Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Bosnien und die Herzegowina sollen die armen Franziskaner keinen Schnurrbart und Fes tragen, wenn sich Daß die katholische Kirche in den Bognmilen- und den Türkenzeiten nicht Auf welcher Kulturstufe Bosnien im Jahre 1878 stand, geht schon aus Diese Bemerkung war nach der Lage der Sache ganz richtig, denn die Die Erträge des Ackerbodens, dessen reinen Erdgeruch "die Seele der Bosnien und die Herzegowina sollen die armen Franziskaner keinen Schnurrbart und Fes tragen, wenn sich Daß die katholische Kirche in den Bognmilen- und den Türkenzeiten nicht Auf welcher Kulturstufe Bosnien im Jahre 1878 stand, geht schon aus Diese Bemerkung war nach der Lage der Sache ganz richtig, denn die Die Erträge des Ackerbodens, dessen reinen Erdgeruch „die Seele der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0156" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299197"/> <fw type="header" place="top"> Bosnien und die Herzegowina</fw><lb/> <p xml:id="ID_614" prev="#ID_613"> sollen die armen Franziskaner keinen Schnurrbart und Fes tragen, wenn sich<lb/> die Bischöfe in China einen Zopf und Pfauenfeder zu tragen erlauben konnten?</p><lb/> <p xml:id="ID_615"> Daß die katholische Kirche in den Bognmilen- und den Türkenzeiten nicht<lb/> unterging, ist großenteils das Verdienst der Franziskaner. Sie waren es. die<lb/> wenigstens in ihren Klöstern in dem hintersten Winkel der Seitentäler einen<lb/> regelrechten Gottesdienst durchführten und Schule hielten; sie haben in Gegenden,<lb/> wo der Fanatismus der Türken namentlich im letzten Jahrhundert die ärmlichste<lb/> Holzbude für gottesdienstliche Zwecke zertrümmerte, unter freiem Himmel Gottes¬<lb/> dienst gehalten, sie haben die Verbindung mit Rom und mit Wien aufrecht¬<lb/> erhalten, sie haben dem getretner Volk immer wieder von der alten Herrlich¬<lb/> keit des katholisch-böhmischen Königreichs und von dem verräterisch umgebrachten<lb/> und schimpflich verscharrten König erzählt, sie haben mit dem Volke gelebt<lb/> und gekämpft, und wenn List und Diplomatie erschöpft waren, sind sie auch<lb/> mit Blut und Leben für ihren Glauben eingetreten. Noch jetzt ist die Be¬<lb/> deutung dieses populären Ordens im Lande sehr groß. Ein Franziskaner, mit<lb/> dem ich in der Herzegowina reiste, erzählte mir, daß sie jetzt noch von hundert¬<lb/> fünfzig Pfarreien achtzig versehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_616"> Auf welcher Kulturstufe Bosnien im Jahre 1878 stand, geht schon aus<lb/> folgenden zwei Tatsachen hervor. Die Landwirtschaft, die über 90 Prozent<lb/> der Bevölkerung beschäftigte, bediente sich noch des römischen Pfluges, und<lb/> zwar mit hölzerner Pflugschar, und konnte nur mit Widerstreben von der Ne¬<lb/> gierung zum Gebrauch der umsonst gelieferten eisernen Pflüge gebracht werden.<lb/> Zwei Mißernten, die unglücklicherweise aufeinander folgten, wurden auf Rechnung<lb/> der neuen Pflüge geschrieben. Bei meinem Besuch der blühenden reichsdeutschcn<lb/> Ansiedlung Nudolfstal erzählte mir der frühere Bürgermeister und Gastwirt<lb/> Hörmann, was er mit seinem modernen Pflug erlebt habe. Seine serbischen<lb/> Nachbarn Hütten mit Staunen gesehen, welche tiefe Furchen er aufgerissen<lb/> habe, aber dann hätten sie gesagt: Wir können diesen Pflug nicht brauchen,<lb/> denn der reißt ja alles Unkraut heraus, und was sollen dann unsre Kühe auf<lb/> dem Brachacker fressen?</p><lb/> <p xml:id="ID_617"> Diese Bemerkung war nach der Lage der Sache ganz richtig, denn die<lb/> Bauern in Bosnien hielten einen so großen Viehstand, daß sie tatsächlich die<lb/> Bräche als Weide benutzten und außerdem das frische Laub der Waldbäume<lb/> in ausgedehntem Maße heranziehn mußten. Trotzdem war die Durchfütterung<lb/> des Viehes durch den Winter immer eine Art Hungerkur. Deshalb war auch<lb/> die Qualität des Viehes entsprechend, und was die Pferde anlangt, so höre<lb/> ich jetzt noch die Entrüstung, mit der mir ein Einheimischer erzählte, es stehe<lb/> in einem Reisewerk, daß die Bosnier kleine aber ausdauernde pferdeartige Tiere<lb/> Hütten.</p><lb/> <p xml:id="ID_618" next="#ID_619"> Die Erträge des Ackerbodens, dessen reinen Erdgeruch „die Seele der<lb/> Landwirtschaft" nie verpestete, waren entsprechend. Entschieden höher als die<lb/> Landwirtschaft stand das Handwerk, das, ganz in mittelalterlicher Art im<lb/> kleinen betrieben, vielfach Erzeugnisse hervorbrachte, die bei uns als Kunst¬<lb/> handwerk hochgeschätzt werden. Die Schätze des Museums in Sarajewo an<lb/> getriebnen Metall, Teppichen, Stickereien und eingelegten Waffen geben davon</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0156]
Bosnien und die Herzegowina
sollen die armen Franziskaner keinen Schnurrbart und Fes tragen, wenn sich
die Bischöfe in China einen Zopf und Pfauenfeder zu tragen erlauben konnten?
