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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Bosnien und die Herzegowina

Auch die Ausbeutung der andern Naturschätze, Eisen, Kohlen und Salz,
sowie die der Wasserkräfte durch Private ist in erfreulichem Aufschwung. Am
meisten sieht der Fremde gewöhnlich von dem, was durch die Regierung für
das Kunsthandwerk geschieht und geschehen ist durch Errichtung von Regierungs-
werkstütten, in denen die halbvergessenen Künste der Metalltechnik und der
Teppichweberei in altem Geschmack aber mit den Hilfsmitteln der Neuzeit
gelehrt und geübt werden. Die Negierung hat aber nicht bloß für den wirt¬
schaftlichen Aufschwung, sondern auch für die geistige Kultur in höherm Sinne
gesorgt, und dies ist hauptsächlich das Verdienst des jüngst gestorbnen Reichs¬
finanzministers von Kallay. Es war ein großes Glück für Bosnien, daß in
der kritischen Zeit ein Mann von weitem Blick an der Spitze der gemeinsamen
Finanzen stand, daß dieser Mann ein Magyar war, und daß er bei dem Kaiser
und König sehr viel galt.

Von dem hohen Wert der wissenschaftlichen Landeserforschung an sich
und deren Rückwirkung auf die wirtschaftliche Erschließung durchdrungen und
in der glücklichen Lage, Männer zu finden, die für ihre Wissenschaft wie für
ihre zweite Heimat Bosnien gleich begeistert waren, hat er diese Männer
nicht nur in die entsprechenden Stellungen gebracht, sondern ihnen auch, ohne
zu kuausern, die nötigen Mittel zur Durchführung ihrer Arbeiten zur Ver¬
fügung gestellt.

So entstand unter anderm das berühmte Museum in Sarajewo, das
dnrch rasches Zugreifen in der Zeit des großen Umschwungs aller Verhült-
uisse in der Lage war, Schütze aus der böhmischen Vergangenheit, die einzig
in ihrer Art sind, und die in Gefahr waren, ganz oder wenigstens für das
Land verloren zu gehn, zu erwerben.

Aber nicht bloß für das Edle und das Gute, sondern auch für den Glanz
und den Schimmer wußte Kallay Gelder flüssig zu machen. Dazu rechne ich
manches von dem, was er zur Hebung des Fremdenverkehrs getan hat. Man
findet die von ihm errichteten Regierungshotels nicht bloß da, wo der Kauf¬
mann hinkommt, sondern auch an touristisch wichtigen Plätzen; alle großen
landschaftlichen Schönheiten sind bequem zugänglich gemacht worden, auf den
schönsten Bergen sind Unterkunftshütten, zum Teil durch Reitwege erreichbar, die
dem Fremden unentgeltlich zur Benutzung stehn. Ja sogar die Forellen in den
Bächen und die Gemsen auf den Bergen werden dem Besucher gastfreuud-
schaftlichst zur Verfügung gestellt, wenn er nur irgendeine Empfehlung bei¬
bringen kann. Dafür, daß sich die drei vorgemerkten Gemsen auch treffen
lassen, scheint allerdings nicht garantiert zu werden. Ich habe wenigstens
einmal im Fremdenbuch einer Schutzhülle in der Herzegowina einen erbarmungs¬
würdigen, durch mehrere Tage sich hinziehenden Eintrag eines Jägers gelesen,
den seine drei Gemsen zum Narren gehalten haben.

