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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

streiten. Die große kompakte kleinasiatische Halbinsel ist endlich mit den ersten
Linien erschlossen worden. Kleine Stränge von Haidar Pascha (gegenüber Kon-
stantinopel) und Smyrna aus taten den ersten Pivnierdienst. Dann kam die sich
bei Eski-Schehir gabelnde große (deutsche) Anatolische Eisenbahn nach Angora einer¬
seits und nach dem uralten Völkertor im Taurus andrerseits, die das Land in
wunderbarer Weise aus dem Schlaf von anderthalb Jahrtausenden geweckt hat.
Auch von Mersina nach Adana im Golf von Alexandrette geht eine kleine Eisen¬
bahn. Vom Tanrustor sollte die Bagdadbahn weiter gehn nach dem Nordrande
Mesopotamiens, vorbei an uralten, jedoch gänzlich vergessenen Städten, entlang am
Tigris, über Mosul, der den Ruinen von Ninive gegenüberliegenden Stadt, nach
Bagdad. Rußland verbat sich die Annäherung sowohl von Angora aus wie nach
dem armenischen Taurus zu. England intrignierte gegen die Bagdadbahn. Es
gab nicht seine Zustimmung zu der Zollerhöhung, ohne die die Einnahmegarantie
nicht sichergestellt werden konnte. Außerdem setzte es der Weiterführung von
Bagdad bis zum Persischen Golf Widerstand entgegen, indem es über den Scheich von
Kuweit, der den einzigen geeigneten Küstenpunkt beherrscht, ein Protektorat errichtete.
So stockt denn die große Eisenbahnlinie von Konstantinopel nach dem Persischen
Golf noch immer am Taurus.

Besser ist es in Syrien und Palästina gegangen. Sogar eine so abgelegne
und durch zwei hohe Gebirgsketten, den Libanon und den Antilibanon, von der
Küste geschiedne Stadt wie Damaskus ist seit elf Jahren mit der Eisenbahn er¬
reichbar. Merkwürdig genug wurde von Damaskus aus schon 1894, ein Jahr
ehe die Verbindung mit Beirut fertig war, eine Eisenbahn in Betrieb gesetzt.
Französische Unternehmer erbauten sie, um das Dampfroß nach Süden, nach dem
isolierten vulkanischen Gebirge Hauran fahren lassen zu können. Der Harren war
einst dicht bewohnt, eine ganze Anzahl von Rniuenstädten zeigt, welche Blüte hier
im Altertum geherrscht haben muß. Noch heute ist dieses in den Westrand der
großen syrischen Wüste eingebettete Land gut bewässert und fruchtbar, sodaß es nicht
geringe Mengen Korn auf der Eisenbahn nach Damaskus ausführen kann. Dschebel
el Druf, d. h. Drusengebirge, ist heute sein zweiter Name. Es wird hauptsächlich
von den Drüsen bewohnt, der eigentümlichen, zwischen Islam, Christentum und
Altheidentum stehenden Sekte, die im Mittelalter einst unter dem "Alten vom
Berge" eine große Rolle spielte, die aber noch heute den Christen im Libanon
zuweilen gefährlich wird. Im Jahre 1895 vollendete eine andre französische
Gesellschaft die Bahn von Beirut nach Damaskus, die mau gewöhnlich benvtzt,
wenn man die Stadt des Paulus, die uralte, jedoch an Überbleibseln arme Stadt
am Ostabhang des Antilibanon besuchen will, die die Fruchtbarkeit ihrer Umgebung
einem von den Schneegipfeln des Antilibanon kommenden Flüßchen verdankt. So
kann man also seit zwölf Jahren von der altphönizischen Stadt Beirut (Berytus) durch
den kahlen, weißen Libanon und seine nicht anmutigere Parallelkette, den Antilibanon,
bis zum Hauran fahren. Zwischen beiden kreuzt man die wohlbewässerte grüne
Ebene, Cölesyrien, die einst von vielen wohlhabenden Städten bedeckt war, von
denen nur noch eine, Baalbek oder Heliopolis, ein prächtiges Zeugnis ablegt.