Daß die katholische Kirche in den Bognmilen- und den Türkenzeiten nicht
unterging, ist großenteils das Verdienst der Franziskaner. Sie waren es. die
wenigstens in ihren Klöstern in dem hintersten Winkel der Seitentäler einen
regelrechten Gottesdienst durchführten und Schule hielten; sie haben in Gegenden,
wo der Fanatismus der Türken namentlich im letzten Jahrhundert die ärmlichste
Holzbude für gottesdienstliche Zwecke zertrümmerte, unter freiem Himmel Gottes¬
dienst gehalten, sie haben die Verbindung mit Rom und mit Wien aufrecht¬
erhalten, sie haben dem getretner Volk immer wieder von der alten Herrlich¬
keit des katholisch-böhmischen Königreichs und von dem verräterisch umgebrachten
und schimpflich verscharrten König erzählt, sie haben mit dem Volke gelebt
und gekämpft, und wenn List und Diplomatie erschöpft waren, sind sie auch
mit Blut und Leben für ihren Glauben eingetreten. Noch jetzt ist die Be¬
deutung dieses populären Ordens im Lande sehr groß. Ein Franziskaner, mit
dem ich in der Herzegowina reiste, erzählte mir, daß sie jetzt noch von hundert¬
fünfzig Pfarreien achtzig versehen.
Auf welcher Kulturstufe Bosnien im Jahre 1878 stand, geht schon aus
folgenden zwei Tatsachen hervor. Die Landwirtschaft, die über 90 Prozent
der Bevölkerung beschäftigte, bediente sich noch des römischen Pfluges, und
zwar mit hölzerner Pflugschar, und konnte nur mit Widerstreben von der Ne¬
gierung zum Gebrauch der umsonst gelieferten eisernen Pflüge gebracht werden.
Zwei Mißernten, die unglücklicherweise aufeinander folgten, wurden auf Rechnung
der neuen Pflüge geschrieben. Bei meinem Besuch der blühenden reichsdeutschcn
Ansiedlung Nudolfstal erzählte mir der frühere Bürgermeister und Gastwirt
Hörmann, was er mit seinem modernen Pflug erlebt habe. Seine serbischen
Nachbarn Hütten mit Staunen gesehen, welche tiefe Furchen er aufgerissen
habe, aber dann hätten sie gesagt: Wir können diesen Pflug nicht brauchen,
denn der reißt ja alles Unkraut heraus, und was sollen dann unsre Kühe auf
dem Brachacker fressen?
Diese Bemerkung war nach der Lage der Sache ganz richtig, denn die
Bauern in Bosnien hielten einen so großen Viehstand, daß sie tatsächlich die
Bräche als Weide benutzten und außerdem das frische Laub der Waldbäume
in ausgedehntem Maße heranziehn mußten. Trotzdem war die Durchfütterung
des Viehes durch den Winter immer eine Art Hungerkur. Deshalb war auch
die Qualität des Viehes entsprechend, und was die Pferde anlangt, so höre
ich jetzt noch die Entrüstung, mit der mir ein Einheimischer erzählte, es stehe
in einem Reisewerk, daß die Bosnier kleine aber ausdauernde pferdeartige Tiere
Hütten.
Die Erträge des Ackerbodens, dessen reinen Erdgeruch „die Seele der
Landwirtschaft" nie verpestete, waren entsprechend. Entschieden höher als die
Landwirtschaft stand das Handwerk, das, ganz in mittelalterlicher Art im
kleinen betrieben, vielfach Erzeugnisse hervorbrachte, die bei uns als Kunst¬
handwerk hochgeschätzt werden. Die Schätze des Museums in Sarajewo an
getriebnen Metall, Teppichen, Stickereien und eingelegten Waffen geben davon
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