Die Krone von Kallays Schöpfungen zur Hebung des Fremdenverkehrs
ist die Ausgestaltung des schon von den Türken benutzten sehr heilkräftigen
heißen Schwefelbades Jlidze bei Sarajewo zu einen, "fcishionabeln" Kurort
in der Art des Herkulesbades, der Perle Ungarns. Es wird Kallay der
Vorwurf gemacht, daß er mit der zwar nicht üppigen aber sehr gediegnen


Grenzboten II 1906 20
Bosnien und die Herzegowina

Auch die Ausbeutung der andern Naturschätze, Eisen, Kohlen und Salz,
sowie die der Wasserkräfte durch Private ist in erfreulichem Aufschwung. Am
meisten sieht der Fremde gewöhnlich von dem, was durch die Regierung für
das Kunsthandwerk geschieht und geschehen ist durch Errichtung von Regierungs-
werkstütten, in denen die halbvergessenen Künste der Metalltechnik und der
Teppichweberei in altem Geschmack aber mit den Hilfsmitteln der Neuzeit
gelehrt und geübt werden. Die Negierung hat aber nicht bloß für den wirt¬
schaftlichen Aufschwung, sondern auch für die geistige Kultur in höherm Sinne
gesorgt, und dies ist hauptsächlich das Verdienst des jüngst gestorbnen Reichs¬
finanzministers von Kallay. Es war ein großes Glück für Bosnien, daß in
der kritischen Zeit ein Mann von weitem Blick an der Spitze der gemeinsamen
Finanzen stand, daß dieser Mann ein Magyar war, und daß er bei dem Kaiser
und König sehr viel galt.

Von dem hohen Wert der wissenschaftlichen Landeserforschung an sich
und deren Rückwirkung auf die wirtschaftliche Erschließung durchdrungen und
in der glücklichen Lage, Männer zu finden, die für ihre Wissenschaft wie für
ihre zweite Heimat Bosnien gleich begeistert waren, hat er diese Männer
nicht nur in die entsprechenden Stellungen gebracht, sondern ihnen auch, ohne
zu kuausern, die nötigen Mittel zur Durchführung ihrer Arbeiten zur Ver¬
fügung gestellt.

So entstand unter anderm das berühmte Museum in Sarajewo, das
dnrch rasches Zugreifen in der Zeit des großen Umschwungs aller Verhült-
uisse in der Lage war, Schütze aus der böhmischen Vergangenheit, die einzig
in ihrer Art sind, und die in Gefahr waren, ganz oder wenigstens für das
Land verloren zu gehn, zu erwerben.

Aber nicht bloß für das Edle und das Gute, sondern auch für den Glanz
und den Schimmer wußte Kallay Gelder flüssig zu machen. Dazu rechne ich
manches von dem, was er zur Hebung des Fremdenverkehrs getan hat. Man
findet die von ihm errichteten Regierungshotels nicht bloß da, wo der Kauf¬
mann hinkommt, sondern auch an touristisch wichtigen Plätzen; alle großen
landschaftlichen Schönheiten sind bequem zugänglich gemacht worden, auf den
schönsten Bergen sind Unterkunftshütten, zum Teil durch Reitwege erreichbar, die
dem Fremden unentgeltlich zur Benutzung stehn. Ja sogar die Forellen in den
Bächen und die Gemsen auf den Bergen werden dem Besucher gastfreuud-
schaftlichst zur Verfügung gestellt, wenn er nur irgendeine Empfehlung bei¬
bringen kann. Dafür, daß sich die drei vorgemerkten Gemsen auch treffen
lassen, scheint allerdings nicht garantiert zu werden. Ich habe wenigstens
einmal im Fremdenbuch einer Schutzhülle in der Herzegowina einen erbarmungs¬
würdigen, durch mehrere Tage sich hinziehenden Eintrag eines Jägers gelesen,
den seine drei Gemsen zum Narren gehalten haben.