Damaskus ist der Sammelpunkt für zahllose mohammedanische Pilger, die von
ganz Kleinasien, Syrien und Mesopotamien kommen und sich hier zu Kara¬
wanen nach Mekka vereinigen. Schon früh entstand der Gedanke, diesem Verkehr
eine Eisenbahn darzubieten. Auf ihn haben auch die Unternehmer der Hauran¬
bahn hauptsächlich gerechnet. Die türkische Regierung, den Erfolg von Eisenbahn-
unternehmungen in diesen Gegenden sehend, hielt es nun doch für notwendig, selbst
die Bahnverbindung herzustellen. Sie entschloß sich, eine Konkurrenzbahn zu bauen
und diese allmählich bis zum Roten Meer oder gar bis Mekka zu führen. Im
Jahre 1901 wurde mit der Hedschasbcchn begonnen, die, wenn sie bis Mekka fort¬
gesetzt wird, 1800 Kilometer Länge erreichen würde. Von Damaskus aus bleibt
sie östlicher als die Hauranbahn. Diese trifft sie bei Derat, östlich von dem See
Genezareth.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

streiten. Die große kompakte kleinasiatische Halbinsel ist endlich mit den ersten
Linien erschlossen worden. Kleine Stränge von Haidar Pascha (gegenüber Kon-
stantinopel) und Smyrna aus taten den ersten Pivnierdienst. Dann kam die sich
bei Eski-Schehir gabelnde große (deutsche) Anatolische Eisenbahn nach Angora einer¬
seits und nach dem uralten Völkertor im Taurus andrerseits, die das Land in
wunderbarer Weise aus dem Schlaf von anderthalb Jahrtausenden geweckt hat.
Auch von Mersina nach Adana im Golf von Alexandrette geht eine kleine Eisen¬
bahn. Vom Tanrustor sollte die Bagdadbahn weiter gehn nach dem Nordrande
Mesopotamiens, vorbei an uralten, jedoch gänzlich vergessenen Städten, entlang am
Tigris, über Mosul, der den Ruinen von Ninive gegenüberliegenden Stadt, nach
Bagdad. Rußland verbat sich die Annäherung sowohl von Angora aus wie nach
dem armenischen Taurus zu. England intrignierte gegen die Bagdadbahn. Es
gab nicht seine Zustimmung zu der Zollerhöhung, ohne die die Einnahmegarantie
nicht sichergestellt werden konnte. Außerdem setzte es der Weiterführung von
Bagdad bis zum Persischen Golf Widerstand entgegen, indem es über den Scheich von
Kuweit, der den einzigen geeigneten Küstenpunkt beherrscht, ein Protektorat errichtete.
So stockt denn die große Eisenbahnlinie von Konstantinopel nach dem Persischen
Golf noch immer am Taurus.

