtnen Besitz von Akaba
zu lassen.

Als nun der türkische Befehlshaber von Akaba erfuhr, was die Ägypter be¬
absichtigten, ließ er Taha besetzen und als zur Provinz Hedschas gehörend erklären;
es gehöre zum Distrikt Akaba und sei deshalb laut jener Erklärung vom Jahre 1892
wieder mit Hedschas vereinigt. Die Ägypter erwidern, es gebe gar keinen "Distrikt
Akaba"; dieses sei eben nur ein Fort, 1892 sei auch nur ein Fort Akaba (Kalaat
el Akaba) erwähnt worden. Gerade nach Taha seien 1892 die aus Akaba zurück¬
gezognen Truppen gebracht worden, was keinen Sinn gehabt habe, wenn Taha zu
Akaba gehört habe. Die ägyptische Regierung widerstreite einer freundschaftlichen
Behandlung der Frage nicht, verlange aber, daß zuvor die türkischen Truppen aus
Taha zurückgezogen würden.

In diesen Stand der Dinge kommt die Nachricht, daß die türkische Regierung
die ganze Sinaihalbinsel für sich verlange. Es müsse eine Linie von dem oben
erwähnten El Arisch in südwestlicher Richtung nach Suez gezogen werden und alles,
was südöstlich davon liege, als türkisches Gebiet anerkannt werden. Auch verlange
sie das Recht zu der Erbauung einer Eisenbahn von Akaba nach Suez. Diese ganze
Nachricht erscheint mehr als fragwürdig. Denn daß England im Namen Ägyptens
den äußersten Widerstand dagegen erheben werde, daß türkisches Gebiet bis an das
so unendlich wichtige Suez heranreiche, kann sich die Hohe Pforte leicht selbst sagen.
Auf einen Erfolg ist dabei schlechtweg nicht zu rechnen. Was aber eine Eisenbahn
von Akaba über den nördlichen Teil der Sinaihalbinsel -- also den berühmten Berg
selber links liegen lassend -- der Türkei nützen könnte, ist nicht zu erkennen. Über
den Sinai, den Berg, zu gehen, ist völlig ausgeschlossen. Woher sollte eine solche
Bahn denn wohl irgendwelchen Verkehr erwarten dürfen? Auf Pilgerwandrungen
ist nicht zu rechnen, denn wer von Suez nach Mekka will, wird nicht die qualvoll


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Sinaihalbinsel zu Ägypten gehört. Man ist über den Streit ganz auf englische
Quellen angewiesen, und diese stehn selbstverständlich aus ägyptischer Seite. Ihnen
zufolge hat der Sultan 1841 die Sinaihalbinsel an Ägypten überwiesen, damit
der Khedive die auf der von uns mehrfach erwähnten Straße ziehenden Pilger
gegen beduinische Angriffe von der Sinaihalbinsel besser schützen könne. Sogar
Akaba selbst habe der Khedive besetzen sollen. Seitdem haben die Pilger die Land¬
route verlassen, sie fahren zu Schiff durch den Suezkanal nach Dscheddah. Im
Jahre 1892 wollte die Pforte das Abkommen aufheben, weil Garnisonen in Akaba
nicht mehr nötig seien. Nach einigem Hin und Her erkannte Ägypten an, daß die
Türkei El Wijh und Akaba wieder mit dem Wilajet Hedschas vereinigt habe, jedoch
solle auf der Sinaihalbinsel der statuZ vno bleiben wie bisher. Diese solle wieder
von Ägypten verwaltet werden wie zu der Zeit Ismael Paschas und Mehemed
Tewfik Paschas. In einer türkischen Depesche an die englische Regierung wurde
der ägyptischen Regierung ausdrücklich das Land zugesprochen zwischen Akaba und
El Arisch. Dieses liegt südlich von der Südgrenze Palästinas; es ist auf unsern
Karten, zum Beispiel Stieler, Andree, als ägyptisch bezeichnet. Taha liege nach
dieser englischen Autorität (Aufs vom 17. April) westlich von der Linie, sei also
ägyptisch. Nun hätten, so heißt es dort weiter, vor einigen Jahren die Ägypter
angefangen, die bisher sehr vernachlässigten dortigen Grenzen besser zu markieren,
sie hätten beabsichtigt, eine kleine Garnison nach Taha zu legen. Da wird wohl
der Hund begraben liegen. Grenzen haben in der Tat in einem an Pflanzen¬
wuchs, Tierleben und Mineralschätzen so armen, obendrein vom Verkehr gemiednen
Lande keine große Bedeutung, zumal wenn auch keine strategischen Rücksichten in
Frage kommen. Weshalb schreitet Ägypten plötzlich zu der Sicherung dieser wert¬
losen Grenze? Man kann kaum einen andern Grund ersinnen als den, daß die
Annäherung der türkischen Eisenbahn bevorstand. Die Ägypter wollten auf dem
Platze sein, ehe sich hier eine Verbindung zwischen der Seeschiffahrt und der tür¬
kischen Eisenbahn entwickelte. Danach muß man annehmen, daß der Anspruch
Ägyptens auf Taha doch nicht so ganz klar sei, oder aber, daß man nicht eben
sehr von der Absicht erfüllt war, die Türken im unangefochtnen Besitz von Akaba
zu lassen.

