Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.subalterne Juristen s^eriüoio äsll' iiitMstto zu bringen, also von einer selbständigen Prüfung der Und wie steht es erst um die Rechtsanwälte! Noch viel schlimmer. Sie Überaus häufig hört man Richter und Anwälte darüber klagen, daß es subalterne Juristen s^eriüoio äsll' iiitMstto zu bringen, also von einer selbständigen Prüfung der Und wie steht es erst um die Rechtsanwälte! Noch viel schlimmer. Sie Überaus häufig hört man Richter und Anwälte darüber klagen, daß es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0607" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88085"/> <fw type="header" place="top"> subalterne Juristen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2575" prev="#ID_2574"> s^eriüoio äsll' iiitMstto zu bringen, also von einer selbständigen Prüfung der<lb/> Rechtsfrage abzusehen und sich schlechthin der Ansicht des höhern Gerichts<lb/> anzuschließen. Aber die Neigung der Richter zu gründlicher, selbständiger Be¬<lb/> handlung von Rechtsfragen wird durch solche Verhältnisse nicht vermehrt!</p><lb/> <p xml:id="ID_2576"> Und wie steht es erst um die Rechtsanwälte! Noch viel schlimmer. Sie<lb/> sind meist noch viel mehr beschäftigt als der Richter. Ein Kommentar oder<lb/> ein Lehrbuch und die Präjudiziensammlung sind das ganze wissenschaftliche<lb/> Rüstzeug unsrer Anwälte; auf Grund solcher Vorbereitung werden Gutachten<lb/> abgegeben, Ansprüche geltend gemacht. Der Rechtsanwalt ist dabei freilich<lb/> in einer angenehmem Lage als der Richter; er stellt seine Antrüge, so gut<lb/> er es eben kann, und überläßt dem Gericht die Entscheidung. Ist der Rechts¬<lb/> anwalt vorsichtig, so sagt er dem Bauern, der ihn nach dem voraussichtlichen<lb/> Ausgang des Prozesses fragt: „Lieber Freund! Über deinen Anspruch urteilen<lb/> in der ersten Instanz drei, in der zweiten Instanz fünf, in der dritten Instanz<lb/> sieben Richter; da weiß der liebe Gott allein, wie sich diese fünfzehn Männer<lb/> zu deiner Sache stellen werden."</p><lb/> <p xml:id="ID_2577" next="#ID_2578"> Überaus häufig hört man Richter und Anwälte darüber klagen, daß es<lb/> ihnen unmöglich sei, sich mit einer schwierigem Rechtsfrage, deren Ent¬<lb/> scheidung ihnen obliegt, so eingehend zu beschäftigen, die Entscheidung so<lb/> gründlich zu treffen, wie sie selbst es als nötig empfinden! Mangelnde<lb/> Gründlichkeit lastet mit zwingender Notwendigkeit auf den Arbeiten unsrer<lb/> Praktiker. Die Entscheidung schwieriger Rechtsfragen verlangt eben ein tiefes<lb/> Eindringen in den Rechtsstoff, oft ein Zurückgehn auf die Rechtslehre und<lb/> die Rechtsprechung der frühern Rechte, zumeist auch auf die Vorarbeiten zum<lb/> Gesetz und ausnahmslos eine kritische Verwertung der über die Frage schon<lb/> vorhandnen Literatur (Monographien und Zeitschriftenabhandlnngen) sowie<lb/> der Rechtsprechung. Zu einer solchen Arbeitsweise ist aber keineswegs jeder,<lb/> der die Befähigung zum Richteramt erlangt hat, befähigt; und wenn er<lb/> hierzu befähigt ist, so steht ihm doch (falls er nicht etwa am Sitz einer Uni¬<lb/> versität oder einer Landesbibliothek wohnt) das „wissenschaftliche Rüstzeug"<lb/> gar nicht zur Verfügung; und auch wenn es der Fall ist, so verlangt jene<lb/> Arbeitsweise unter alleu Umständen einen Zeitaufwand, den der mit Amts-<lb/> geschüften überhäufte Praktiker einer einzelnen Sache unmöglich zuwenden<lb/> kann. Und da die Justizverwaltungen unmöglich die Bücherei jedes einzigen<lb/> Gerichts mit dem zur Entscheidung jeder Rechtsfrage nötigen „wissenschaft¬<lb/> lichen Rüstung" ausstatten und unmöglich soviel Richter anstellen können,<lb/> daß jeder von ihnen der Bearbeitung einer Rechtsfrage ganze Wochen widmen<lb/> kann, so ist der geschilderte Übelstand unvermeidlich: es haftet den Arbeiten<lb/> der juristischen Praktiker der Mangel an Selbständigkeit, an wissenschaftlicher<lb/> Gründlichkeit, es haftet ihnen mit Notwendigkeit eine subalterne Arbeitsweise<lb/> an. Das empfinden, wie schon gesagt, auch viele Praktiker sehr; man tröstet<lb/> sich mit der Erwägung, daß zwischen einer theoretisch-wissenschaftlichen Ab¬<lb/> handlung und einer praktischen Entscheidung nun einmal Unterschiede vor¬<lb/> handen seien, die in der Natur der Sache lägen. Das ist richtig, so weit<lb/> Form und Umfang in Betracht kommen. Eine theoretische Abhandlung kann</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0607]
subalterne Juristen
s^eriüoio äsll' iiitMstto zu bringen, also von einer selbständigen Prüfung der
Rechtsfrage abzusehen und sich schlechthin der Ansicht des höhern Gerichts
anzuschließen. Aber die Neigung der Richter zu gründlicher, selbständiger Be¬
handlung von Rechtsfragen wird durch solche Verhältnisse nicht vermehrt!