Besser ist es in Syrien und Palästina gegangen. Sogar eine so abgelegne
und durch zwei hohe Gebirgsketten, den Libanon und den Antilibanon, von der
Küste geschiedne Stadt wie Damaskus ist seit elf Jahren mit der Eisenbahn er¬
reichbar. Merkwürdig genug wurde von Damaskus aus schon 1894, ein Jahr
ehe die Verbindung mit Beirut fertig war, eine Eisenbahn in Betrieb gesetzt.
Französische Unternehmer erbauten sie, um das Dampfroß nach Süden, nach dem
isolierten vulkanischen Gebirge Hauran fahren lassen zu können. Der Harren war
einst dicht bewohnt, eine ganze Anzahl von Rniuenstädten zeigt, welche Blüte hier
im Altertum geherrscht haben muß. Noch heute ist dieses in den Westrand der
großen syrischen Wüste eingebettete Land gut bewässert und fruchtbar, sodaß es nicht
geringe Mengen Korn auf der Eisenbahn nach Damaskus ausführen kann. Dschebel
el Druf, d. h. Drusengebirge, ist heute sein zweiter Name. Es wird hauptsächlich
von den Drüsen bewohnt, der eigentümlichen, zwischen Islam, Christentum und
Altheidentum stehenden Sekte, die im Mittelalter einst unter dem „Alten vom
Berge" eine große Rolle spielte, die aber noch heute den Christen im Libanon
zuweilen gefährlich wird. Im Jahre 1895 vollendete eine andre französische
Gesellschaft die Bahn von Beirut nach Damaskus, die mau gewöhnlich benvtzt,
wenn man die Stadt des Paulus, die uralte, jedoch an Überbleibseln arme Stadt
am Ostabhang des Antilibanon besuchen will, die die Fruchtbarkeit ihrer Umgebung
einem von den Schneegipfeln des Antilibanon kommenden Flüßchen verdankt. So
kann man also seit zwölf Jahren von der altphönizischen Stadt Beirut (Berytus) durch
den kahlen, weißen Libanon und seine nicht anmutigere Parallelkette, den Antilibanon,
bis zum Hauran fahren. Zwischen beiden kreuzt man die wohlbewässerte grüne
Ebene, Cölesyrien, die einst von vielen wohlhabenden Städten bedeckt war, von
denen nur noch eine, Baalbek oder Heliopolis, ein prächtiges Zeugnis ablegt.

Damaskus ist der Sammelpunkt für zahllose mohammedanische Pilger, die von
ganz Kleinasien, Syrien und Mesopotamien kommen und sich hier zu Kara¬
wanen nach Mekka vereinigen. Schon früh entstand der Gedanke, diesem Verkehr
eine Eisenbahn darzubieten. Auf ihn haben auch die Unternehmer der Hauran¬
bahn hauptsächlich gerechnet. Die türkische Regierung, den Erfolg von Eisenbahn-
unternehmungen in diesen Gegenden sehend, hielt es nun doch für notwendig, selbst
die Bahnverbindung herzustellen. Sie entschloß sich, eine Konkurrenzbahn zu bauen
und diese allmählich bis zum Roten Meer oder gar bis Mekka zu führen. Im
Jahre 1901 wurde mit der Hedschasbcchn begonnen, die, wenn sie bis Mekka fort¬
gesetzt wird, 1800 Kilometer Länge erreichen würde. Von Damaskus aus bleibt
sie östlicher als die Hauranbahn. Diese trifft sie bei Derat, östlich von dem See
Genezareth.