Als nun der türkische Befehlshaber von Akaba erfuhr, was die Ägypter be¬
absichtigten, ließ er Taha besetzen und als zur Provinz Hedschas gehörend erklären;
es gehöre zum Distrikt Akaba und sei deshalb laut jener Erklärung vom Jahre 1892
wieder mit Hedschas vereinigt. Die Ägypter erwidern, es gebe gar keinen „Distrikt
Akaba"; dieses sei eben nur ein Fort, 1892 sei auch nur ein Fort Akaba (Kalaat
el Akaba) erwähnt worden. Gerade nach Taha seien 1892 die aus Akaba zurück¬
gezognen Truppen gebracht worden, was keinen Sinn gehabt habe, wenn Taha zu
Akaba gehört habe. Die ägyptische Regierung widerstreite einer freundschaftlichen
Behandlung der Frage nicht, verlange aber, daß zuvor die türkischen Truppen aus
Taha zurückgezogen würden.

In diesen Stand der Dinge kommt die Nachricht, daß die türkische Regierung
die ganze Sinaihalbinsel für sich verlange. Es müsse eine Linie von dem oben
erwähnten El Arisch in südwestlicher Richtung nach Suez gezogen werden und alles,
was südöstlich davon liege, als türkisches Gebiet anerkannt werden. Auch verlange
sie das Recht zu der Erbauung einer Eisenbahn von Akaba nach Suez. Diese ganze
Nachricht erscheint mehr als fragwürdig. Denn daß England im Namen Ägyptens
den äußersten Widerstand dagegen erheben werde, daß türkisches Gebiet bis an das
so unendlich wichtige Suez heranreiche, kann sich die Hohe Pforte leicht selbst sagen.
Auf einen Erfolg ist dabei schlechtweg nicht zu rechnen. Was aber eine Eisenbahn
von Akaba über den nördlichen Teil der Sinaihalbinsel — also den berühmten Berg
selber links liegen lassend — der Türkei nützen könnte, ist nicht zu erkennen. Über
den Sinai, den Berg, zu gehen, ist völlig ausgeschlossen. Woher sollte eine solche
Bahn denn wohl irgendwelchen Verkehr erwarten dürfen? Auf Pilgerwandrungen
ist nicht zu rechnen, denn wer von Suez nach Mekka will, wird nicht die qualvoll