Und wie steht es erst um die Rechtsanwälte! Noch viel schlimmer. Sie
sind meist noch viel mehr beschäftigt als der Richter. Ein Kommentar oder
ein Lehrbuch und die Präjudiziensammlung sind das ganze wissenschaftliche
Rüstzeug unsrer Anwälte; auf Grund solcher Vorbereitung werden Gutachten
abgegeben, Ansprüche geltend gemacht. Der Rechtsanwalt ist dabei freilich
in einer angenehmem Lage als der Richter; er stellt seine Antrüge, so gut
er es eben kann, und überläßt dem Gericht die Entscheidung. Ist der Rechts¬
anwalt vorsichtig, so sagt er dem Bauern, der ihn nach dem voraussichtlichen
Ausgang des Prozesses fragt: „Lieber Freund! Über deinen Anspruch urteilen
in der ersten Instanz drei, in der zweiten Instanz fünf, in der dritten Instanz
sieben Richter; da weiß der liebe Gott allein, wie sich diese fünfzehn Männer
zu deiner Sache stellen werden."
Überaus häufig hört man Richter und Anwälte darüber klagen, daß es
ihnen unmöglich sei, sich mit einer schwierigem Rechtsfrage, deren Ent¬
scheidung ihnen obliegt, so eingehend zu beschäftigen, die Entscheidung so
gründlich zu treffen, wie sie selbst es als nötig empfinden! Mangelnde
Gründlichkeit lastet mit zwingender Notwendigkeit auf den Arbeiten unsrer
Praktiker. Die Entscheidung schwieriger Rechtsfragen verlangt eben ein tiefes
Eindringen in den Rechtsstoff, oft ein Zurückgehn auf die Rechtslehre und
die Rechtsprechung der frühern Rechte, zumeist auch auf die Vorarbeiten zum
Gesetz und ausnahmslos eine kritische Verwertung der über die Frage schon
vorhandnen Literatur (Monographien und Zeitschriftenabhandlnngen) sowie
der Rechtsprechung. Zu einer solchen Arbeitsweise ist aber keineswegs jeder,
der die Befähigung zum Richteramt erlangt hat, befähigt; und wenn er
hierzu befähigt ist, so steht ihm doch (falls er nicht etwa am Sitz einer Uni¬
versität oder einer Landesbibliothek wohnt) das „wissenschaftliche Rüstzeug"
gar nicht zur Verfügung; und auch wenn es der Fall ist, so verlangt jene
Arbeitsweise unter alleu Umständen einen Zeitaufwand, den der mit Amts-
geschüften überhäufte Praktiker einer einzelnen Sache unmöglich zuwenden
kann. Und da die Justizverwaltungen unmöglich die Bücherei jedes einzigen
Gerichts mit dem zur Entscheidung jeder Rechtsfrage nötigen „wissenschaft¬
lichen Rüstung" ausstatten und unmöglich soviel Richter anstellen können,
daß jeder von ihnen der Bearbeitung einer Rechtsfrage ganze Wochen widmen
kann, so ist der geschilderte Übelstand unvermeidlich: es haftet den Arbeiten
der juristischen Praktiker der Mangel an Selbständigkeit, an wissenschaftlicher
Gründlichkeit, es haftet ihnen mit Notwendigkeit eine subalterne Arbeitsweise
an. Das empfinden, wie schon gesagt, auch viele Praktiker sehr; man tröstet
sich mit der Erwägung, daß zwischen einer theoretisch-wissenschaftlichen Ab¬
handlung und einer praktischen Entscheidung nun einmal Unterschiede vor¬
handen seien, die in der Natur der Sache lägen. Das ist richtig, so weit
Form und Umfang in Betracht kommen. Eine theoretische Abhandlung kann
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