Die Krone von Kallays Schöpfungen zur Hebung des Fremdenverkehrs
ist die Ausgestaltung des schon von den Türken benutzten sehr heilkräftigen
heißen Schwefelbades Jlidze bei Sarajewo zu einen, „fcishionabeln" Kurort
in der Art des Herkulesbades, der Perle Ungarns. Es wird Kallay der
Vorwurf gemacht, daß er mit der zwar nicht üppigen aber sehr gediegnen


Grenzboten II 1906 20
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[0163] Bosnien und die Herzegowina Auch die Ausbeutung der andern Naturschätze, Eisen, Kohlen und Salz, sowie die der Wasserkräfte durch Private ist in erfreulichem Aufschwung. Am meisten sieht der Fremde gewöhnlich von dem, was durch die Regierung für das Kunsthandwerk geschieht und geschehen ist durch Errichtung von Regierungs- werkstütten, in denen die halbvergessenen Künste der Metalltechnik und der Teppichweberei in altem Geschmack aber mit den Hilfsmitteln der Neuzeit gelehrt und geübt werden. Die Negierung hat aber nicht bloß für den wirt¬ schaftlichen Aufschwung, sondern auch für die geistige Kultur in höherm Sinne gesorgt, und dies ist hauptsächlich das Verdienst des jüngst gestorbnen Reichs¬ finanzministers von Kallay. Es war ein großes Glück für Bosnien, daß in der kritischen Zeit ein Mann von weitem Blick an der Spitze der gemeinsamen Finanzen stand, daß dieser Mann ein Magyar war, und daß er bei dem Kaiser und König sehr viel galt. Von dem hohen Wert der wissenschaftlichen Landeserforschung an sich und deren Rückwirkung auf die wirtschaftliche Erschließung durchdrungen und in der glücklichen Lage, Männer zu finden, die für ihre Wissenschaft wie für ihre zweite Heimat Bosnien gleich begeistert waren, hat er diese Männer nicht nur in die entsprechenden Stellungen gebracht, sondern ihnen auch, ohne zu kuausern, die nötigen Mittel zur Durchführung ihrer Arbeiten zur Ver¬ fügung gestellt. So entstand unter anderm das berühmte Museum in Sarajewo, das dnrch rasches Zugreifen in der Zeit des großen Umschwungs aller Verhült- uisse in der Lage war, Schütze aus der böhmischen Vergangenheit, die einzig in ihrer Art sind, und die in Gefahr waren, ganz oder wenigstens für das Land verloren zu gehn, zu erwerben. Aber nicht bloß für das Edle und das Gute, sondern auch für den Glanz und den Schimmer wußte Kallay Gelder flüssig zu machen. Dazu rechne ich manches von dem, was er zur Hebung des Fremdenverkehrs getan hat. Man findet die von ihm errichteten Regierungshotels nicht bloß da, wo der Kauf¬ mann hinkommt, sondern auch an touristisch wichtigen Plätzen; alle großen landschaftlichen Schönheiten sind bequem zugänglich gemacht worden, auf den schönsten Bergen sind Unterkunftshütten, zum Teil durch Reitwege erreichbar, die dem Fremden unentgeltlich zur Benutzung stehn. Ja sogar die Forellen in den Bächen und die Gemsen auf den Bergen werden dem Besucher gastfreuud- schaftlichst zur Verfügung gestellt, wenn er nur irgendeine Empfehlung bei¬ bringen kann. Dafür, daß sich die drei vorgemerkten Gemsen auch treffen lassen, scheint allerdings nicht garantiert zu werden. Ich habe wenigstens einmal im Fremdenbuch einer Schutzhülle in der Herzegowina einen erbarmungs¬ würdigen, durch mehrere Tage sich hinziehenden Eintrag eines Jägers gelesen, den seine drei Gemsen zum Narren gehalten haben. Die Krone von Kallays Schöpfungen zur Hebung des Fremdenverkehrs ist die Ausgestaltung des schon von den Türken benutzten sehr heilkräftigen heißen Schwefelbades Jlidze bei Sarajewo zu einen, „fcishionabeln" Kurort in der Art des Herkulesbades, der Perle Ungarns. Es wird Kallay der Vorwurf gemacht, daß er mit der zwar nicht üppigen aber sehr gediegnen Grenzboten II 1906 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/163>, abgerufen am 27.12.2024.