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[0298] Maßgebliches und Unmaßgebliches Sinaihalbinsel zu Ägypten gehört. Man ist über den Streit ganz auf englische Quellen angewiesen, und diese stehn selbstverständlich aus ägyptischer Seite. Ihnen zufolge hat der Sultan 1841 die Sinaihalbinsel an Ägypten überwiesen, damit der Khedive die auf der von uns mehrfach erwähnten Straße ziehenden Pilger gegen beduinische Angriffe von der Sinaihalbinsel besser schützen könne. Sogar Akaba selbst habe der Khedive besetzen sollen. Seitdem haben die Pilger die Land¬ route verlassen, sie fahren zu Schiff durch den Suezkanal nach Dscheddah. Im Jahre 1892 wollte die Pforte das Abkommen aufheben, weil Garnisonen in Akaba nicht mehr nötig seien. Nach einigem Hin und Her erkannte Ägypten an, daß die Türkei El Wijh und Akaba wieder mit dem Wilajet Hedschas vereinigt habe, jedoch solle auf der Sinaihalbinsel der statuZ vno bleiben wie bisher. Diese solle wieder von Ägypten verwaltet werden wie zu der Zeit Ismael Paschas und Mehemed Tewfik Paschas. In einer türkischen Depesche an die englische Regierung wurde der ägyptischen Regierung ausdrücklich das Land zugesprochen zwischen Akaba und El Arisch. Dieses liegt südlich von der Südgrenze Palästinas; es ist auf unsern Karten, zum Beispiel Stieler, Andree, als ägyptisch bezeichnet. Taha liege nach dieser englischen Autorität (Aufs vom 17. April) westlich von der Linie, sei also ägyptisch. Nun hätten, so heißt es dort weiter, vor einigen Jahren die Ägypter angefangen, die bisher sehr vernachlässigten dortigen Grenzen besser zu markieren, sie hätten beabsichtigt, eine kleine Garnison nach Taha zu legen. Da wird wohl der Hund begraben liegen. Grenzen haben in der Tat in einem an Pflanzen¬ wuchs, Tierleben und Mineralschätzen so armen, obendrein vom Verkehr gemiednen Lande keine große Bedeutung, zumal wenn auch keine strategischen Rücksichten in Frage kommen. Weshalb schreitet Ägypten plötzlich zu der Sicherung dieser wert¬ losen Grenze? Man kann kaum einen andern Grund ersinnen als den, daß die Annäherung der türkischen Eisenbahn bevorstand. Die Ägypter wollten auf dem Platze sein, ehe sich hier eine Verbindung zwischen der Seeschiffahrt und der tür¬ kischen Eisenbahn entwickelte. Danach muß man annehmen, daß der Anspruch Ägyptens auf Taha doch nicht so ganz klar sei, oder aber, daß man nicht eben sehr von der Absicht erfüllt war, die Türken im unangefochtnen Besitz von Akaba zu lassen. Als nun der türkische Befehlshaber von Akaba erfuhr, was die Ägypter be¬ absichtigten, ließ er Taha besetzen und als zur Provinz Hedschas gehörend erklären; es gehöre zum Distrikt Akaba und sei deshalb laut jener Erklärung vom Jahre 1892 wieder mit Hedschas vereinigt. Die Ägypter erwidern, es gebe gar keinen „Distrikt Akaba"; dieses sei eben nur ein Fort, 1892 sei auch nur ein Fort Akaba (Kalaat el Akaba) erwähnt worden. Gerade nach Taha seien 1892 die aus Akaba zurück¬ gezognen Truppen gebracht worden, was keinen Sinn gehabt habe, wenn Taha zu Akaba gehört habe. Die ägyptische Regierung widerstreite einer freundschaftlichen Behandlung der Frage nicht, verlange aber, daß zuvor die türkischen Truppen aus Taha zurückgezogen würden. In diesen Stand der Dinge kommt die Nachricht, daß die türkische Regierung die ganze Sinaihalbinsel für sich verlange. Es müsse eine Linie von dem oben erwähnten El Arisch in südwestlicher Richtung nach Suez gezogen werden und alles, was südöstlich davon liege, als türkisches Gebiet anerkannt werden. Auch verlange sie das Recht zu der Erbauung einer Eisenbahn von Akaba nach Suez. Diese ganze Nachricht erscheint mehr als fragwürdig. Denn daß England im Namen Ägyptens den äußersten Widerstand dagegen erheben werde, daß türkisches Gebiet bis an das so unendlich wichtige Suez heranreiche, kann sich die Hohe Pforte leicht selbst sagen. Auf einen Erfolg ist dabei schlechtweg nicht zu rechnen. Was aber eine Eisenbahn von Akaba über den nördlichen Teil der Sinaihalbinsel — also den berühmten Berg selber links liegen lassend — der Türkei nützen könnte, ist nicht zu erkennen. Über den Sinai, den Berg, zu gehen, ist völlig ausgeschlossen. Woher sollte eine solche Bahn denn wohl irgendwelchen Verkehr erwarten dürfen? Auf Pilgerwandrungen ist nicht zu rechnen, denn wer von Suez nach Mekka will, wird nicht die qualvoll

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/298>, abgerufen am 24.07.2024.