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[0296] Maßgebliches und Unmaßgebliches streiten. Die große kompakte kleinasiatische Halbinsel ist endlich mit den ersten Linien erschlossen worden. Kleine Stränge von Haidar Pascha (gegenüber Kon- stantinopel) und Smyrna aus taten den ersten Pivnierdienst. Dann kam die sich bei Eski-Schehir gabelnde große (deutsche) Anatolische Eisenbahn nach Angora einer¬ seits und nach dem uralten Völkertor im Taurus andrerseits, die das Land in wunderbarer Weise aus dem Schlaf von anderthalb Jahrtausenden geweckt hat. Auch von Mersina nach Adana im Golf von Alexandrette geht eine kleine Eisen¬ bahn. Vom Tanrustor sollte die Bagdadbahn weiter gehn nach dem Nordrande Mesopotamiens, vorbei an uralten, jedoch gänzlich vergessenen Städten, entlang am Tigris, über Mosul, der den Ruinen von Ninive gegenüberliegenden Stadt, nach Bagdad. Rußland verbat sich die Annäherung sowohl von Angora aus wie nach dem armenischen Taurus zu. England intrignierte gegen die Bagdadbahn. Es gab nicht seine Zustimmung zu der Zollerhöhung, ohne die die Einnahmegarantie nicht sichergestellt werden konnte. Außerdem setzte es der Weiterführung von Bagdad bis zum Persischen Golf Widerstand entgegen, indem es über den Scheich von Kuweit, der den einzigen geeigneten Küstenpunkt beherrscht, ein Protektorat errichtete. So stockt denn die große Eisenbahnlinie von Konstantinopel nach dem Persischen Golf noch immer am Taurus. Besser ist es in Syrien und Palästina gegangen. Sogar eine so abgelegne und durch zwei hohe Gebirgsketten, den Libanon und den Antilibanon, von der Küste geschiedne Stadt wie Damaskus ist seit elf Jahren mit der Eisenbahn er¬ reichbar. Merkwürdig genug wurde von Damaskus aus schon 1894, ein Jahr ehe die Verbindung mit Beirut fertig war, eine Eisenbahn in Betrieb gesetzt. Französische Unternehmer erbauten sie, um das Dampfroß nach Süden, nach dem isolierten vulkanischen Gebirge Hauran fahren lassen zu können. Der Harren war einst dicht bewohnt, eine ganze Anzahl von Rniuenstädten zeigt, welche Blüte hier im Altertum geherrscht haben muß. Noch heute ist dieses in den Westrand der großen syrischen Wüste eingebettete Land gut bewässert und fruchtbar, sodaß es nicht geringe Mengen Korn auf der Eisenbahn nach Damaskus ausführen kann. Dschebel el Druf, d. h. Drusengebirge, ist heute sein zweiter Name. Es wird hauptsächlich von den Drüsen bewohnt, der eigentümlichen, zwischen Islam, Christentum und Altheidentum stehenden Sekte, die im Mittelalter einst unter dem „Alten vom Berge" eine große Rolle spielte, die aber noch heute den Christen im Libanon zuweilen gefährlich wird. Im Jahre 1895 vollendete eine andre französische Gesellschaft die Bahn von Beirut nach Damaskus, die mau gewöhnlich benvtzt, wenn man die Stadt des Paulus, die uralte, jedoch an Überbleibseln arme Stadt am Ostabhang des Antilibanon besuchen will, die die Fruchtbarkeit ihrer Umgebung einem von den Schneegipfeln des Antilibanon kommenden Flüßchen verdankt. So kann man also seit zwölf Jahren von der altphönizischen Stadt Beirut (Berytus) durch den kahlen, weißen Libanon und seine nicht anmutigere Parallelkette, den Antilibanon, bis zum Hauran fahren. Zwischen beiden kreuzt man die wohlbewässerte grüne Ebene, Cölesyrien, die einst von vielen wohlhabenden Städten bedeckt war, von denen nur noch eine, Baalbek oder Heliopolis, ein prächtiges Zeugnis ablegt. Damaskus ist der Sammelpunkt für zahllose mohammedanische Pilger, die von ganz Kleinasien, Syrien und Mesopotamien kommen und sich hier zu Kara¬ wanen nach Mekka vereinigen. Schon früh entstand der Gedanke, diesem Verkehr eine Eisenbahn darzubieten. Auf ihn haben auch die Unternehmer der Hauran¬ bahn hauptsächlich gerechnet. Die türkische Regierung, den Erfolg von Eisenbahn- unternehmungen in diesen Gegenden sehend, hielt es nun doch für notwendig, selbst die Bahnverbindung herzustellen. Sie entschloß sich, eine Konkurrenzbahn zu bauen und diese allmählich bis zum Roten Meer oder gar bis Mekka zu führen. Im Jahre 1901 wurde mit der Hedschasbcchn begonnen, die, wenn sie bis Mekka fort¬ gesetzt wird, 1800 Kilometer Länge erreichen würde. Von Damaskus aus bleibt sie östlicher als die Hauranbahn. Diese trifft sie bei Derat, östlich von dem See Genezareth.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/296>, abgerufen am 24.07.2024.